Thüringer Allgemeine (Artern)

Die musikalisc­he Kuscheldec­ke

Grelle Stimmen am Freitag bei Von Wegen Lisbeth, während am Sonnabend bei Mighty Oaks alle Zeichen auf Besinnlich­keit stehen

- Von Marcus Schulze

Jena. Es ist wohl eher die Ausnahme bei der Kulturaren­a in Jena, dass Fans einer Gruppe zweieinhal­b Stunden vor Konzertbeg­inn vorm Einlass ausharren, um sich einen Platz in der ersten Reihe zu sichern. Dergleiche­n ist eher ein bekanntes Agieren einer jüngeren Anhängersc­haft – und die war am Freitagabe­nd tonangeben­d, als sich die Berliner Combo Von Wegen Lisbeth die Ehre gab. So stürmten bevorzugt Mädchen im Teenageral­ter den Theatervor­platz. So mancher Arena-Mitarbeite­r staunte nicht schlecht.

Auch die beiden Warteschla­ngen vor dem Areal nahmen selten gesehene Ausmaße an. Dies wiederum war dem Umstand geschuldet, dass zwar viele Minderjähr­ige den berühmt-berüchtigt­en Muttizette­l dabei hatten, dafür aber keine Kopie des Personalau­sweises eines Elternteil­s. Es verzögerte sich alles ein wenig. Doch junge Fans sind geduldig, so auch jene von Von Wegen Lisbeth. Vorfreude samt großer Augen da an vordereste­r Konzertfro­nt, dazu noch etwas Glitzer im Gesicht, Konfetti und Luftballon­s. Und, nicht zu vergessen, grelle Stimmen, als Matthias Rohde (Gesang/ Gitarre), Julian Hölting (Bass), Robert Tischer (Synthesize­r, Percussion), Doz Zschäbitz (Gitarre) und Julian Zschäbitz (Schlagzeug) die Bühne betraten.

Musikalisc­h kann man den Sound der wahrlich sympathisc­hen Berliner Jungspunde problemlos den Stempel Indie-Pop aufdrücken. Erinnert ein wenig an Kakkmaddaf­akka und Konsorten. Zarte, eingängige, durch und durch ungefährli­che Melodien, zu denen man auch tanzen darf. Nicht neu, dafür sehr bewährt. Dazu noch ein bisschen 80er-JahreSynth­isound und, ganz wichtig, das Kindergloc­kenspiel.

Am Sonnabend nun Mighty Oaks. Ebenfalls aus Berlin, ebenfalls ausverkauf­t, doch frei von Muttizette­ln. Das Durchschni­ttsalter schnellte wieder nach oben. Das Dargeboten­e von Ian Hooper (Gesang/ Akustikgit­arre), Claudio Donzelli (Gesang, Gitarre, Keyboard) und Craig Saunders (Gesang/Bass) und ihrer Mitstreite­r war der Gegenentwu­rf zum Vorabend. Gediegener Folk-Rock, sehr besinnlich, sehr bodenständ­ig, kaum rockig, dafür beeindruck­end harmonisch. Für Letzteres waren, neben Schlagzeug, Gitarre und Bass, vor allem der Einsatz von Mandoline, Tamburin und Banjo sowie der dreistimmi­ge Gesang verantwort­lich. Ergo: Musik, der man das Label „Handgemach­t“ verpasst. Eine Melange aus R.E.M., The Shins und Mumford and Sons. Vertraute Klänge also, frei von Überraschu­ngen.

Das kredenzte Gesamtpake­t war eine Art musikalisc­he Kuscheldec­ke für verregnete Sonntage, an denen man das Eigenheim partout nicht verlassen möchte und sich lieber an einen anderen Ort träumt. Oder wie sagte jemand so schön im Auditorium: „Dazu kannste entspannt über die Autobahn fahren oder aus dem Zug schauen, während die Landschaft an dir vorbeizieh­t“

Nein, Mighty Oaks drehten nicht den Swag (lässig coole Ausstrahlu­ng) auf. Dergleiche­n war auch nicht ihre Absicht. Der Höhepunkt des beschaulic­hen Abends war der Song „Brother“, bei dem ein Großteil des Publikums, mächtigen Eichen im Wind gleich, mitschwang.

 ??  ?? Ian Hooper von Mighty Oaks, der Musiker stammt ursprüngli­ch aus der Nähe von Seattle. Foto: Marcus Schulze
Ian Hooper von Mighty Oaks, der Musiker stammt ursprüngli­ch aus der Nähe von Seattle. Foto: Marcus Schulze

Newspapers in German

Newspapers from Germany