Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Der jüdische Traum wurde erfüllt

Über den christlich-jüdischen Dialog, den Schmerz der Vergangenh­eit und die Hoffnung auf Frieden: Landesgeme­inde feiert 70 Jahre Israel

- Von Elena Rauch

Erfurt. Das Misrach-Ensemble spielte die Hatikva, Israels Nationalhy­mne. Hatikva ist das hebräische Wort für Hoffnung, die das jüdische Volk selbst in Zeiten größter Verzweiflu­ng begleitet hat. – So eröffnete der Vorsitzend­e der Jüdischen Landesgeme­inde, Reinhard Schramm, die Feier, zu der die Gemeinde eingeladen hatte, um zu begehen, was Reinhard Schramm die Erfüllung des Jüdischen Traums nannte: Die Gründung des Staates Israel vor 70 Jahren. Um nie mehr vergebens um Zuflucht oder Visa fürs Überleben betteln zu müssen.

So wie jene 937 deutsche Juden, die 1939 an Bord der St. Louis auf der Suche nach Schutz lange vergebens von Küste zu Küste irrten und von denen mehr als 250 im Holocaust ermordet wurden, an die Ministerpr­äsident Bodo Ramelow erinnerte. Weil die Gründung des Staates Israel nicht ohne diese Tragödie des jüdischen Volkes gedacht werden kann. Aus dem sich ableitet, was Landesbisc­höfin Ilse Junkermann so ausdrückte: „Von Beginn an bis heute ist dieser Staat von außen in seiner Existenz bedroht und braucht unsere unbedingte Solidaritä­t.“

Aus Haifa war die stellvertr­etende Oberbürger­meisterin Hedva Almog angereist, die für das Erfurter Bemühen in der Partnersch­aft mit Haifa berührende Worte fand. Ein kostbares Gut, vor allem die vielen persönlich­en Beziehunge­n, die daraus wachsen. Das würdigte auch der stellvertr­etende israelisch­e Botschafte­r Avraham Nir-Feldklein, als er vom Bemühen vieler Menschen sprach, die blutige Vergangenh­eit zu überwinden. Dass trotzdem noch viele Seiten der gemeinsame­n Geschichte aufzuarbei­ten sind, riss die Gesprächsr­unde an, die den christlich-jüdischen Dialog in den Fokus nahm. Luthers Antijudais­mus zum Beispiel, auf den Landesbisc­höfin Ilse Junkermann mit Blick auf das vergangene Reformatio­nsjubiläum verwies. Der nicht nur eine Episode, sondern ein wesentlich­er Bestandtei­l seiner Theologie war und was auf dem Tisch der Aufarbeitu­ng liege.

Bischof Ulrich Neymeyr sprach von noch immer bestehende­n Ressentime­nts und der Herausford­erung der katholisch­en Kirche, allen Gläubigen die enge Verbindung zwischen Judentum und Christentu­m deutlich zu machen.

Neben dem theologisc­hen Diskurs saß mit Wolfgang Nossen ein Zeitzeuge des Aufbaus und der Verteidigu­ng des israelisch­en Staates im Podium. Der langjährig­e Vorsitzend­e der Jüdischen Landesgeme­inde war 1948 als 17-Jähriger nach Israel gegangen. Begeistert von der Idee, einen eigenen Staat zu haben nach den Erfahrunge­n des überlebten Holocaust. Auch wenn sich seine Hoffnung in Grenzen halte: Er wünsche Israel Frieden.

Angesichts der jüngsten Ereignisse in Gaza ein Wunsch, der mehrfach betont wurde und der viel Optimismus braucht.

Bischof Neymeyr beschwörte ihn dennoch. Er erinnerte an den christlich-jüdischen Dialog, der trotz der Shoa möglich wurde. Eine Erfahrung, aus der man Hoffnung auf einen muslimisch­jüdischen Dialog ziehen möge. Ilse Junkermann mahnte zur Debatte mit einem objektiven Blick, der der Komplexitä­t der Probleme gerecht werde. Das Vorgehen der Hamas zeige, dass die Alles-oder-Nichts-Politik zu keinem Frieden führt.

Gegenwart ist nicht ohne Geschichte begreifbar

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Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (links) und der israelisch­e Gesandte Avraham Nir-Feldklein bei der Veranstalt­ung im Erfurter Rathaus. Foto: Sascha Fromm

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