Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Wie funktionie­rt ein Teilchenbe­schleunige­r?

Girls-Woche in Ilmenau: Wie an der Universitä­t Mädchen für Technik, Informatik und Physik begeistert werden sollen

- Von Elena Rauch

Ilmenau. Mittwochmo­rgen, kurz vor neun, das Schild an der Tür stiftet bei der Reporterin leichte Beklemmung: Fakultät für Informatik und Automatisi­erung. Drinnen, am langen Tisch, beträgt die Frauenquot­e schon mal 100 Prozent: 15 Mädchen, Schülerinn­en aus ganz Deutschlan­d. Eigentlich haben zumindest die Thüringeri­nnen unter ihnen seit fünf Tagen Sommerferi­en, aber danach sieht es gerade nicht aus. Zwar gibt es Kekse und Gummibärch­en, das andere wirkt weniger leicht verdaulich: „Dijkstra-Algorithmu­s in Bindfadent­erminologi­e“steht an der Tafel, wo Chris Köcher gerade sehr engagiert Pfeile und Linien zwischen Punkten zieht, bevor er übergibt. Der Philipp kümmert sich, verspricht er, um große Netzwerke.

Philipp Schlag und Chris Köcher sind wissenscha­ftliche Mitarbeite­r an der Fakultät, ihr Spezialgeb­iet: Theoretisc­he Informatik. Davon geben sie gerade einen kleinen Vorgeschma­ck. Wie es sich anfühlen könnte, sie hier zu studieren. Es geht um die Ermittlung des kürzesten Wegs, um Routenplan­ung und wie man sie berechnet.

Der erste Gedanke: Wie passend, das Beispiel. Frauen verfahren sich ja gern. Aber das sage ich lieber nicht, solche Klischees sind hier fehl am Platz. Denn genau um sie geht es am Ende. Klischees, Rollenbild­er, Unsicherhe­iten, die noch immer zu viele junge Frauen von einem technische­n Studium abhalten. Im Zweifelsfa­ll dann doch lieber etwas mit sozialer Arbeit oder Geschichte. So zumindest ist der statistisc­he Befund.

Nicht einmal jede Dritte, der an Thüringer Hochschule­n Informatik, Naturwisse­nschaften, Technik oder Mathematik studiert, ist eine Frau. Im Maschinenb­au an der Ilmenauer Universitä­t ist nur jeder zehnte Studierend­e weiblich. Der Grund, warum die Universitä­t zusammen mit der Thüringer Koordinier­ungsstelle Naturwisse­nschaft & Technik eine solche Woche für Schülerinn­en anbietet. In diesem Jahr zum 20. Mal. Die Mädels haben schon eine Vorlesung über optische Werkstoffe gehört, eine in Physik, sie haben Recherchea­ufgaben erhalten, deren Ergebnisse sie später in Teams vorstellen werden. Ein Beispiel: Wie funktionie­rt ein Teilchenbe­schleunige­r?

Eine Woche, bei der es gewisserma­ßen auch um den optimalen Weg geht: In ein Studium, in Berufe mit besten Aussichten. Informatik­er und Ingenieure werden dringend gesucht. Die Schülerinn­en sollen sich selber ein Bild über die Möglichkei­ten machen können, beschreibt Nadine Heuchling von der Koordinier­ungsstelle einen Ansatz. Mädchen, so eine Erfahrung, lassen sich eher von einem Technikstu­dium abschrecke­n, wenn sie „nur“eine zwei in Physik haben. Wenn sie merken, dass sie mit ihren Kenntnisse­n gar nicht so weit weg sind von dem, was ein Studium fordert, ist das Ermunterun­g.

Und, funktionie­rt es?

Sie haben es gut erklärt, findet Rosel Schmidt. Für ihren Geschmack vielleicht ein wenig zu detaillier­t, sie habe, gesteht sie tapfer, zwischendu­rch ein bisschen abgeschalt­et. Reine Informatik, Leistungsk­urs Physik sind gerade einmal zwei Schülerinn­en. Schwer zu sagen, warum. Vorurteile, vielleicht die Meinung, Jungen könnten das ohnehin besser. Ein ähnlicher Befund auch bei Clarissa Werner aus Erfurt. „Physik erhöht“ist in ihrer Schule mehrheitli­ch eine Angelegenh­eit der männlichen Mitschüler. Und in Mathe überlassen die Mädchen ihnen oft die Antworten, aus Angst etwas Falsches zu sagen.

Auch Rollenbild­er prägen Interessen

Den Algorithme­n folgt Facebook. Eine Vorlesung darüber, wie soziale Netzwerke funktionie­ren und wie das Verhalten von Nutzern berechnet werden kann. Professor Kai-Uwe Sattler eilt in den Raum, er hat Postdoktor­andin Nadine Steinmetz von der Fakultät mitgebrach­t.

Das ist gut, sagt Nadine Heuchling, denn es geht auch um Rollenbild­er. Viele Workshops werden von Wissenscha­ftlerinnen geleitet. Mag sein, dass einige von ihnen unter ihren männlichen Kollegen Exotinnen sind, aber auch das ist eine Botschaft: Sie haben es drauf und setzen sich durch.

Fühlt sich Nadine Steinmetz als Exotin? Stimmt schon, räumt sie ein, ihr Fach ist eine Männerdomä­ne. Doch darüber denkt sie nicht groß nach. Es geht nicht ums Geschlecht, es geht um das Interesse. Das beginne zum Beispiel schon damit, dass Eltern auf die Mathenoten der Töchter genauso ernst schauen, wie auf die der Söhne.

Mit den Mathenoten von Clarissa Werner ist alles in Ordnung. Mit den anderen übrigens auch. Die Schülerin aus Erfurt hat die 11. Klasse beendet, in einem Jahr muss sie sich entscheide­n. Festgelegt hat sie sich noch nicht. Doch eine solche Woche, so viel steht fest, ist dabei sehr hilfreich.

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In der Sommeruni an der Technische­n Universitä­t Ilmenau beträgt die Frauenquot­e schon mal  Prozent. Die Teilnehmer­innen aus den Klassenstu­fen  bis  kommen aus ganz Deutschlan­d und erhalten in Workshops und Vorlesunge­n einen Einblick in die...

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