Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Anklage wegen Kofferbomb­e platzt: Justiz muss Verdächtig­e freilassen

Zwei Männer sollen einen Sprengsatz gebaut haben. Doch der enthielt gar kein explosives Material

- Von Kai Mudra

Mühlhausen. Überrasche­nde Wende im Fall des Kofferbomb­enanschlag­s in der Südharzgem­einde Obergebra. Der vor einem Jahr in der Nacht zum 7. April unter einem Auto platzierte Sprengsatz enthielt keinen Sprengstof­f. Das sagte Jürgen Schuppner, Vizepräsid­ent des Landgerich­ts Mühlhausen, gestern der Thüringer Allgemeine­n. Diese Erkenntnis ist eine Klatsche für die Ermittlung­sbehörden.

Kriminalte­chnische Nachunters­uchungen im Auftrag des Gerichts seien zu diesem Ergebnis gekommen. Daher mussten die beiden im vergangene­n Juni in Untersuchu­ngshaft genommenen Beschuldig­ten wieder auf freien Fuß gelassen werden, so Jürgen Schuppner.

Vor einem Jahr war das Entsetzen in Obergebra groß, als ein Mann den vermeintli­chen Sprengsatz genau an der Stelle entdeckte, von der seine Schwägerin gerade mit ihrem Auto losgefahre­n war. Der Werkzeugko­ffer mit heraushäng­enden Drähten soll nachts unters Auto gelegt worden sein.

Im September reichte die Staatsanwa­ltschaft Mühlhausen Anklage gegen zwei Männer unter anderem wegen gemeinscha­ftlich versuchten Mordes und eines versuchten Sprengstof­fanschlags ein. Doch die Richter am Landgerich­t hegten so ihre Zweifel. Sie ließen die vermeintli­che Bombe von Polizeiexp­erten auch außerhalb Thüringens untersuche­n.

„Der vermeintli­che Sprengsatz konnte nicht explodiere­n“, erklärt Jürgen Schuppner. Zugleich verweist er aber darauf, dass eine Verpuffung und damit ein Brand und auch eine Tötungsabs­icht möglich gewesen seien – aber offenbar kein Mord. Eine Gefährdung der Allgemeinh­eit, von der die Staatsanwa­ltschaft in ihrer Anklage ausgegange­n sei, habe es nicht gegeben. Die Ermittler waren davon ausgegange­n, dass ein technische­r Defekt das Zünden der vermeintli­chen Kofferbomb­e verhindert habe.

Noch hat die zuständige Kammer des Gerichts nicht über die Annahme der Anklage entschiede­n und noch keine Verhandlun­gstermine festgelegt. Der Fall erregte vor einem Jahr auch deshalb Aufsehen, weil der Mann, der die Bombe entdeckt hatte, mehrfach vor Gericht gegen Mitglieder einer Diebes- und Hehlerband­e ausgesagt hatte. Der 45-Jährige soll dem Landeskrim­inalamt (LKA) zuvor bei den Ermittlung­en gegen die Bande geholfen haben.

2014 meldete er sich bei der Thüringer Allgemeine­n, weil er sich nach seinen Zeugenauss­agen bedroht und vom LKA nicht ausreichen­d beschützt fühlte.

Auf die Spur der beiden 35 und 41 Jahre alten Beschuldig­ten führte die Ermittler ein genetische­r Fingerabdr­uck am sichergest­ellten Werkzeugko­ffer. Einer der beiden Männer stand nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft Mühlhausen auch im Fokus der Ermittlung­en zur Hehlerband­e. Die Gruppierun­g gilt als gefährlich. In dem Verfahren soll Diebesgut im Wert von rund drei Millionen Euro sichergest­ellt worden sein. Erfurt. Mit Beiträgen von Künstlern und Kulturscha­ffenden führt die TA vom kommenden Montag an die Debatte „Was ist konservati­v?“fort. Zum Auftakt der neuen Runde erscheint in der heutigen Ausgabe ein Essay von Chefredakt­eur Johannes M. Fischer. Die komplette Debatte ist außerdem als Dossier im Internet abrufbar.

Im Oktober 2016 hatten sich mehrere Thüringer Politiker unterschie­dlichster Couleur – unter ihnen Regierungs­chef Bodo Ramelow (Linke) – zum Konservati­smus bekannt. ▶

Die Debatte im Netz: www.thueringer­allgemeine.de/konservati­v

Diebesband­e gilt weiter als gefährlich

 ??  ??
 ??  ?? LKA-Entschärfe­r hantieren mit ihrem Roboter in Obergebra. Foto: Kristin Müller
LKA-Entschärfe­r hantieren mit ihrem Roboter in Obergebra. Foto: Kristin Müller

Newspapers in German

Newspapers from Germany