Himmlische Nächte
Der Sternenwagen in Bernshausen in der Thüringer Rhön gilt als besondere Unterkunft. Die Idee wird mit dem Innovationspreis geehrt
Bernshausen. Der Cowboyhut hängt tief im Gesicht, Henry hat ein Tuch um den Hals gebunden und stapft über den Rasen. Der Dreijährige schaut zu den Pferden und den zwei riesigen Auerochsen, während Westernmusik aus den Boxen dröhnt und sich Line-Dancer auf den Brettern des Zeltes im rhythmischen Takt bewegen.
Zum zwölften Mal fand am Wochenende das 12. Rhöner Country-Festival in Bernshausen statt. 3000 Besucher, unter ihnen Schweizer, Österreicher, Holländer kamen in den Ort im Wartburgkreis, der rund zwölf Kilometer von Bad Salzungen entfernt liegt und 120 Einwohner beheimatet. Fast genau so viele Hotel-Betten stehen im Ortsteil von Urnshausen zur Verfügung. Sie waren von Freitag bis Sonntag alle besetzt, „ausgebucht“lautete am Telefon immer wieder die Auskunft von Mandy Heidinger. Den Sternenwagen, die mittlerweile weit über die Thüringer Rhön hinaus bekannte Unterkunft, hatte sich ein junges Paar schon viele Wochen im Voraus gesichert.
Mandy Heidinger führt mit den Eltern das 3-Sterne-Landhotel „Zur grünen Kutte“, das seinem Namen dem nahe gelegenen Natursee verdankt. Das Haus befindet sich seit 1864 in Familienbesitz und wird durch Gundi und Lutz Heidinger in fünfter Generation geleitet. Tochter Mandy ist die sechste, Henry mit dem 5-jährigen Bruder Arthur die siebente. Die 34-Jährige widmet sich seit dem Abschluss des Betriebswirtschaftsstudiums noch ausgiebiger dem Wohl und Wehe des Hotels. Sie hat dabei mit dem Sternenwagen ein besonderes Projekt entwickelt, das durch den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband mit dem Innovationspreis ausgezeichnet wurde. Die Ehrung gilt sozusagen als „Thüringer Oskar“fürs Gastgewerbe, den ebenfalls das GolfResort in Blankenhain und das Lenchen in Erfurt-Alach als bestes Hotel beziehungsweise bestes Restaurant erhielten.
Der Sternenwagen steht auf dem Berg am Ortsrand von Bernshausen auf einer satten grünen Wiese, nahe am Wald der Thüringer Rhön. Diese wird seit dem 1. Februar 2017 durch die neu gegründete RhönGmbH vermarktet, die im Dreiländereck eine enge Zusammenarbeit mit Hessen und Bayern anstrebt.
Das ist auch im Sinne von Familie Heidinger, doch da die Hotellerie und Gastronomie durch Fachkräftemangel und das meist saisonale Geschäft vielerorts komplizierte Zeiten durchlebt, ist mehr denn je Eigeninitiative gefragt. „Erst recht in einer strukturschwachen Region wie bei uns“, so die Juniorchefin. Die Familie habe längst erkannt, Leuchtendes Blau: Hunderte von Arbeitsstunden waren notwendig, damit der Sternenwagen sein jetziges Aussehen hat. Er steht am Ortsrand von Bernshausen, das im Wartburgkreis liegt. Fotos: Ines Müller Lutz Heidinger mit dem Kloßschläger, der geriebene und gepresste Kartoffeln vermengt. Idylle in der Thüringer Rhön, die immer mehr Besucher anzieht.
dass man sich „selbst kümmern muss und nicht auf andere verlassen darf“.
Das bedeutet, ständig Ideen zu entwickeln, die Besucher mit nicht unbedingt alltäglichen Angeboten Das große Glasdach im Schlafzimmer bietet einen freien Blick zum Himmel. ▶ Die Rhön umfasst 4 500 Quadratkilometer, der Thüringer Teil beträgt 1620 Quadratkilometer.
▶ 2016 konnte die Thüringer Rhön, in der etwa 110 000 Menschen leben, 117 453 Gäste (+0,4 Prozent) und 472 091 Übernachtungen (+2,3 Prozent) verbuchen.
▶ Von Januar bis April 2017 waren es laut Thüringer Tourismus-Gesellschaft (TTG) ebenfalls erfreuliche Zahlen: 29 777 Gäste (+4,2 Prozent) und 134 394 Übernachtungen (+5,3 Prozent).
▶ Die TTG und das Rhön-Forum nennen Sehenswürdigkeiten wie die Gedenkstätte Point Alpha in Geisa und die Arche Noah in Kaltenwestheim, sie loben zugleich die Lust, Neues zu entwickeln.
zu locken. Heidingers bieten unter anderem Ausritte für Erwachsene in die Natur mit ihren Westernpferden. 25 haben sie auf Ihrer Stockborn Ranch, dazu noch fünf Rhönschafe.
Das Herzens-Projekt von Mandy Heidinger ist jedoch der Sternenwagen. „2014 haben wir ihn gekauft“. Er hätte nicht mal 1000 Euro gekostet, stand auf wackligen Rädern, war von Mandy Heidinger mit Mutter Gundi und dem dreijährigen Sohn Henry beim Country--Festival am Wochenende.
Schönheit weit entfernt. Mittlerweile leuchtet er über Landstriche hinweg. „Wir haben in den letzten zwei Jahren viele Tausend Euro investiert, dazu etwa 700 Arbeitstunden in die Renovierung
gesteckt“. Der Wagen sollte nicht verkitscht aussehen, aber ausgefallen. Innen und außen. Inzwischen sind überall Sterne sichtbar, ein Künstler hat drei Wochen schweißtreibend gemalt, ein sofortiger Blickfang ist das imposante Teleskop auf der Vorderseite.
Das blaue Hotel auf dem grünen Rasen bietet durchaus Komfort. Die rund 20 Quadratmeter beherbergen ein Bad, einen Wohnbereich mit Kamin, eine Miniküche und ein Schlafzimmer. Mit dem verglasten Dach ermöglicht es einen freiem Blick auf die Sterne. Von einem außergewöhnlichen Moment erzählt eine Bewohnerin in ihrem Blog: „Ich liege auf einer weichen Matratze, kuschele mich in zwei Decken und schaue aus dem Panoramafenster in die dunkle Nacht. Ich versuche sie alle zu finden, den kleinen Wagen, den großen Bär, die Galaxy Andromeda. Ich könnte mir gerade keinen schöneren Ort vorstellen, als hier die Sterne zu beobachten“. Sie berichtet am Morgen von einer himmlischen Nacht, die sie hatte.
Thomas Heß, der Geschäftsführer von Thüringer Waldquell, sagte bei der Auszeichnungsveranstaltung im Erfurter Kaisersaal in seiner Laudatio, dass der Wagen „eine besondere Form der Übernachtung“biete. Den Besitzern sei es nicht darum gegangen, „exklusiver als andere zu sein, sondern den Gästen eine außergewöhnliche Variante des Erlebens“zu ermöglichen. „Der Sternenwagen“, so Heß, „ist ein Unikat“in Deutschland, man könne aus diesem „verträumt in die Zukunft schauen“. Eine Chance, die aus seiner Sicht nicht nur Verliebte nutzen sollten.
Die Rhön wird seit Februar neu vermarktet
Region hat Auszeichnung als Sternenpark erhalten
Mandy Heidinger erzählt, dass das Unesco-Biosphärenreservat Rhön laut National Geographic zu den acht besten Sternenbeobachtungsorten weltweit gehört. Die internationale Dark Sky Association hatte der Region erst 2014 die Auszeichnung „Sternenpark“verliehen. Sie ist damit als Sternenlichtreservat ausgewiesen, weil sie noch über natürliche Nachtlandschaften verfügt, die kaum vom künstlichen Licht beeinträchtigt werden.
Und passend zum Erlebnis Sternenwagen bietet das Hotel ein Sternenzauber-Menü an. In der grünen Kutte, die ohnehin auf frische regionale Produkte ohne Zusatzstoffe setzt, in der die Klöße noch in Handarbeit gefertigt werden, erhalten die Gäste bei diesem Essen den schmelzenden Schokoplaneten als Dessert gereicht. „Wir versuchen, uns immer etwas einfallen zu lassen“, so Mandy Heidinger. „Das Erste, was der Küchenchef frühmorgens macht, ist auf die Wiese zu gehen und Kräuter zu sammeln“.
Der kleine Henry hilft da manchmal mit. Und er weiß auch schon, wo der Polarstern am Himmel ist.