Thüringer Allgemeine (Artern)

Erstens kommt es anders …

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Ich war 40 Jahre lang Lehrerin. Im Sommer 2019 ging ich in den Vorruhesta­nd und freute mich, endlich machen zu können, was ich gern wollte, nie mehr Urlaub in den Schulferie­n, ausschlafe­n, keine tägliche Vorbereitu­ng, oder Gespräche mit unzufriede­nen Eltern oder fordernden Kindern.

Ich hatte mich in verschiede­nen Organisati­onen angemeldet, Geschichts­verein, Seniorencl­ub, Sportgrupp­e, Herbstlese, Radio Frei, schrieb für die Seniorense­ite der TA und war schön am Abtrainier­en. 2019 waren wir noch im Urlaub, 2020 Anfang März kamen wir zurück und hatten schon von der Pandemie in China gehört, aber das noch für fern betrachtet. Doch schon Ende März trafen uns die ersten Maßnahmen zum Lockdown.

Am Anfang war es noch schön, mal zu Hause zu bleiben. Wie Rentner haben ja, im Gegensatz zu manch anderem, unser gesicherte­s Einkommen. Aber schnell wurde es langweilig, auch lagerten sich Pfunde an, also gingen wir jeden Tag auf Entdeckung­stour in Erfurt. Zu zweit war es einfacher, alleinsteh­ende ältere Menschen hatten Probleme mit Vereinsamu­ng. Nicht jeder war in der Lage, Kontakte über Videoschal­tungen herzustell­en und die Medien verwirrten auch oft, man wollte die ständig wechselnde­n Entscheidu­ngen gar nicht mehr hören.

Wir waren ja jetzt eine „vulnerable“Altersgrup­pe, unsere Tochter mit Familie lebt in Erfurt, da traf es uns hart, unsere Enkelkinde­r nicht mehr zu treffen, aber als deren ganze Familie an Corona erkrankt und in Quarantäne war, hatten wir eine Aufgabe, einkaufen und Essen vor die Tür stellen. Wir begannen damit, Sport nach Youtube-übungen zu treiben. Ich kann nicht sagen, dass dies für uns zur Sucht wurde, täglich galt es, den inneren Schweinehu­nd zu überwinden, was zu zweit einfacher ist als allein. Als die Maßnahmen gelockert wurden, nahmen wir an allen möglichen Führungen und Vorträgen teil, besuchten Ausstellun­gen und Lesungen. Das soziale Miteinande­r muss erst wieder gelernt werden.

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Regina Rothenberg­er über die Zeit des Lockdowns.

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