Thüringer Studenten arbeiten mehr
Sozialerhebung des Studentenwerks konstatiert Kostendruck durch steigende Mieten und zu wenig Bafög. Studierende finanzieren steigenden Lebensstandard selbst
Zwei Studentinnen betrachten Wohnungsanzeigen am Schwarzen Brett in der Mensa. Foto: M. Balk , dpa Erfurt. Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, gehen immer mehr Thüringer Studenten neben dem Studium arbeiten. Der Anteil stieg in den vergangenen vier Jahren von etwa der Hälfte aller Studierenden auf knapp 60 Prozent, bundesweit liegt die Jobberquote bei fast 70 Prozent. Das ist das Ergebnis der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW). Danach habe jeder zehnte Studierende in Thüringen zwei und einige sogar drei Jobs. Am häufigsten sind Aushilfen in Kneipen, Fabriken oder Büros.
Bei der gestrigen Vorstellung des Gutachtens beklagte DSWPräsident Dieter Timmermann, dass die Erwerbstätigenquote an Universitäten 2016 so hoch sei wie noch nie, Fachhochschulen lägen nur leicht darunter. Studenten stünden unter wachsenden finanziellen Druck vor allem durch Mietkosten und zu niedrige staatliche Unterstützung. Die Zahl der Bafög-Empfänger sank in Thüringen seit 2012 um zehn Prozent auf unter ein Drittel. Vielfach verhindert die Höhe des Einkommens der Eltern die Förderung. Viele Studenten geben an, sie in Erwartung einer Ablehnung gar nicht zu beantragen.
„Weil das Bafög nicht ausreicht, kompensieren das die Studierenden mit vermehrter Erwerbstätigkeit, und die Eltern müssen sie stärker unterstützen“, sagt Timmermann. Das Studentenwerk plädiere für eine regelmäßige Erhöhung der Bafög-Sätze. Ein Bund-LänderHochschulsozialpakt sollte mehr preisgünstigen StudentenWohnraum schaffen. Das Bundesbildungsministerium betonte, die Erhebung spiegele noch nicht die positiven Auswirkungen der Bafög-Erhöhung auf bis zu 735 Euro von 2016 wieder.
Insgesamt steht Studenten heute mehr Geld zur Verfügung als vor vier Jahren. Noch immer kommt der größte Anteil von den Eltern. Jeder dritte erhält bis zu 600 Euro. Allerdings stieg auch die Zahl derer mit mehr als 1000 Euro im Monat deutlich an. Durch Erwerbstätigkeit verdienen sich die Studierenden im Schnitt zwischen 100 und 500 Euro hinzu. Positive Auswirkungen auf die Höhe des Nebenverdienstes hat nicht zuletzt der Mindestlohn, den jeder dritte Studentenjobber erhält.
Die Mehrheit der Studenten ist mit der eigenen finanziellen Situation zufrieden. Entsprechende Fragen, ob die finanziellen Mittel ausreichen, um die Ausgaben zu decken und ob die Finanzierung des Lebensunterhaltes während des Studiums sichergestellt werden kann, beantworten mehr als zwei Drittel mit „trifft voll und ganz zu“. Nur jeder sechste Befragte räumt finanzielle Schwierigkeiten ein.
Insgesamt zeigt die Sozialerhebung einen generell gewachsenen Lebensstandard. Waren laufende Ausgaben für ein Auto 2012 noch eine Seltenheit, finanzieren inzwischen deutlich mehr Studierende einen fahrbaren Untersatz. Die Ausgaben für Lebensmittel und Mensa sanken, die für Lern- und Kommunikationsmittel wie Internet und Handy stiegen leicht an. Nicht einmal die Hälfte der Thüringer Studenten bezahlt seine Krankenversicherung selbst.
Parallel zur Sozialerhebung veröffentlichten das MosesMendelssohn-Institut und das Immobilienportal „WG-Gesucht“eine Studie zu Mietpreisen für Studentenunterkünfte. „Schon ein Platz in einer Wohngemeinschaft liegt mit derzeit 353 Euro deutlich über der Bafög-Wohnkostenpauschale von 250 Euro“, sagt Institutssprecher Wolfgang Ludwig. Teuerste Stadt ist München mit 570 Euro. In Thüringen wurden dazu aktuell keine Daten erhoben.