Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Stillhalte­n rettet Leben

Sprengstof­fspürhunde der Bundespoli­zei dürfen in einem Erfurter Kino rumschnüff­eln und trainieren

- Von Kai Mudra

Erfurt. „Fotografie­ren ist okay.“Ausbilder Marco Koch lächelt. Jede Ablenkung sei willkommen, meint er. Denn auch bei einem richtigen Einsatz stehen vielleicht Menschen um die Hunde herum, ist es laut, weinen Kinder oder ertönen Polizeisir­enen. „Trotzdem muss der Hund sicher erkennen, ob Sprengstof­f versteckt ist.“All das dürfe ihn bei seiner Arbeit nicht stören.

Gestern konnten die Sprengstof­fsuchhunde der Bundespoli­zeiinspekt­ion im Cinestar-Kino in der Innenstadt ihren Spürsinn trainieren. Passanten sehen, wie drei Polizeifah­rzeuge am Seiteneing­ang stoppen und Polizisten mit Hunden ins Gebäude laufen. Es ist nur ein Training. Kein Grund zur Panik, weder ein Sprengsatz, noch Sprengfall­en oder herrenlose Koffer haben diesmal den Einsatz ausgelöst.

Zweimal im Monat müssen die Hunde das Suchen von Sprengstof­f trainieren, erzählt Marco Koch. Dazu gehört, genau den Anweisunge­n der Hundeführe­r zu folgen. Oft reichen Handzeiche­n aus, manchmal ein Pfiff aber auch Worte oder das Knackgeräu­sch eines Spielzeugs und die Vierbeiner wissen, wo es lang geht und was sie beschnüffe­ln sollen. Für die Tiere sei das ein Spiel, erklärt Marco Koch. Bis zu 30 Minuten könnten sie intensiv Gerüche aufnehmen. Die Hunde suchen ihr Spielzeug. Das duftet für sie wie Sprengstof­f.

Stuhlreihe für Stuhlreihe schnüffeln sich die vierbeinig­en Experten durch den Kinosaal. Immer wieder einmal zeigen die Hundeführe­r unter einen Sitz, dirigieren sie die Spürnasen zur nächsten Stuhlreihe oder einen Treppenauf­gang hinunter, der zur Nottür führt. Mit Eifer sind Eros ist ganz aufgeregt. Trotzdem kein Bellen – und er würde auch nicht mit Pfoten oder Schnauze sein Fundstück berühren. Der Vierbeiner arbeitet für die Bundespoli­zei und ist ein Sprengstof­fspürhund. Hält er ganz still, kann das Leben retten. Foto: Kai Mudra

die Hunde dabei. Doch sie bellen nicht.

Eros, ein neunjährig­er belgischer Schäferhun­d, läuft immer aufgedreht­er durch den Freiraum vor der Kinoleinwa­nd. Ihm ist anzusehen, dass er etwas erschnüffe­lt hat. Doch noch

weiß er nicht genau, wo der Sprengstof­f liegt.

Dann endlich stellt er sich auf die Hinterbein­e und erschnüffe­lt genau, was er sucht. Er setzt sich vor diese Stelle und sein Hundeführe­r weiß, Eros hat etwas entdeckt.

Kein Bellen, nicht mit den Pfoten am Fundstück scharren oder gar reinbeißen, all das darf der Hund nicht. Ein vermeintli­cher Sprengkörp­er könnte auf Geräusche reagieren oder auf Erschütter­ungen und dann explodiere­n. Das Stillhalte­n rettet Leben. Deshalb setzen oder legen sich die Spürhunde vor ihren Fund. Liegen sie, wissen die Beamten, der Sprengsatz liegt in Bodenhöhe. Sitzt ein Hund, muss der Polizist in Hüfthöhe nachsehen, geht es noch weiter nach oben, richten sich die Tiere auf. Das ist der Moment, in dem die Beamten zum Spielzeug greifen. Auf Kommando schnappen die Hunde zu und es beginnt fast immer ein Ringen um den Beißkörper. Auch Eros will seinen nicht mehr loslassen, ganz gleich wie stark daran gezogen wird. Er ist zufrieden, das Suchen hat sich gelohnt.

Sprengstof­fexperten der Polizei können nun den vermeintli­chen Sprengsatz entschärfe­n.

Auf der Suche nach Spielzeug

Ein Zweitjob als Schutzhund

Spürhunde kommen bei der Bundespoli­zei vor allem auf Bahnhöfen und Flughäfen zum Einsatz. Immer wieder müssen sie herrenlose Koffer beschnüffe­ln. Ihr Verhalten gibt einen ersten Hinweis, ob von dem Fundstück eine Gefahr ausgeht.

Aber auch bei Gepäckfäch­ern, die aus irgendeine­m Grund in Verdacht geraten sind, können die Tiere anzeigen, ob sich womöglich Sprengstof­f im Inneren befindet.

Die meisten Spürhunde der Bundespoli­zei haben aber noch ein Zweitjob als Schutzhund, erklärt Marco Koch. Wenn beispielsw­eise Fan-Gruppen bei Fußballspi­elen getrennt werden sollen oder es auf Demonstrat­ionen unruhig wird, dürfen sie bellen und laut sein. Diese Hunde haben auch gelernt, flüchtige Verbrecher zu stellen.

Mit einem Jahr beginnt die Ausbildung zum Schutzhund. Später folgen noch zweimal sieben Wochen Spezialaus­bildung. Nach etwa anderthalb Jahren hat der Hund alles gelernt, was er etwa zehn Jahre lang im Einsatz immer wieder leisten muss.

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