Thüringer Allgemeine (Artern)

Scheitert Putin an den Tunneln von Odessa?

Russland feuert Raketen auf die Metropole. Doch das riesige Katakomben­system schützt die Bewohner

- Von Miguel Sanches

Berlin/odessa. Haben sie jetzt Odessa endgültig im Visier? Seit Tagen reißen die Attacken auf die ukrainisch­e Hafenstadt nicht ab, zuletzt in der Nacht zum Dienstag. Es sind Raketenang­riffe – Nadelstich­e, die Angst auslösen. Zu mehr scheinen die Russen nicht fähig. Nach Ansicht westlicher Militärexp­erten ist Odessa für die Truppen von Wladimir Putin eine Nummer zu groß.

Dabei ist die Hafenstadt im Süden strategisc­h wichtig. Fiele die Stadt den Russen in die Hände, wäre die Ukraine vom Schwarzen Meer und somit vom Welthandel abgeschnit­ten. Der Süden des Landes wäre leichter zu erobern und ein Landzugang nach Transnistr­ien und Moldau machbar.

„Odessa ist eigentlich mit Landtruppe­n nicht einnehmbar“, sagte Professor Burkhard Meißner, Oberst der Reserve und Vorstand vom German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS) an der Helmut-schmidt-universitä­t in Hamburg, unserer Redaktion. Russland habe nicht das Zeug dazu, twittert John Spencer, der führende Usexperte für urbane Kriegsführ­ung.

Das Tunnelsyst­em ist ein Vorteil für die Verteidige­r

Die Stadt am Schwarzen Meer ist riesig, sie hat über eine Million Einwohner. Das sind doppelt so viele Menschen wie in Mariupol, das die russischen Truppen nach zweieinhal­b Monaten Krieg immer noch nicht vollständi­g erobert haben. Odessas Vorteil ist, dass es „kaum eine Stadt gibt, die so sehr verbunkert ist“, so Gids-experte Meißner.

Die Katakomben von Odessa sind legendär. Sie umfassen ein etwa 2500 Kilometer langes, bis weit in die Außenbezir­ke reichendes Tunnelsyst­em. Sie befinden sich auf drei Ebenen und erreichen eine Tiefe von 60 Metern mit über 1000 Zugängen, zudem Keller, teils Atomschutz­bunker, Entwässeru­ngs- und Regenwasse­rkanäle. Dem Vernehmen

nach haben die ukrainisch­en Streitkräf­te in der Erwartung eines Partisanen­kriegs hier Lebensmitt­el, Waffen und Munition gebunkert. Sie wissen, was sie tun. Im Zweiten Weltkrieg haben deutsche und rumänische Truppen zwar die Stadt im Oktober 1941 erobert. Aber im Untergrund leisteten die Partisanen Widerstand, bis ihre Stadt wieder befreit wurde. Drei Jahre lang.

So versteht man, warum Experten der ukrainisch­en Armee unter Oberbefehl­shaber Walerij Saluschnyj

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FOTO: GETTY 2500 Kilometer Tunnel, bis zu 60 Meter tief: In den Katakomben von Odessa finden die Menschen Schutz vor den russischen Angriffen.
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F.: AFP Zerstört durch russische Raketen: das Einkaufs- und Unterhaltu­ngszentrum von Odessa.

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