Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Ende einer Doppel-Intendanz
Ansgar Haag soll sich aus Eisenach zurückziehen und auf Meiningen konzentrieren. Dort hat er das Ensemble gegen sich
Meiningen. „Herr Haag wird sich mehr Zeit für Meiningen nehmen“, sagt Kulturminister Benjamin Hoff (Linke), der dem Rat der Kulturstiftung Meiningen-Eisenach vorsteht. Herr Haag selbst weiß nicht recht, ob das eher eine Entlastung oder Entlassung ist. Seit mehr als einem Jahr prägen erhebliche Differenzen zwischen Leitung und Belegschaft das Staatstheater Meiningen intern. „Die Unruhen hier“, vermutet Ansgar Haag, sah der Stiftungsrat als günstige Gelegenheit, etwas zu verändern.
Er muss am Landestheater Eisenach nach zehn Jahren Doppelindentanz die Verantwortung abgeben. „Vorgesehen ist eine (von Meiningen losgelöste) künstlerische Leitung“, heißt es auf Nachfrage aus dem Hause Hoff, „nach Möglichkeit zur neuen Spielzeit“– und „gegebenenfalls zunächst kommissarisch.“
Haag findet zwar, eine Doppelindentanz habe gut funktioniert. Nachdem die Orchester Eisenachs und Gothas fusionierten und Rudolstadts Schauspiel im Landestheater Einzug hielt, habe Eisenachs OB Katja Wolf (Linke) aber wohl auf ein Signal für mehr Eigenständigkeit gedrängt.
„Das klingt logisch“, sagt Wolf dazu, „aber so war’s nicht.“Sie spricht vom im Stiftungsrat gemeinsam entwickelten Modell. Die eigene künstlerische Leitung sei „keine Eisenacher Bedingung gewesen. Wir haben dem aber nicht widersprochen.“Haag müsse jedenfalls nicht gehen, „weil wir so unglaublich schlechte Erfahrungen gemacht hätten“.
Der Hase liegt im Meininger Pfeffer. Dort wünschte sich die Belegschaft, Haag verließe auch das Staatstheater, das er seit 2005 leitet, – und nähme Verwaltungschef Ulrich Katzer gleich mit. Da aber spielt der Stiftungsrat schon deshalb nicht mit, weil er hohe Abfindungen fürchtet. Die Leitung habe ein schwieriges Verhältnis zur Wahrheit, hört man hier, sie kompensiere mangelnde Kompetenz mit „mehr oder weniger versteckten Drohungen“, hört man dort. Der Informationsfluss stocke, es werde schlecht kommuniziert.
Der Betriebsrat bat Hoff im April 2017 um Hilfe. Der verordnete dem Haus zwei Mediatoren, deren Mission kürzlich als gescheitert endete.
„Diese Unruhen“, sagt Haag selbst, „haben in erster Linie damit zu tun, dass es keine Spartenleitungen im Musiktheater und Schauspiel mehr geben sollte.“Er setzt Operndirektorin Aldona Farrugia nach zwei Spielzeiten wegen „künstlerischer Differenzen“vor die Tür. Dabei heißt’s im Ensemble, die Regisseurin sei „endlich jemand, der unsere Interessen vertritt. Sie weiß, wovon sie redet.“
Farrugias Position sollte zudem nicht nachbesetzt werden: „weil der Intendant den Operndirektor selber machen wird“, sagte Haag im Juni 2017. „Das wurde von der Belegschaft nicht gerade als kreativ empfunden“, erklärt er jetzt. Anfang „Du kannst im Theater noch tragischer sein“singt Scarpia über Puccinis Tosca. Sopranistin Camila Ribero-Souza ist Tosca in Ansgar Haags Meininger Inszenierung. Dort singt sie die Partie auch nächste Spielzeit. Seit Januar gehört sie indes zum Ensemble des DNT Weimar, wo sie ebenfalls Tosca ist, in der Regie Hasko Webers. Bariton Dae-Hee Shin, hier als Scarpia, verlässt Meiningen nach Jahren. Foto: Erhard Driesel
März meldete das Theater: „Corinna Jarosch, derzeit Dramaturgin am Theater Hagen, wird mit Beginn der Spielzeit 2018/19 neue Operndirektorin und leitende Dramaturgin im Bereich Musiktheater.“
Keine zwei Wochen später spricht Haag auf der Pressekonferenz zum Spielplan von einer Chefdramaturgin und ergänzt: „Eine Operndirektorin im juristischen Sinne wird es nicht mehr geben, weil die Erfahrungen damit nicht erfolgreich waren.“Man kehre zum alten Modell einer dramaturgischen Leitung zurück.
Gehen muss auch Lars Wernecke als Oberspielleiter. Als Gastregisseur bleibt er dem Haus verbunden. Doch
a Die Räuber – Drama von Friedrich Schiller, mit Schauspielensemble und Thüringer Jugendlichen; 26. Oktober.
a Die Schneekönigin – Schauspiel
Beim Publikum erfolgreich, bei der Belegschaft aber nicht
„Eine Operndirektorin im juristischen Sinne wird es nicht mehr geben, weil die Erfahrungen nicht erfolgreich waren.“
regte sich auch hier Protest im Ensemble. Haag reagiert, indem er einen Schauspieldirektor berufen will. Die Stelle habe er im Stiftungsrat inzwischen beantragt, sagt er.
Dort hält man an ihm und Katzer auch fest, weil sie mit Blick auf die Zuschauer „das erfolgreichste Theater
a Die Ratten
Das Schloss Dürande Ansgar Haag, seit 2005 Intendant am Staatstheater Meiningen und seit 2008 auch am Landestheater Eisenach
in Thüringen“verantworten. Katzer meldet fürs vergangene Jahr 155 000 Zuschauer; man erzielte 103 Prozent der geplanten Einnahmen.
Haag folgt erklärtermaßen dem Prinzip, das Herzog Georg II. einst ans Theaterportal schlagen ließ: „Dem Volke zur Freude und Erhebung.“
Die Meininger trugen das Regietheater einst nach Europa. Im April 2019 kommt es sozusagen zurück. Ein internationales Festival bringt Klassikerinszenierungen aus England, Frankreich, Litauen und Deutschland in die Stadt und macht aus ihr, so Katzer, „eine europäische Theatermetropole für zehn Tage.“
Im Musiktheater programmiert Haag auf Publikumswunsch hin Mozarts „Entführung aus dem Serail“, aber auch Bizets „Carmen“und die Operette „Schwarzwaldmädel“, deren Komponist, Leon Jessel, nach Gestapo-Folter 1942 in Berlin starb. Dort wurde Othmar Schoecks romantische Revolutionsoper „Schloss Dürande“1943 uraufgeführt, deren Libretto sich sehr von Eichendorffs Novelle entfernte. Eine auch musikalisch überarbeitete Fassung mit neuem Text inszeniert Haag selbst. In eine Klammer des Krieges fasst man das Schauspielprogramm: mit Euripides’ „Troerinnen“und Lessings „Soldatenglück“alias „Minna von Barnhelm“(Regie: ebenfalls Haag).
„Die Räuber“bringt das Ensemble zusammen mit über 40 Schülern aus Weimar, Rudolstadt, Jena und Meiningen als soziokulturelles Projekt auf die große Bühne – auch in den Theatern der anderen beteiligten Schillerstädte. Den Fokus legt die Inszenierung auf die „Lebenswirklichkeit sozial benachteiligter Jugendlicher“, so Regisseurin Gabriela Gillert. Und es gehe auch um eine Auflehnung gegen die Werte der Alten.
Der Alte, wie ein Intendant gerne genannt wird, sagt derweil über das Meininger Staatstheater: „Im Prinzip geht es genauso weiter wie bisher.“