Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Weißer Ring kümmert sich um Opfer von Kriminalität
Zahl der Betreuten steigt im Ilm-Kreis beständig. In Arnstadt fehlt derzeit ein passender Beratungsraum
Ilm-Kreis. Hin und wieder treten sie unübersehbar in Erscheinung: In knallorangen Westen stehen die Mitarbeiter des Weißen Rings auf öffentlichen Plätzen und sprechen Menschen an. Zuletzt war das beim Aktionstag gegen Gewalt an Mädchen und Frauen der Fall. „Normalerweise wirken wir aber im Stillen, leisten Hilfe, die Menschen bitter nötig haben“, umreißt Viola Worsch, was sie und ihre derzeit fünf Notfallhelfer Tag für Tag ehrenamtlich tun.
Heute, am Tag des Kriminalitätsopfers, verzichten die sechs Aktiven auf einen öffentlichen Auftritt. Denn sie haben alle Hände voll zu tun. Weit über 400 Stunden ihrer Freizeit verbrachten sie im Jahr 2017 im Gespräch, berieten, begleiteten Opfer von Übergriffen zur Polizei oder auf Gerichte, kümmerten sich darum, dass die schlimmste Not schnell und unbürokratisch gelindert wurde.
In diesem Jahr kamen bereits 17 neue Fälle hinzu. Dass sich Kriminalitätsopfer an den Weißen Ring wenden, ehrt Viola Worsch. „Das zeigt, dass wir gute Arbeit machen, dass sich unsere Angebote herumsprechen“, sagt sie. Nicht nur die Polizei gibt Betroffenen den Tipp, bei der Organisation um Unterstützung zu bitten. Auch Ärzte, Familienmitglieder, Kollegen, Nachbarn geben entsprechende Hinweise.
Die Fälle, mit denen die Mitarbeiter zu tun bekommen, lesen sich wie ein Blick in die Kriminalstatistik der Polizei. Besonders häufig geht es um häusliche Gewalt. Mitunter werden Opfer so sehr gestalkt, dass ihnen ein normales Leben nicht mehr möglich ist. Vergewaltigungsopfer finden den Weg zum Weißen Ring. Es geht um sexuellen Missbrauch, der mitunter jahrelang zurückliegt. Auch Opfer von körperlichen Übergriffen, die anschließend unter massiver Angst leiden, gehören zu den Betreuten. Ebenso wie die Hinterbliebenen eines Mordopfers.
„Wir begleiten diese Menschen auf Zeit. Sie alle eint, dass sie schlimme Dinge erlebt haben und sich in einer Situation befinden, in der sie selber nicht mehr weiter wissen“, erklärt Viola Worsch. Als Außenstehende, die eine entsprechende Ausbildung durchlaufen haben, können die Ehrenamtler vom Weißen Ring oft schon beim ersten Treffen weiterhelfen. Wurde bereits Anzeige erstattet? Wenn nicht, gehen sie mit zur Polizei, stärken den Opfern den Rücken.
Sie vermitteln aber auch Kontakt zu Fachanwälten, übernehmen die Kosten für eine Erstberatung oder den ersten Beratungstermin für einen Psychologen. „Wobei das im Ilm-Kreis schwierig ist. Auf die Schnelle bekommt man keine Termine“, weiß Worsch.
Auch gehen die Mitarbeiter des Weißen Rings mit zu Gerichtsterminen und schieben Hilfen an, wo immer es nötig ist. Etwa, wenn Frauen und Kinder vor einem gewalttätigen Mann fliehen und eine neue Wohnung beziehen. Da fehlt es mitunter am Nötigsten.
Für alle Eventualitäten gibt es zwar keinen Fonds. „Wir haben aber ein großes Netzwerk, über das sich dennoch eine Lösung findet“, ist Viola Worsch optimistisch. Dennoch: Dem Weißen Ring geht es wie vielen anderen Vereinen auch. Die Zahl der Mitglieder vor Ort wird geringer. 27 sind es derzeit im Ilm-Kreis. Und das schränkt die Möglichkeiten zunehmend ein.
Mieten für Beratungsräume zahlen kann der Weiße Ring zum Beispiel nicht. In Ilmenau, lobt Worsch, gibt es eine gute Lösung. Im Mehrgenerationenhaus am Wetzlarer Platz kann an jedem zweiten Mittwoch im Monat von 16 bis 18 Uhr eine Sprechstunde angeboten werden. In Arnstadt gibt es zwar auch einige Räume, die mitnutzbar sind. Doch fehlt hier noch die feste Anlaufstelle, in der auch mal in Ruhe Beratungsgespräche geführt und Akten sicher gelagert werden können. „Wir würden uns freuen, wenn wir auch hier ein Angebot bekämen“, sagt Worsch.
Für Betroffene da sein, ihnen die Angst nehmen, sie stark machen für eine Gerichtsverhandlung – all das sieht der Weiße Ring als seine Aufgabe an. Nicht nur am heutigen Tag des Kriminalitätsopfers, sondern bei Bedarf an 365 Tagen im Jahr.