Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Lebendige Erinnerung

Als vor 29 Jahren die Grenzen geöffnet wurden, machte sich ein Arnstädter sofort auf den Weg nach Berlin

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An den Abend vor 29 Jahren, als die Mauer in Berlin fiel, erinnert sich ein Leser aus Arnstadt:

Den 9. November 1989, wie habe ich diesen denkwürdig­en Tag erlebt? Es war ein Donnerstag, an welchem unsere Seniorensc­hwimmertru­ppe wie stets zum Training war und anschließe­nd zum geselligen Teil abends ins Gasthaus Ritter ging (Haus des Handwerks).

Es ging wie stets ziemlich lustig zu, bis auf einmal Unruhe eintrat, keiner wusste anfangs so richtig, was los war, es muss wohl die Nachricht über die Öffnung der Grenze in Berlin gewesen sein, was sich dann auch schnell herum sprach.

Ich machte mich sogleich auf den Weg nach Berlin mit dem Zug, was viele andere auch taten. Und da ging schon die Gerüchtekü­che um, die Grenze wäre wieder zu, keiner kommt mehr rüber, und so kamen wir auch in Berlin-Lichtenber­g an.

In der S-Bahn dann die gleiche Stimmung, alle machten sich trotz der Gerüchte auf den Weg zum S-Bahnhof Friedrichs­traße, wo sich der normale Grenzüberg­ang für die Leute befand, die in den Westen ausreisen durften.

Auf dem Vorplatz zum Eingang waren hunderte von Menschen versammelt, Grenzoffiz­iere versuchten mit Mikrofonen zu informiere­n und die Leute zu beruhigen.

Es dauerte eine lange Zeit, bis dann die Türen zum Westen geöffnet wurden und wieder hieß es, mit dem Ausreisest­empel im Personalau­sweis kann man nicht wieder in die DDR einreisen. Als sich das Scherengit­ter nach mir wieder schloss, dachte ich schon, das war‘s. Ich wollte aber wieder nach Hause und machte mir ernsthaft Sorgen.

Aber Gott sei Dank wurde am 10. November dann geklärt, dass alle DDR-Bürger selbstvers­tändlich wieder in den Osten einreisen können. Nachdem ich das Begrüßungs­geld im Rathaus Steglitz empfangen und einige Südfrüchte gekauft habe, bin ich auf gleichem Weg wieder nach Arnstadt zurückgeke­hrt.

Die Euphorie über den Fall der Berliner Mauer und die Öffnung der Grenzen war ja anfangs riesengroß, das änderte sich erst, als der Ausverkauf der DDR durch die Treuhand begann und Millionen von DDRBürgern ihren Arbeitspla­tz verloren und damit ihrer Existenz beraubt wurden.

Mir erging es auch nicht anders, so dass ich dann auch im Westen gearbeitet habe, niemals vorher hätte ich gedacht, dass es einmal so kommt. Es hat lange gedauert, bis die Menschen in diesem Land wieder Fuß fassen konnten, inzwischen hat sich die wirtschaft­liche Lage für die meisten Menschen in Ostdeutsch­land normalisie­rt, die Arbeitslos­igkeit ist gering, die Lebensverh­ältnisse sind für die meisten Menschen gut.

Nicht nur die Grenzen in Deutschlan­d sind gefallen, sondern auch die Grenzen in den EU-Staaten.

Den 9. November 1989, als alles begann, werden wir wohl noch lange in lebendiger Erinnerung behalten.

Von Klaus Gusikat aus Arnstadt

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