Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Muhsals Frontalangriff gegen das Gericht
Im Betrugsprozess gegen sie lässt die AfD-Landtagsabgeordnete einen Befangenheitsantrag nach dem anderen stellen
Erfurt. Spätestens am zweiten Prozesstag gegen Wiebke Muhsal wurde deutlich: Hier geht es nicht nur um Recht oder Unrecht. Hier geht es um Alles oder Nichts.
Nur so lässt sich Muhsals Frontalangriff gegen das Gericht erklären. Mehrere Befangenheitsanträge hatte ihr Anwalt Gregor Heiland nach dem ersten Verhandlungstag gegen Richter Ralf Wildenauer gestellt, da dieser die Taktik der Verteidigung verächtlich gemacht habe.
Zwar wurden die Anträge allesamt von einer anderen Richterin des Erfurter Amtsgerichts zurückgewiesen. Doch der Verteidiger mutmaßte gestern, dass nicht alle seine Schreiben berücksichtigt worden seien.
Er stellte deshalb einen neuerlichen Befangenheitsantrag – und dann gleich noch einen, als der sichtlich genervte Richter dennoch mit der Verhandlung fortfuhr. Fortan stritten die Beteiligten vor allem über die Strafprozessordnung, was die Stimmung nicht verbesserte. So teilte Oberstaatsanwalt Rainer Kästner-Hengst dem Verteidiger mit, dass er „keine Lust“mehr habe, sich „von solchen Faxen belästigen zu lassen“. Doch da hat er keine Wahl. Wiebke Muhsal ist Stellvertreterin von AfD-Landtagsfraktionschef Björn Höcke. Und sie ist wegen Betrugs angeklagt. Eine Verurteilung würde ihre Image schwer beschädigen – und das ihrer Partei gleich mit.
Die Abgeordnete hatte dem ursprünglichen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft über 60 Tagesssätze widersprochen, um vor dem Gericht für ihren Freispruch kämpfen zu können. Ob diese Strategie aufgeht, muss sich aber noch zeigen: Aus den bisherigen Aussagen des Richters wurde deutlich, dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist. Umso härter ist nun Wiebke Muhsals Gegenwehr.
Angezeigt wurde sie von einer ehemaligen Wahlkreismitarbeiterin. Ines D. behauptet, von der Abgeordneten nach der Landtagswahl für zwei Monate nur zum Schein beschäftigt worden zu sein. Das vom Landtag bezahlte Gehalt (rund 3250 Euro) habe sie auf Anweisung Muhsals mehrheitlich für eine Internetpräsenz ausgegeben. Der Rest floss angeblich in Büromöbel – die dann nochmals beim Landtag abgerechnet worden seien.
Muhsal sagte, sie wisse von all dem nichts – jedenfalls fast nichts. Denn sie gab zu Prozessbeginn zu, den Einstellungsvertrag von Ines D. um zwei Wochen rückdatiert zu haben – was wohl ein folgenschweres Eingeständnis war. Denn auch wenn ihr Anwalt die falsche Datierung nicht als Betrug ansieht: Die Anklagebehörde scheint da gänzlich anderer Meinung zu sein.
Eine zentrale Frage ist, wie die Aussagen von Ines D. zu würdigen sind. Nachdem sie sich als Zeugin vor Gericht in Widersprüche verwickelt hatte, wurden gestern zusätzliche Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit genährt. Der Geschäftsführer der Firma, bei der Ines D. in den zwei Monaten ihrer mutmaßlichen Scheintätigkeit für Muhsal parallel angestellt war, berichtete von einer Abmahnung und einer womöglich gefälschten Krankschreibung.
Allerdings bestätigte der Zeuge, dass Ines D. in dem Zeitraum, in dem sie laut Arbeitsvertrag bei Muhsal angestellt war, zwei Wochen lang voll für seine Firma tätig war. Dies verstärkt den Verdacht, dass mindestens ein halbes Monatsgehalt für Ines D. beim Landtag betrügerisch abgerechnet wurde.
Zwei Zeugen aus der AfD hatten sich kurzfristig krank- oder abgemeldet. Die Verhandlung wird am 7. April fortgesetzt.
Glaubwürdigkeit der Zeugin erschüttert