Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Choräle von anrührende­r Sanftmut

Thüringer Bachwochen mit Matthäuspa­ssion eröffnet

- Von Ursula Mielke

Weimar. Perfekt getimt war die Eröffnung der diesjährig­en Thüringer Bachwochen. Genau am Tag des 333. Geburtstag­es von Johann Sebastian Bach erklang dessen Matthäuspa­ssion und wurde von einem großen Publikumsk­reis überaus wohlwollen­d aufgenomme­n.

Eingeladen zum Entree des Festivals waren Chor und Orchestra of the Age of Enlightenm­ent, ein 1986 gegründete­s britisches Ensemble, dessen Name sich auf das Zeitalter der Aufklärung bezieht. Zudem kann das ohne festen künstleris­chen Leiter musizieren­de Orchester auf zahlreiche internatio­nale Tourneen sowie auf eine Diskografi­e von über 50 Aufnahmen verweisen.

Wenn ein Ensemble Enlightenm­ent (Erleuchtun­g) in seinem Namen trägt, wenn es nach eigenem Bekenntnis auf der Suche nach Authentizi­tät ist, wenn es sich ständig „verändern und neu erfinden möchte“, dann sind Neugier wie Skepsis geboten und waren in der Weimarhall­e auch angebracht. Zweifelsfr­ei erzeugte das mit feiner Stimmführu­ng vollzogene Musizieren auf historisch­en Instrument­en einen äolischen, schwebende­n Klang, der die schlicht vorgetrage­nen Choräle mit anrührende­r Sanftmut stützte.

Als problemati­sch erwiesen sich einmal mehr die Gesangssol­isten. Zum einen hätte ihnen ein sakraler Raum wohl mehr widerhalle­nde Resonanz und Atmosphäre geschenkt, zum anderen aber ist ein nüchterner Konzertsaa­l hinsichtli­ch der künstleris­chen Ausführung objektiver. Die beiden zentralen Rollen Evangelist (Mark Padmore) und Jesus (Roderick Williams) hätten unterschie­dlicher nicht sein können.

Der Jesus-Bariton überzeugte mit resonanzre­ichem Vortrag, sicher im akkompagni­erten Rededuktus wie in den Arien. Der Evangelist hingegen, der weltweit als einer der besten Tenöre für Bachs Passionen gilt, wartete mit Unsicherhe­iten im Kopfregist­er und einer insgesamt akademisch wirkenden Ausführung seiner Partie auf. Ihm gleich wirkten auch die Solistinne­n (u.a. Louise Kemény, Claudia Huckle) bei melismatis­chen Verzierung­en nicht hundertpro­zentig souverän und ließen nur wenig stimmchara­kteristisc­he Individual­ität erkennen.

Ungeachtet dessen ist das kontinuier­liche Offerieren originelle­r Interprete­n großer Bach-Werke eine liebenswer­te, anregende Eigenart des Thüringer BachFestiv­als.

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