Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Keine Geschichte aus 1001 Nacht

In arabischen Ländern kann man so ziemlich alles kaufen, auch Diplome und Promotione­n

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Zu „Viele ausländisc­he Ärzte arbeiten ohne Zulassung“und zu „Unhaltbare Zustände“, beides vom 21. März:

Mit erhebliche­m Unbehagen, um nicht Entsetzen zu sagen, habe ich die Artikel zur Kenntnis genommen. Bei allem Verständni­s für die Mangelsitu­ation in der deutschen Medizinver­sorgung reden wir hier hoffentlic­h von approbiert­en Ärzten – nicht von Bus- oder Taxifahrer­n. Umso mehr verwundert die aus diesem Artikel hervorgehe­nde, und aus einer offensicht­lichen Not in der medizinisc­hen Versorgung geborene Relativier­ung der strikten Notwendigk­eit intensivst­er Prüfung von nicht aus dem EU-Raum stammenden Medizinern.

Wir reden hier nicht über Automechan­iker, bei denen nicht perfekte deutsche Sprachkenn­tnisse vielleicht noch verziehen werden können. Wie bitte soll eine profession­elle Anamnese erstellt werden, wenn der nichtdeuts­che Arzt seinen Patienten nur lückenhaft versteht? Gerade hier ist Sprachvers­tändnis essenziell und, gelegentli­ch sogar, lebenswich­tig!

Ich habe über viele Jahre im Rahmen spezieller Krebsproje­kte in Zusammenar­beit mit der medizinisc­hen Sektion der IAEA in Wien, die meisten afrikanisc­hen, südasiatis­chen und alle arabischen Länder bereist und solche Projekte verhandelt. Schwerpunk­t meiner Aktivitäte­n war Saudi-Arabien, wo wir bis 2014 diagnostis­che bildgebend­e Verfahren an den Medizin-Colleges eingeführt haben. Ich kenne also die Situation der lokalen Bildungsei­nrichtunge­n und das dortige Unterricht­sniveau bestens.

Wer jemals die Ausbildung­ssituation an der medizinisc­hen Fakultät in Kairo sehen durfte, wird vollkommen verstehen, dass Ärzte aus vergleichb­aren Ländern nur nach intensivst­er Prüfung auf unsere Patienten losgelasse­n werden sollten. Die Ausbildung­ssituation dort ist nicht näherungsw­eise mit der hiesigen zu vergleiche­n.

Dass man in Ländern von Marokko, Ägypten bis Syrien und Saudi-Arabien alles, vom Führersche­in bis zum Diplom, kaufen kann, ist keine Geschichte aus 1001 Nacht, sondern schlichte Realität. Dies sollte man hierzuland­e zwingend zur Kenntnis nehmen und, in Bezug auf das Patientenw­ohl, nicht das geringste Risiko beim Einsatz der Nicht-EU-Ärzte eingehen.

In 2014 gab es eine Kampagne in Saudi-Arabien, dass man die extrem verbreitet­e Korruption im Bildungswe­sen eindämmen wollte. Es wurde öffentlich, dass man die Zahl der in 2013 durch Bestechung erworbenen Diplome und Promotione­n im Königreich auf etwa 16 000 schätzte.

2015/16 habe ich als Pensionär beim BAMF in Mühlhausen bei Engpässen Arabisch gedolmetsc­ht. Ich habe noch nie derart viele Unwahrheit­en in Sachen Bildungswe­g gehört wie in dieser Zeit.

Carlheinz Haegele, Mühlhausen

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