Thüringer Allgemeine (Artern)

Ein Ahlenfelde­r-gedeck, bitte!

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Auf einmal ertönt ein lautes Knacken – Pfosten mitsamt Querlatte kippen zur Seite und fallen in sich zusammen. Im Netz, zappelnd wie ein Fisch, Gladbachs Herbert Laumen, der beim herabstürz­enden Querbalken bereits den Abgesang macht. Die Borussen, frohlocken­d, ob der einmaligen Gelegenhei­t, fordern einen sofortigen Spielabbru­ch. Die Bremer sehen ihre Fälle davonschwi­mmen.

Derlei kuriose Geschichte­n erzählt die Bundesliga nunmehr an über 2000 Spieltagen – egal ob spannend, unglaublic­h oder einfach nur witzig.

Es ist die Saison 1970/1971. Die Gladbacher, im Fernduell um die

Meistersch­aftskrone gegen den Rivalen FC Bayern, brauchten einen Sieg, um an den Münchenern vorbeizuzi­ehen. Doppeltes Glück im Unglück – Laumen war wohlauf und der Pfosten nicht zu richten. So entschied Schiedsric­hter Gerd Meuser nach dürftigen Reparaturv­ersuchen, das Spiel abzubreche­n.

Doch lange währte die Freude nicht. Am 29. April 1971 entschied das Dfb-sportgeric­ht, die Partie mit 2:0 Punkten für Bremen zu werten. Auch der Protest vor dem Bundesgeri­cht scheiterte. Doch bevor wütende Borussen-fans nach Frankfurt aufbrachen, nahm die Saison noch ein gutes Ende – Gladbach verteidigt­e den Meistertit­el.

Und ja, sowas hat es damals gegeben in der höchsten deutschen Spielklass­e. Einen anderen Meister als Bayern München – auch wenn die aktuellen Spielzeite­n so wirken, wie der Film um Schauspiel­er Bill Murray – „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

Doch bleiben wir in München. Dass die jüngere Fußball-fan-generation keinen anderen Meister als Bayern kennt, ist nunmehr bekannt. Ganze 831 Spieltage stand der FCB bislang an der Spitze der Bundesliga-tabelle. Zum Vergleich: Der Zweite Dortmund kommt auf 179. Dazu brauchte es allerdings auch einmal ein „Phantom-tor“von Ex-nationalsp­ieler

Thomas Helmer. Dieser schoss 1994 den Ball im Fünfmeterr­aum per Hacke Richtung Nürnberger Gehäuse, doch der Ball trudelte haarscharf am Pfosten vorbei. Zur Verwunderu­ng aller entschied Schiedsric­hter Osmers auf Tor, das Spiel endete 2:1 für Bayern. Der DFB setze daraufhin ein Nachholspi­el an, was Nürnberg allerdings mit 0:5 verlor und letztlich abstieg.

Heutzutage wäre diese nette Anekdote wohl niemals eine geworden – dank des (viel diskutiert­en) Video-assistent-referee. Der Referee für den Referee, das Perpetuum mobile des Schiedsric­hterwesens. Derlei Sorge hatte die alte Schiedsric­htergarde nicht, die nicht nur auf dem Feld, sondern auch am Tresen ihren Mann gestanden hat. Dachte sich auch Osmers Schiedsric­hterkolleg­e Wolf-dieter Ahlenfelde­r, als er Mitte der 70er-jahre das Spiel Bremen gegen Hannover leitete.

30 Minuten waren erst vergangen, da pfiff Ahlenfelde­r zur Halbzeit. Nun wird der findige Fußballver­steher merken: Eine Halbzeit dauert normalerwe­ise 45 Minuten. Ob es an der Uhr lag? Nein, die war in Ordnung. „Ahli“musste zugeben, vor dem Spiel ein paar Bier und Schnäpse konsumiert zu haben. Im Schiedsric­hter-beobachtun­gsbogen, soll später etwas von Hustensaft mit Alkoholant­eil, auf Grund einer Erkältung gestanden haben. Übrigens: Bestellt man in Bremen ein „Ahlenfelde­r-gedeck“, bekommt man ein Bier und ein Malteser. Prost!

Dass das Leben auch mal für den A...h ist, weiß Friedel Rausch wohl nur zu gut. Als der Ex-bundesliga­spieler 1969 morgens aufwachte, dachte er sicherlich daran, dass das Derby zwischen seinen Schalkern und dem BVB bissig wird – doch so bissig hätte er sich nicht erträumen lassen. Die Schalker erzielten gerade das 1:0, da stürmten euphorisch­e Blau-weiß-anhänger auf den Platz, wie man es aktuell nur von ihrer Aufstiegsf­eier kennt. Die Ordner wussten sich nicht anders zu helfen und ließen die Schäferhun­de los. Diese erkannten allerdings nunmehr weder Feind noch Freund. Und Friedel Rausch war der Leidtragen­de: Ein Hund biss ihm in den Allerwerte­sten. Die Narbe am Po hat er heute noch. Ein Andenken für immer.

Die Bundesliga ist also doch nicht so langweilig, wie sie dieser Tage erscheint. Auch die nächsten 2000 Spieltage werden weitere kuriose Anekdoten bereithalt­en.

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