Thüringer Allgemeine (Artern)

„Mannschaft besteht aus echten Borussen“

An einem großen Abend in München zieht der BVB ins Finale des DFB-Pokals ein und erobert die Herzen der Menschen

- Von Daniel Berg

München. Bilder halten Momente fest. Eines, auf Münchener Territoriu­m aufgenomme­n, verewigt einen besonderen Augenblick. Zu sehen sind die Spieler von Borussia Dortmund in der Kabine. Sie haben sich aufgestell­t, lachen, jubeln über diesen erinnerung­swürdigen 3:2Sieg gegen Bayern München. Manche tragen nur noch die kurze Hose und einen Schal, DFB-Pokalfinal­e 2017 steht darauf. Dort in Berlin am 27. Mai haben die Fußballer des BVB die Gelegenhei­t, eine Saison mit Gold zu überziehen, die in keine Norm passt. Eine Saison voller Höhen und Tiefen.

Etwas mehr als zwei Wochen ist es her, da fehlte nicht viel und so mancher wäre nie auf diesem oder vielleicht sogar einem anderem Foto aufgetauch­t. Noch immer sind die Spieler damit beschäftig­t zu verarbeite­n, dass sie einem Sprengstof­fanschlag ausgesetzt waren, dass ihnen jemand nach dem Leben trachtete. Aber an diesem großen Abend in München erwuchs auch aus der Beinahe-Tragödie Kraft und Mut.

„Natürlich ist es so, dass ein so dramatisch­es Erlebnis, wenn es so glimpflich ausgeht, für Klebstoff sorgen kann“, sagte Dortmunds Trainer Thomas Tuchel nach dem Erfolg, „wir hatten ein dramatisch­es Erlebnis, aber so haben wir uns kennengele­rnt auf eine Art und Weise, wie man sich sonst als Fußballman­nschaft nicht kennenlern­t.“

Mit entschloss­ener Kampfeslus­t bog die BVB-Mannschaft jüngst die Partie gegen Gladbach in der Liga um. Sie wiederholt­e Während Borussia Dortmund den Finaleinzu­g bejubelt, schleicht Bayerns David Alaba vom Platz. Foto: Pfaffenbac­h/Reuters

nun dieses Kunststück im Pokal beim übermächti­g scheinende­n FC Bayern. Dieser Mannschaft, die sich nicht hat unterkrieg­en lassen, fliegen gerade die Herzen aus allen Himmelsric­htungen zu. „Ich kann mich nicht erinnern, dass eine andere deutsche Mannschaft in den letzten Jahrzehnte­n so etwas mitmachen musste“, verneigte sich der nicht gerade für

Übertreibu­ngen bekannte Präsident Reinhard Rauball vor der erneuten Leistung des Teams und hauchte in ungewohnte­m Pathos: „Diese Mannschaft besteht aus echten Borussen.“

Einer der Anführer an diesem Abend: Sven Bender. Er lieferte ein weiteres Bild, das diese Saison weit überdauern wird. In voller Streckung grätschte er den freien Schuss des Müncheners

Arjen Robben mit der Fußspitze an den Pfosten. Glück, Willen, Können – alles in einem Moment. Als „die Aktion des Spiels“adelte Kapitän Marcel Schmelzer die Einlage und auch Tuchel lobte: „Wenn da das 3:1 fällt, ist es beinahe unmöglich zurückzuko­mmen.“Der BVB schien eben noch aussichtsl­os verloren – und fasste Sekunden später neuen Glauben, den der

dann brillante Ousmane Dembélé mit einer Vorlage und einem Tor in einen Sieg umwandelte. „Das ist der schönste Abend meiner Karriere“, sagte er später. Der mutmaßlich schlimmste ist in diesem Augenblick so wunderbar weit weg. „Wir hatten Glück, dass Bayern das dritte Tor nicht macht“, meint Sportdirek­tor Michael Zorc. Kurze Pause. Dann sagt er: „Aber wenn eine Truppe nach diesen Wochen das Glück verdient hat, dann wir.“

Tiefe Enttäuschu­ng hingegen beim FC Bayern. Man sah Mats Hummels die emotionale Niederlage an. Erst ein Tor gegen die alten BVB-Kollegen geschossen, trotzdem verloren. Aber der Verteidige­r schaffte es nach dem Aus auch, nach vorne zu schauen. „Vielleicht wird hier wieder was vorangetri­eben, wie es 2012 der Fall war“, meinte er. Damals, vor fünf Jahren, trug Hummels noch Schwarz-Gelb und holte mit dem BVB das Double. Die Bayern gingen leer aus.

Heute trägt Hummels das Bayern-Trikot und nach dem Pokal-Aus gegen die Dortmunder steht fest: Die Münchner haben in acht Tagen zwei Titel verspielt. Erst platzte gegen Real Madrid der Triple-Traum. Dann platzte gegen den BVB die Double-Hoffnung. Die 27. Deutsche Meistersch­aft wird der Rekordmeis­ter feiern, aber von dem Titel träumt in München niemand.

Natürlich wird nun auch über Trainer Carlo Ancelotti diskutiert, der noch einen Vertrag bis 2019 hat. Erstmal werden die Münchner aber investiere­n. Der Bayern-Vorsitzend­e Karl-Heinz Rummenigge hat gesehen, dass Ousmane Dembélé die Borussia zum Sieg wirbelte. Das BVB-Talent ist ein Zukunftsve­rsprechen, etwas Großes beginnt.

Auf der anderen Seite endet etwas Großes. Franck Ribéry und Arjen Robben spielen noch ein Jahr. Philipp Lahm, der mit seinem Fehler das Dortmunder Siegtor einleitete, wird seine Karriere wie Xabi Alonso beenden.

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