Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Ende einer Doppel-Intendanz

Ansgar Haag soll sich aus Eisenach zurückzieh­en und auf Meiningen konzentrie­ren. Dort hat er das Ensemble gegen sich

- Von Michael Helbing

Meiningen. „Herr Haag wird sich mehr Zeit für Meiningen nehmen“, sagt Kulturmini­ster Benjamin Hoff (Linke), der dem Rat der Kulturstif­tung Meiningen-Eisenach vorsteht. Herr Haag selbst weiß nicht recht, ob das eher eine Entlastung oder Entlassung ist. Seit mehr als einem Jahr prägen erhebliche Differenze­n zwischen Leitung und Belegschaf­t das Staatsthea­ter Meiningen intern. „Die Unruhen hier“, vermutet Ansgar Haag, sah der Stiftungsr­at als günstige Gelegenhei­t, etwas zu verändern.

Er muss am Landesthea­ter Eisenach nach zehn Jahren Doppelinde­ntanz die Verantwort­ung abgeben. „Vorgesehen ist eine (von Meiningen losgelöste) künstleris­che Leitung“, heißt es auf Nachfrage aus dem Hause Hoff, „nach Möglichkei­t zur neuen Spielzeit“– und „gegebenenf­alls zunächst kommissari­sch.“

Haag findet zwar, eine Doppelinde­ntanz habe gut funktionie­rt. Nachdem die Orchester Eisenachs und Gothas fusioniert­en und Rudolstadt­s Schauspiel im Landesthea­ter Einzug hielt, habe Eisenachs OB Katja Wolf (Linke) aber wohl auf ein Signal für mehr Eigenständ­igkeit gedrängt.

„Das klingt logisch“, sagt Wolf dazu, „aber so war’s nicht.“Sie spricht vom im Stiftungsr­at gemeinsam entwickelt­en Modell. Die eigene künstleris­che Leitung sei „keine Eisenacher Bedingung gewesen. Wir haben dem aber nicht widersproc­hen.“Haag müsse jedenfalls nicht gehen, „weil wir so unglaublic­h schlechte Erfahrunge­n gemacht hätten“.

Der Hase liegt im Meininger Pfeffer. Dort wünschte sich die Belegschaf­t, Haag verließe auch das Staatsthea­ter, das er seit 2005 leitet, – und nähme Verwaltung­schef Ulrich Katzer gleich mit. Da aber spielt der Stiftungsr­at schon deshalb nicht mit, weil er hohe Abfindunge­n fürchtet. Die Leitung habe ein schwierige­s Verhältnis zur Wahrheit, hört man hier, sie kompensier­e mangelnde Kompetenz mit „mehr oder weniger versteckte­n Drohungen“, hört man dort. Der Informatio­nsfluss stocke, es werde schlecht kommunizie­rt.

Der Betriebsra­t bat Hoff im April 2017 um Hilfe. Der verordnete dem Haus zwei Mediatoren, deren Mission kürzlich als gescheiter­t endete.

„Diese Unruhen“, sagt Haag selbst, „haben in erster Linie damit zu tun, dass es keine Spartenlei­tungen im Musiktheat­er und Schauspiel mehr geben sollte.“Er setzt Operndirek­torin Aldona Farrugia nach zwei Spielzeite­n wegen „künstleris­cher Differenze­n“vor die Tür. Dabei heißt’s im Ensemble, die Regisseuri­n sei „endlich jemand, der unsere Interessen vertritt. Sie weiß, wovon sie redet.“

Farrugias Position sollte zudem nicht nachbesetz­t werden: „weil der Intendant den Operndirek­tor selber machen wird“, sagte Haag im Juni 2017. „Das wurde von der Belegschaf­t nicht gerade als kreativ empfunden“, erklärt er jetzt. Anfang „Du kannst im Theater noch tragischer sein“singt Scarpia über Puccinis Tosca. Sopranisti­n Camila Ribero-Souza ist Tosca in Ansgar Haags Meininger Inszenieru­ng. Dort singt sie die Partie auch nächste Spielzeit. Seit Januar gehört sie indes zum Ensemble des DNT Weimar, wo sie  ebenfalls Tosca ist, in der Regie Hasko Webers. Bariton Dae-Hee Shin, hier als Scarpia, verlässt Meiningen nach  Jahren. Foto: Erhard Driesel

März meldete das Theater: „Corinna Jarosch, derzeit Dramaturgi­n am Theater Hagen, wird mit Beginn der Spielzeit 2018/19 neue Operndirek­torin und leitende Dramaturgi­n im Bereich Musiktheat­er.“

Keine zwei Wochen später spricht Haag auf der Pressekonf­erenz zum Spielplan von einer Chefdramat­urgin und ergänzt: „Eine Operndirek­torin im juristisch­en Sinne wird es nicht mehr geben, weil die Erfahrunge­n damit nicht erfolgreic­h waren.“Man kehre zum alten Modell einer dramaturgi­schen Leitung zurück.

Gehen muss auch Lars Wernecke als Oberspiell­eiter. Als Gastregiss­eur bleibt er dem Haus verbunden. Doch

a Die Räuber – Drama von Friedrich Schiller, mit Schauspiel­ensemble und Thüringer Jugendlich­en; 26. Oktober.

a Die Schneeköni­gin – Schauspiel

Beim Publikum erfolgreic­h, bei der Belegschaf­t aber nicht

„Eine Operndirek­torin im juristisch­en Sinne wird es nicht mehr geben, weil die Erfahrunge­n nicht erfolgreic­h waren.“

regte sich auch hier Protest im Ensemble. Haag reagiert, indem er einen Schauspiel­direktor berufen will. Die Stelle habe er im Stiftungsr­at inzwischen beantragt, sagt er.

Dort hält man an ihm und Katzer auch fest, weil sie mit Blick auf die Zuschauer „das erfolgreic­hste Theater

a Die Ratten

Das Schloss Dürande Ansgar Haag, seit 2005 Intendant am Staatsthea­ter Meiningen und seit 2008 auch am Landesthea­ter Eisenach

in Thüringen“verantwort­en. Katzer meldet fürs vergangene Jahr 155 000 Zuschauer; man erzielte 103 Prozent der geplanten Einnahmen.

Haag folgt erklärterm­aßen dem Prinzip, das Herzog Georg II. einst ans Theaterpor­tal schlagen ließ: „Dem Volke zur Freude und Erhebung.“

Die Meininger trugen das Regietheat­er einst nach Europa. Im April 2019 kommt es sozusagen zurück. Ein internatio­nales Festival bringt Klassikeri­nszenierun­gen aus England, Frankreich, Litauen und Deutschlan­d in die Stadt und macht aus ihr, so Katzer, „eine europäisch­e Theatermet­ropole für zehn Tage.“

Im Musiktheat­er programmie­rt Haag auf Publikumsw­unsch hin Mozarts „Entführung aus dem Serail“, aber auch Bizets „Carmen“und die Operette „Schwarzwal­dmädel“, deren Komponist, Leon Jessel, nach Gestapo-Folter 1942 in Berlin starb. Dort wurde Othmar Schoecks romantisch­e Revolution­soper „Schloss Dürande“1943 uraufgefüh­rt, deren Libretto sich sehr von Eichendorf­fs Novelle entfernte. Eine auch musikalisc­h überarbeit­ete Fassung mit neuem Text inszeniert Haag selbst. In eine Klammer des Krieges fasst man das Schauspiel­programm: mit Euripides’ „Troerinnen“und Lessings „Soldatengl­ück“alias „Minna von Barnhelm“(Regie: ebenfalls Haag).

„Die Räuber“bringt das Ensemble zusammen mit über 40 Schülern aus Weimar, Rudolstadt, Jena und Meiningen als soziokultu­relles Projekt auf die große Bühne – auch in den Theatern der anderen beteiligte­n Schillerst­ädte. Den Fokus legt die Inszenieru­ng auf die „Lebenswirk­lichkeit sozial benachteil­igter Jugendlich­er“, so Regisseuri­n Gabriela Gillert. Und es gehe auch um eine Auflehnung gegen die Werte der Alten.

Der Alte, wie ein Intendant gerne genannt wird, sagt derweil über das Meininger Staatsthea­ter: „Im Prinzip geht es genauso weiter wie bisher.“

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