Jenaer forschen zu Müsli aus gesundem Hafer
Produkte sollen durch spezielle Röstmethoden geschmacklich verbessert werden. Profitieren können davon auch Menschen mit Glutenunverträglichkeit
„Wir wussten nicht, was uns erwartet“, beschreibt Silvio Heidler das mulmige Gefühl beim Betreten der Räume. Keines der Terrarien war beschriftet. „Jedem Öffnen folgte die Überraschung. „Einmal hatte sich eine Kobra verkrochen. Ein anderes Mal zischelten Puffottern, die sich gestört fühlten.“
Hinzu kommen
Enge und Unordnung in den Räumen. Ein falscher
Griff, ein unsicherer
Tritt und eine der
Schlangen hätte zubeißen oder entwischen können.
Der Schlangenfänger war auf mehrere Tiere eingerichtet. Doch schnell ist klar, die illegale Sammlung übertrifft die Erwartungen. Weitere sichere Transportboxen müssen aufgetrieben werden.
Die Stadtverwaltung Gera sprach vergangenen Juli gegenüber der Thüringer Allgemeinen von einer Person, die „ohne behördliche Kenntnis diverse Giftschlangen hielt, die bei einem Polizeieinsatz entdeckt wurden“. Über das Ausmaß verlor die Behörde damals kein Wort. Seither prüft die Verwaltung nach Angaben einer Sprecherin gegen den Halter ein Ordnungswidrigkeitsverfahren. Das Gros der entdeckten Giftschlangen unterliegt offenbar Artenschutzbestimmungen, gegen die verstoßen worden sein könnte.
Andre Jacob ist auch ein Jahr danach die Erleichterung noch anzumerken, dass damals alle Schlangen ohne Zwischenfall in ihre Transportkisten befördert werden konnten. Viel Worte macht er bis heute nicht. Dabei wurde es einige Male brenzlich in der Wohnung.
„Die großen Kobras spreizten ihre
Nackenschilde, Auch eine solche
Monokel-Kobra wurde gefangen.
Foto: imago Prof. Dr. Stefan Lorkowski (l.) und Prof. Dr. Michael Glei stehen in einem Labor im Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Jena. Foto: Jan-Peter Kasper Jena Hafer gilt als eines der gesündesten Getreide überhaupt. Auch der Gerste sagt man beste Eigenschaften nach. Beide sind reich an Vitalbestandteilen und wirken als vorteilhafte Ballaststoffe. Auf dem Ess- oder Küchentisch aber sind beide Getreidearten selten zu finden.
Nach Meinung des Jenaer Ernährungswissenschaftlers Michael Glei spielen dafür neben dem Geschmack auch historische Aspekte sowie Grenzen bei der Verarbeitung eine Rolle. „Aus Hafer kann man nun mal kein Brot backen, man könnte aber gut Brot mit Haferflocken anreichern“, sagt Glei.
Aktuell gelangen nur ein Prozent der Gersten- und 14 Prozent der Haferproduktion auf den Teller. Dabei hätten Gerste und Hafer durch den hohen Gehalt des für die Darmgesundheit wichtigen Ballaststoffes Glucan das Potenzial, zur Prävention gegen Diabetes, Darmkrebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen beizutragen, versichert Glei.
Deshalb suchen der Ernährungswissenschaftler und sein Kollege Stefan Lorkowski nun nach neuen Möglichkeiten, Hafer und Gerste populärer zu machen. Konkret geht es um Röstmethoden, mit denen sich hochwertige und schmackhafte Lebensmittel herstellen lasen.
Ein Anwendungsgebiet sehen die Wissenschaftler in der Verarbeitung zu Müsli. „Geröstete Getreide findet man vor allem auf diesem Lebensmittelsektor“, sagt Glei. Aber nicht nur das. So könne er sich Hafer und Gerste auch gut in Verbindung mit Gebäck, als Ergänzungen zu einem knackigen Salat oder in Sportlerriegeln vorstellen.
Hauptidee ihres Projektes sei es, vor allem den Geschmack der beiden Getreidestiefkinder zu verbessern. Denn offensichtlich, so der Jenaer, treffen die sensorischen Eigenschaften bisheriger Produkte nicht den Nerv normaler Bürger. „Gelingt es uns, hier über den Röstprozess anzusetzen, ohne die gesundheitlichen Inhaltsstoffe negativ zu verändern, können wir vielleicht dazu beitragen, dass mehr davon gegessen wird“, hofft Glei.
Veranschlagt sind für die Forschung derzeit zwei Jahre. Mit im Boot sind Mühlen und Bäckereien sowie ein Hersteller von Röstmaschinen. Die Unternehmen sollen später mit den Ergebnissen im Alltag arbeiten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das Vorhaben mit 350 000 Euro. Bis zur Etablierung schmackhafter Produkte aus Hafer und Gerste im Supermarkt sei es aber ein weiter Weg, sagt Glei.
Speziell vom neuen Hafer könnten dann auch Menschen mit Glutenunverträglichkeit profitieren. Anders als die Standardgetreidesorten Weizen, Roggen und Gerste weise Hafer nämlich eine andere Proteinzusammensetzung auf. „Wenn es uns gelänge, Hafer geschmacklich attraktiver zu machen, wäre das auch ein Angebot für Zöliakiepatienten“, sagt Glei.