Kritik am Kurs der Thüringer Awo
Abgesetzter Revisor wirft ihr mangelnden Aufklärungswillen vor. Gewerkschaft: Rückfall in alte Denkmuster
Saalfeld/erfurt. Rückhaltlose Aufklärung bei der Thüringer Arbeiterwohlfahrt? Unvoreingenommene Auseinandersetzung mit all dem, was bis zur fristlosen Kündigung von Awo-manager Michael Hack im Verband schiefgelaufen ist?
Der Saalfelder André-rené Kube (50) hat daran, gelinde gesagt, Zweifel. Der freie Berufsbetreuer – seit sieben Jahren Awo-mitglied und unter anderem im Vorstand des Awo-kreisverbandes Saalfeld-rudolstadt aktiv -- macht das an Erfahrungen fest, die er als Revisor des Landesverbandes gesammelt hat. Kube war im Februar 2021 in dieses Amt gewählt worden. Doch ausgeübt hat er es nur zehn Monate, weil es laut Satzung unvereinbar mit seiner Tätigkeit im Kreisverband war.
Im Dezember 2021 wurde ihm mitgeteilt, dass er sein Amt „zu keinem Zeitpunkt wirksam innegehabt“habe. „Das ist satzungskonform und im Grunde völlig in Ordnung so“, sagt Kube. „Das Problem ist nur: Ich bin vor der Wahl in meiner Bewerbung ganz transparent mit meiner Tätigkeit im Kreisverband umgegangen. Auf mich wirkt die Absetzung deshalb so, als sei die Satzungskarte gezogen worden, als ich unbequem zu werden begann.“
Landesverband wurde nie einer Tiefenprüfung unterzogen
Er habe seine Aufgabe als Revisor eben ernst nehmen, Dinge nicht nur abnicken wollen, weil gerade das in der Vergangenheit zu den Auswüchsen geführt habe, die die Awo in die Schlagzeilen brachten. „Deshalb habe ich zum Beispiel gleich in der ersten Vorstandssitzung nach einer Klausurtagung gefragt, in der jeder Stein umgedreht wird. Die Probleme lagen vor 2020 schließlich nicht nur bei der Awo-tochter AJS, sondern auch beim Landesverband.“Im Gegensatz zur AJS sei dieser aber nie einer Tiefenprüfung unterzogen worden. „Die erste Reaktion auf meine Frage war Entsetzen, die zweite die Zusicherung, dass eine solche Klausurtagung im Herbst 2021 stattfindet.“Diese Sitzung sei dann aus seiner Sicht aber nur eine normale Vorstandssitzung gewesen.
André-rené Kube findet zudem, dass die Zukunft der AJS nie ergebnisoffen diskutiert, sondern per se ausgeschlossen wurde, dass die in sie eingebrachten Einrichtungen an die Kreis- und Regionalgliederungen zurückgehen. Verwundert zeigt er sich auch darüber, dass die Ajsgeschäftsführerin in Personalunion Landesgeschäftsführerin ist, „obwohl der Regionalverband Mitte-west-thüringen, von dem sie kommt, ein solches Konstrukt vorher bei Michael Hack verhinderte“. Der Vorstand habe keine Gelegenheit gehabt, auch die anderen Bewerber für die Position des Landesgeschäftsführers kennenzulernen.
Aus Gesprächen mit vielen einfachen Mitgliedern wisse er, dass sich an der Basis der Eindruck verfestige, „dass hier nur neue Köpfe an alten Trögen sitzen“. „Das ist aber nicht das, wofür ich angetreten bin.“
Kube will sich dazu auch am 14. Mai bei der Awo-landeskonferenz äußern. Es wird die erste Präsenzveranstaltung seit der Aufdeckung des Skandals im Jahr 2020 sein.
Awo-landeschefin Petra Rottschalk hätte kein Problem damit, wenn Kube dort von seinem Rederecht Gebrauch macht. Doch gegen den Vorwurf, es mangele an Aufklärungswillen, verwahrt sie sich „ganz entschieden“. Der Landesvorstand, die Aufsichtsräte und die Geschäftsführer von Landesverband und AJS hätten in den vergangenen Monaten „viel Zeit und Energie dafür aufgebracht, die Thüringer Awo neu aufzustellen und einen neuen, transparenten Kurs“einzuschlagen. Corona habe diesen Prozess allenfalls etwas verlangsamt. Rottschalk appelliert an Kritiker wie Kube, „nicht Keile zwischen die handelnden Personen zu treiben. Wir alle haben in einer kritischen Zeit eine hohe Verantwortung übernommen – und wir brauchen die Kraft und den Zusammenhalt für die noch vor uns liegenden Aufgaben“.
Rottschalk: An Neuausrichtung alle Gliederungen beteiligt
An der Neuausrichtung der AJS seien alle Gliederungen beteiligt worden, versichert Rottschalk. So seien in einem Workshop mit ihnen „Leitplanken“festgelegt worden, zu den sie im Anschluss eine Stellungnahme abgeben konnten. Im Verfahren zur Neubesetzung der Stelle der Landesgeschäftsführerin sei der Landesvorstand stets im Bilde gewesen: Ihm hätten Informationen sowohl über die mehr als 40 Bewerbungen als auch über die sechs in die engere Auswahl gekommenen Bewerber vorgelegen. Die vergangenen 14 Monate hätten zudem gezeigt, dass es richtig war, die AJS mit dieser Personalie wieder enger an den Landesverband anzubinden.
Kritik am Kurs der Thüringer Awo kommt indes auch von der Gewerkschaft Verdi: Man könne, heißt es im Zusammenhang mit Verhandlungen zum neuen Manteltarifvertrag, „nicht mehr viel Schwung im groß angekündigten Veränderungsprozess der Awo“ausmachen. Die Tatsache, dass der Awo-arbeitgeberverband einer Verringerung der Wochenarbeitszeit nur zustimmen wolle, wenn es sonst keine Veränderungen gebe, sei ein „Rückfall in alte Denk- und Verhaltensmuster – und das in einem Verhandlungsprozess, der allen Beteiligten ein starkes Aufbruchssignal vermitteln sollte“.