Grenzenloses Potenzial
Der Ex-erfurter Moritz Seider gehört zu den Hoffnungsträgern bei der Eishockey-wm
sid
Williams ausgezeichnet
dpa
Hubrich und Smorguner
Shara Hubrich und Ilja Smorguner führen das deutsche Karate-team bei der EM (25. bis 29. Mai) im türkischen Gaziantep an. dpa
Helsinki. „Mo ist für mich ein Phänomen.» So drückt der Kapitän des Eishockey-nationalteams, Moritz Müller, seine Faszination und sein Staunen über seinen Namensvetter Moritz Seider aus. Wovon der Routinier spricht, ist Seiders rasanter Aufstieg zu einem Top-verteidiger der NHL. Seider ist einer der spannendsten und wichtigsten – wenn nicht der spannendste und wichtigste – Spieler im aktuellen deutschen Wm-team.
Gleich in seiner Debüt-saison in der stärksten Liga der Welt für die Detroit Red Wings, hat er mächtig beeindruckt. Der Hype um ihn dürfte in den kommenden Jahren weiter wachsen. Mit immer noch erst 21 Jahren ist Seider noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung. Das Potenzial scheint aus Sicht von Bundestrainer Toni Söderholm grenzenlos. „Gibt es welche?“, konterte der Coach im Interview der Deutschen Presse-agentur die Frage zu möglichen Grenzen in Seiders Entwicklung und prognostiziert selbst: „Ich glaube nicht.“
Von Freitag an will Seider bei der Weltmeisterschaft in Finnland alles versuchen, damit das unerfahrene deutsche Nationalteam trotz aller Ausfälle das Viertelfinale erreicht. Im ersten Vorrundenspiel in Helsinki am Freitag (19.20 Uhr/sport1) gegen Rekordchampion Kanada steht auch er im Blickpunkt.
Selbstbewusst und perfektionistisch ist er auf dem Weg in die Weltklasse „Jeder Athlet hat den Ansatz zu den Besten der Welt gehören zu wollen – dem versuche ich gerecht zu werden. Aber man muss sich schon ab und an mal kneifen und stolz sein auf das, was passiert ist“, sagt Seider, der auf dem besten Weg ist, ein ähnlicher Weltklasse-spieler zu werden wie Stürmer-star Leon Draisaitl (Edmonton Oilers).
Von Anpassungsschwierigkeiten in seiner ersten Nhl-saison war beim einstigen Mannheimer Seider nichts zu spüren. Stattdessen absolvierte er alle 82 Spiele, gab 43 Torvorlagen, schoss sieben Tore und erreichte somit den Meilenstein von
50 Scorern. Sehr seltene Zahlen für einen so jungen Verteidiger. Der 21jährige Seider könnte der erste Deutsche werden, der die Auszeichnung zum besten Nhl-neuling erhält.
Getrieben wird er vom Perfektionismus. Mit Selbstbewusstsein und einer beeindruckenden Gelassenheit überzeugte er auf Anhieb, spielt kleinkrümmen, ich gehe mit breiter Brust aufs Eis. Ich will jedem Spiel meinen Stempel aufdrücken, und die sollen sich nach mir richten.“
Seinen einstigen Trainer in Erfurt überrascht die Entwicklung nicht Sätze wie dieser sind es, die auch dort, wo Seider ausgebildet wurde, dafür sorgen, dass sein kometenhafter Aufstieg nicht als völlig unerwartet betrachtet wird. „Klar war es überraschend, wie schnell er nach seinem Wechsel nach Mannheim zum DEL- und Nationalspieler wurde. Aber dass er in der NHL in seinem ersten Jahr so glänzt, hat mich ehrlich gesagt nicht überrascht“, sagt Henry Tews. Der sportliche Leiter und Nachwuchstrainer beim EHC Erfurt trainierte Seider zehn Jahre lang. Schon mit vier war er über einen Kindergartenkurs zum Schnuppertraining bei den „Young Dragons“gekommen. Mit 14 zog es ihn zu den Jungadlern Mannheim.
„Er hat immer Vollgas gegeben, ausruhen gab es für ihn nicht. Seine Einstellung und sein Talent haben dafür gesorgt, dass er meistens mit drei, vier Jahre Älteren zusammengespielt hat“, erinnert sich Tews.
Sein einstiger Schützling sei wie geschaffen für die NHL: „Körperlich schon sehr weit und mit überragendem Spielverständnis. Er liest das Spiel und findet immer gute Lösungen, selbst bei der hohen Geschwindigkeit und auf der kleineren Eisfläche in Nordamerika.“Und natürlich helfe ihm, fügt Tews grinsend hinzu, „dass er das Schlittschuhlaufen bei uns gelernt hat“.
Auch der zunehmende Rummel bringt Seider nicht aus dem Tritt. Er ist ein geerdeter Mensch und sagt, gar nicht zu wissen, was ihn von anderen Talenten unterscheide.
In den vergangenen Jahren ist viel passiert. Nachdem er in Mannheim in kurzer Zeit in der DEL auf sich aufmerksam gemacht hatte und gleich bei seiner ersten WM 2019 herausragte, wurde er im Nhldraft gezogen: an sechster Position – ungewöhnlich früh für einen Verteidiger, der noch dazu nicht aus Nordamerika kommt. Er spielte zunächst in der zweitklassigen AHL und in der vergangenen Saison in Schweden, wo er zum besten Verteidiger gekürt wurde. Erst nach der WM 2021 mit dem tollen Halbfinaleinzug, der Auszeichnung zum besten Verteidiger und der Wahl ins Allstar-team kam er in die NHL.
Dass Detroit (noch) keine Playoff-klasse besitzt, ist nun das Glück für Söderholm. Sonst hätte Seider keine Zeit für die Weltmeisterschaft. mit dpa