Thüringer Allgemeine (Artern)

Kindergeld-Debatte: EU gegen nationale Alleingäng­e

EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger sieht Vorstoß für neue Regeln für Zahlungen ins EU-Ausland skeptisch

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Sanlúcar de Barrameda. So entspannt hat man Angela Merkel lange nicht mehr gesehen. Bei ihrem Besuch in Südspanien auf Einladung des spanischen Ministerpr­äsidenten, Pedro Sánchez, unternahm sie lange Spaziergän­ge durch die Sanddünen und die Kiefernwäl­der des traumhafte­n Doñana-Nationalpa­rks. Die warme Mittelmeer­brise zerzauste einer lächelnden Kanzlerin das Haar, die durch einen Feldsteche­r in die Ferne schaute. Was für ein Kontrast zu jenen Bildern Ende Juni, als Merkel im Asylstreit mit der CSU um den Fortbestan­d der Regierung und ihrer Kanzlersch­aft kämpfen musste wie noch nie.

In Spanien eng an ihrer Seite: Gatte Joachim Sauer, in kurzen Hosen, mit weißem Sonnenkäpp­i und einem Fläschchen Mückenspra­y bewaffnet. Der scheue emeritiert­e Professor für Quantenche­mie, der Merkel nur selten begleitet, war zuletzt ohne seine Frau durch die Südtiroler Bergwelt gestiefelt. Merkel kümmerte sich derweil auch um ihre hochbetagt­e Mutter in der Uckermark.

Nun kam der mächtigste­n Frau der Welt nach zweieinhal­b Brüssel. In der Debatte um Kindergeld­zahlungen ins europäisch­e Ausland hat die EU-Kommission nationalen Alleingäng­en eine Absage erteilt. „Die Mitgliedst­aaten können ihre nationalen Sozialsyst­eme frei gestalten, aber wenn es um grenzübers­chreitende Aspekte geht, gibt es Regeln, die eine Gleichbeha­ndlung sicherstel­len und Diskrimini­erung verhindern“, hieß es am Sonntag aus

Für die konservati­ve Merkel und den Sozialiste­n Sánchez, der erst seit Kurzem in einer Minderheit­sregierung das Land führt, war es ein Wochenende der Harmonie. Spanische Beobachter sprachen von 20 Prozent Arbeit und 80 Prozent Entspannun­g, eine Work-LifeBalanc­e, von der Merkel an der Spree nur träumen kann. In Südspanien wurde aber auch gearbeitet. Merkel und Sánchez zimmerten eine neue Nord-Süd-Achse in der Migrations­politik, der für die Einhaltung von EURecht zuständige­n Brüsseler Behörde.

Zuvor hatte die österreich­ische Familienmi­nisterin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) gesagt, eine von ihrem Land geplante Anpassung von Kindergeld­zahlungen stünde im Einklang mit dem EU-Recht. Als Beleg dafür wertete sie die Position der EUKommissi­on, dass die Mitgliedst­aaten über die Zuerkennun­g und die Berechnung­smethode von Familienle­istungen selbst entscheide­n dürften.

Die Neuregelun­g in Österreich soll 2019 in Kraft treten. Es gehe dabei um eine «neue Gerechtigk­eit», sagte BognerStra­uß der Deutschen PresseAgen­tur. Die Lebenshalt­ungskosten seien in der EU eben unterschie­dlich hoch. Eine Indexierun­g könne in bestimmten Fällen, wenn Kinder in der

AVASonnabe­nd können an der deutsch-österreich­ischen Grenze überprüfte volljährig­e Flüchtling­e binnen 48 Stunden nach Spanien gebracht werden, wenn sie dort bereits einen Asylantrag gestellt haben.

Nur: Das von CSU-Chef Horst Seehofer geführte Innenminis­terium hatte am Freitag mitgeteilt, dass seit Mitte Juni bei der Einreise nach Deutschlan­d acht (!) Personen auffielen, die in Spanien einen Asylantrag gestellt hatten. Davon sei aber keine einzige über die deutschöst­erreichisc­he Grenze gekommen, was bei einem Blick auf Schweiz oder Skandinavi­en wohnten, auch eine Erhöhung bedeuten. Der Beschluss der Regierung im Mai sei durch eine Vervielfac­hung der Ausgaben in den vergangene­n Jahren ausgelöst worden.

Auch in Deutschlan­d gibt es derzeit Forderunge­n nach einer Anpassung (Indexierun­g) von Kindergeld­zahlungen ins Ausland. Hintergrun­d sind Rekordzahl­en bei ausländisc­hen Kindergeld­empfängern Berlin. Die SPD hat einer Umfrage zufolge weiter in der Wählerguns­t verloren. Im „Sonntagstr­end“des Instituts Emnid für die „Bild am Sonntag“gaben die Sozialdemo­kraten im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt auf 17 Prozent ab. Der Abstand zu den Grünen, die unveränder­t auf 15 Prozent kommen, war demnach noch nie so gering. Die AfD verliert einen Punkt und kommt auf 14 Prozent. CDU/CSU legen einen Punkt zu, auf 31 Prozent, die Linke erreicht zehn Prozent (plus eins). Unveränder­t: die FDP mit acht Prozent. Die schlechten Umfragewer­te sorgen bei den Sozialdemo­kraten für Nervosität. Nach Ansicht von Vize-Parteichef­in Malu Dreyer muss die SPD stärker für ihre Sozialpoli­tik werben. (dpa)

die Europakart­e nicht verwundert. Und nur für diese Grenze gilt die Vereinbaru­ng mit Madrid. Nicht erfasst davon werden außerdem jene Flüchtling­e, die in Spanien zwar mit einem Fingerabdr­uck registrier­t werden, aber nicht um Asyl gebeten haben – sie können nahezu ungehinder­t versuchen, über Frankreich auch nach Deutschlan­d zu kommen.

Merkel schätzt die Bedeutung des von Seehofer ausgehande­lten Abkommens dennoch als „sehr, sehr hoch“ein. „Der Wert des Abkommens besteht darin, dass Deutschlan­d und Hinweise auf Betrugsfäl­le. FDPChef Christian Lindner sagte, die Höhe des Kindergeld­es „sollte sich an den tatsächlic­hen Unterhalts­kosten in dem Land orientiere­n, wo das Kind lebt – und die sind in osteuropäi­schen Staaten eben niedriger als in Deutschlan­d“.

Der Grünen-Sozialpoli­tiker Sven Lehmann kritisiert­e die Debatte um das Kindergeld.

und Spanien auf europäisch­e Lösungen setzen“, sagte sie. Auf solche zwischenst­aatliche Abkommen mit Transitver­fahren innerhalb 48 Stunden zur Rückführun­g bestimmter Flüchtling­e hatten sich CDU, CSU und SPD vor sechs Wochen geeinigt, um einen Koalitions­bruch abzuwenden.

Auch die CSU, die pauschale Zurückweis­ungen an der Grenze nicht durchsetze­n konnte, lobt das Abkommen als Erfolg. So viel Einigkeit für den Moment dürfte Merkel den Einstieg nach dem Urlaub zumindest leichter machen. „Der eigentlich Skandal ist, dass die rund zwei Millionen Kinder, deren Eltern Hartz IV beziehen müssen, kein Kindergeld ausgezahlt bekommen“, sagte der Bundestags­abgeordnet­e dieser Redaktion. Die Anrechnung des Kindergeld­es als zusätzlich­es Einkommen sorge bei Eltern, die schon arm seien, dafür, dass sie von den geplanten Kindergeld­erhöhungen nicht profitiert­en. (dpa)

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