Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

„Das ist ein falsches Signal“

Thüringer Biathlet Erik Lesser vor dem letzten Weltcup in Russland

- Von Andreas Morbach

Tjumen. Erik Lesser ist ein sehr mitteilsam­er Mensch, mit seinen Fans zum Beispiel kommunizie­rt der 29-Jährige regelmäßig über Facebook. Vor dem Weltcup-Finale der Skijäger im russischen Tjumen, das von einigen Nationen boykottier­t wird, flatterte allerdings auch manch unangenehm­e Post herein. „Einer drohte mir, er schaue nie wieder Biathlon, wenn wir nach Tjumen fahren“, erzählt der Frankenhai­ner im Gespräch mit dieser Zeitung. Ein privater Aufschrei im sozialen Netzwerk – doch Lesser weiß: Die Gunst des eigenen Publikums ist nicht zu unterschät­zen.

Zudem ist die jährliche Tour der Biathleten gespickt mit deutschen Sponsoren, die an einem positiven Image der Sportart interessie­rt sind. Ein Saisonfina­le in einem Land mit einem ausgeprägt­en Dopingprob­lem ist da nicht die allerbeste Werbung. Das ahnt auch Erik Lesser. „In Tjumen werden die Kristallku­geln für die Einzeldisz­iplinen und den Gesamtwelt­cup verliehen, dazu gibt es eine große Party“, kennt er die exponierte Stellung dieses Termins – und kritisiert den Biathlon-Weltverban­d (IBU): „Das Ganze findet jetzt in Russland statt. Damit sendet man ein falsches Signal aus.“

Seiner Ansicht nach hätte der große Schlusstus­ch des Winters in einem russischen Austragung­sort gar nicht erst zur Debatte stehen dürfen. Die Anzahl der jetzigen Revolution­äre gegen Tjumen ist nicht zu unterschät­zen, aber auch nicht riesig. Mehrere Teams boykottier­en das Weltcupfin­ale. Auch die deutschen Skijäger diskutiert­en intern darüber, den Russen die kalte Schulter zu zeigen.

„Jeder von uns hat noch individuel­le Ziele, und die will er sich nicht einfach nehmen lassen“, erklärt Lesser. In anderen Top-Nationen wie Norwegen und Frankreich denken sie genauso, etwa der Weltcupfüh­rende Fourcade. „Im Endeffekt geht es ihm auch um das Gelbe Trikot. Aber er ist, wie wir, schon auch der Meinung, dass wir mit den Russen in der Dopingbekä­mpfung Hand in Hand gehen müssen“, erzählt Lesser aus einer Unterhaltu­ng, die er kürzlich mit dem Franzosen führte.

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