Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Der Leidenschaftliche leidet
„Mister Basketball“Wolfgang Heyder sehnt einen Heimsieg der Rockets gegen Mitaufsteiger Weißenfels herbei
Erfurt. Kurz vor halb neun wird Wolfgang Heyder morgen Abend seinen angestammten Platz in der Erfurter Messehalle einnehmen. In der Ecke, direkt neben der Bank der Rockets. Kurz vor dem Beginn der Bundesliga-Partie gegen Weißenfels wird er das Jackett ablegen, sich noch mit den Spielern abklatschen und dann — meist die Arme verschränkt – aufs Parkett schauen. Nach außen ruhig, innen aufgeregt, manchmal brodelnd. „Ich brauche diese unmittelbare Atmosphäre. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass ich jahrelang Trainer war.“
Dennoch versucht er genau das während des Geschehens auszublenden, meidet da möglichst den Bank-Kontakt, um auch den eigentlichen Trainer zu schützen. „Wir unterhalten und diskutieren schließlich die ganze Woche. Insofern kenne ich seine Ansichten und weiß aus eigener Erfahrung, dass Ratschläge von außen im Spiel wenig bringen.“
Und doch ist es zweimal in den letzten Wochen passiert, dass Wolfgang Heyder wütend die Ecke verließ und die vier, fünf Meter zu den Assistenztrainern lief. Nein, er stampfte förmlich, mit angespanntem Gesicht und fuchtelnden Armen. Es war jeweils eine Phase, in der die Rockets vor 3000 Zuschauern gegen Bayern und Ludwigsburg einen Korb nach dem anderen kassierten und aussichtslos – scheinbar ohne Gegenwehr – zurückfielen. „So kann man sich in heimischer Halle, vor den eigenen Zuschauern, nicht präsentieren“, erklärt er die Explosion der Emotionen.
Wolfgang Heyder hat in Deutschland den Namen „Mister Basketball“. In dieser Sportart kennt er eigentlich jeden und jeder kennt ihn. Den Ruf hat er sich über viele Jahre erarbeitet, dieser ist eine Wertschätzung für sein Fachwissen, für die Besessenheit. In der Schule hatte ihn der Sportlehrer in der 5. Klasse für Basketball begeistern können. Nur 1,78 m groß und mit wenig Talent ausgestattet, schaffte er es als Spieler nicht zu besonderen Ehren. „Aber schon mit 17 war ich Trainer, das war wohl meine Passion.“Später sammelte Heyder mit seinen Mannschaften über ein Dutzend Titel; eine Erfolgsära, die er auch als Manager oder Geschäftsführer fortsetzte. Vor allem in Bamberg.
Als er 1999 dort einstieg, stand es nicht gut um den Klub. Doch in den folgenden Jahren wurde dieser zu Deutschlands Basketball-Hochburg, in Heyders Ära fallen sechs Meisterschaften und fünf Pokalsiege, darunter dreimal das „Double“.
Und obwohl ihn Uli Hoeneß gern in verantwortlicher Position bei den aufstrebenden Bayern gesehen hätte, ging er 2016 nach Gotha. Auf Wunsch von KlubPräsidentin Astrid Kollmar, deren Familie die Bierbrauerei Oettinger besitzt, die bis Jahresende der Hauptsponsor war.
Das ist vorbei, seitdem suchen die Rockets einen Nachfolger. Doch Wolfgang Heyder kritisiert nicht den Ausstieg, sondern lobt das lange einzigartige Engagement. „Weil das dazu geführt hat, dass sich in Gotha überhaupt Basketball so entwickeln konnte.“Als Heyder kam – „mich hat gereizt, mit hoffnungsvoller Jugendarbeit etwas Neues aufzubauen“– hatte der Verein gerade den Umzug nach Erfurt beschlossen. Eine größere Halle sollte es in Zukunft sein, für mehr Fans und mehr Aufmerksamkeit. Ein Schritt der sich gelohnt hat, die Rockets spielen seit Herbst in der höchsten deutschen Spielklasse.
Aber der 61-Jährige erntete in Gotha viel Kritik. Teilweise auch beleidigende. „Das tat weh“, sagt er. Dabei sei der Wechsel, der vor seiner Zeit festgelegt wurde, wegen der fehlenden bundesligatauglichen Halle alternativlos gewesen. Noch immer ist die Fanszene teilweise gespalten, nicht alle Gothaer, die einst zu den Spielen in die „Blaue Hölle“kamen, sitzen heute auch auf den Rängen in der Messehalle. Doch es werden immer mehr. Und vor allem freut Wolfgang Heyder, dass Basketball in Erfurt angekommen ist, zahlreiche Zuschauer aus der Landeshauptstadt mitfiebern, die gesammelten Sympathiepunkte die sportlichen sogar um ein Vielfaches übertreffen.
Insofern wäre es bitter, wenn nun ein Rückschritt, also der Abstieg, passieren würde. Um das zu verhindern, müssen nach langer Sieglosserie noch vier, fünf Erfolge her, „aber wir haben alles selbst in der Hand.“Doch morgen gegen Weißenfels ist dafür ein Erfolg fast Pflicht. „Wir haben uns den Druck selbst geschaffen. Nun müssen wir beißen und kratzen.“
Der Klassenerhalt wäre auch wichtig bei der Sponsorengewinnung, die er als Berater – so die offizielle Bezeichnung – mit dem jungen Geschäftsführer Thomas Fleddermann vorantreibt. Das Netzwerk sei inzwischen groß, „aber natürlich warten manche Unternehmen ab, in welcher Liga wir spielen“, so Heyder, der immensen Wert auf eine angenehme Außendarstellung des Bundesligisten legt. „Ich mag das Bescheidene, das Authentische, das Ehrliche. Auch wenn die Meinung des Anderen möglicherweise nicht meiner entspricht.“
Wolfgang Heyder pendelt fast täglich zwischen Erfurt und Bamberg, wo er nach wie vor wohnt. „Denn ich bin im Ort auch in verschiedenen Funktionen tätig, unter anderem im Kreisrat.“Aber die Gedanken kreisen auch in Franken fast immer um die Rockets. Und so ist es keine Seltenheit, dass er Mitternacht die letzte und morgens um vier Uhr die erste Mail schreibt, die sich mit dem Bundesligisten beschäftigt. Fit hält er sich also weniger durch viel Schlaf, sondern mehr mit Liegestützen und Stabilisationsübungen für den Körper.
Der ist morgen Abend spätestens ab halb neun leidvoll angespannt. Aber zwischen 22 und 23 Uhr, wenn die Uhr abgelaufen ist, sollen die Arme in der Ecke der Messehalle nach oben schnellen. Zum gemeinsamen Jubeln mit Spielern und Fans.
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Rockets – Mitteldeutscher BC, Samstag, . Uhr, Messehalle Erfurt