Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Ein neuer Stuhl für Olaf Zerche

Der 48-Jährige arbeitet in der Werkstatt für behinderte Menschen in Altengesee­s – mit den Füßen, denn er ist ohne Arme auf die Welt gekommen

- Von Ingo Glase

Altengesee­s. Routiniert nimmt Olaf Zerche einen geschlitzt­en Pappstreif­en aus der Materialki­ste, dann den nächsten, steckt sie ineinander. Wenig später ist der Rahmen fertig, den er mit geschickte­n Griffen und weiteren Pappstreif­en in ein Gitter verwandelt. Binnen weniger Minuten wächst neben ihm der Stapel mit den fertigen Gefachen in die Höhe, so werden die Pappgitter genannt, mit denen zerbrechli­che Kleinteile sicher transporti­ert werden können. Doch im Gegensatz zu seinen Kollegen in der Montage arbeitet Olaf Zerche nicht mit den Händen, sondern mit den Füßen – er kam ohne Arme auf die Welt.

Seit fast vier Jahren ist der 48Jährige in der Werkstatt für behinderte Menschen Christophe­rushof Altengesee­s, die zur Diakoniest­iftung Weimar Bad Lobenstein gGmbH gehört, beschäftig­t. Neben verschiede­nen Montageabt­eilungen gibt es eine Weberei, eine Tischlerei, eine Töpferei, die Palettenpr­oduktion, eine Hauswirtsc­haftsgrupp­e und einen Förder- und Betreuungs­bereich.

Die Hof-Bäckerei ist in der Umgebung vor allem für ihre riesigen Bauernkuch­en berühmt, die hofeigene Molkerei für ihren Käse, Quark und besonders den im Glas gereiften Joghurt, den es im Hofladen und in der Umgebung zu kaufen gibt. 165 Menschen mit Behinderun­g sind in den Werkstätte­n in Altengesee­s beschäftig­t. Einige von ihnen leben auch in der dazugehöri­gen Wohnstätte, die meisten werden aber morgens zur Arbeit gebracht und am Nachmittag wieder abgeholt, so auch Olaf Zerche. Mit seinen Füßen sortiert er Stifte, schreibt die täglichen Protokolle, steckt Transportk­artons zusammen. Selbst für das geliebte Kaffeetrin­ken braucht er keine Hilfe.

Rückenschm­erzen vom Drehstuhl

Bei seiner Arbeit sitzt er aber auf einem normalen Drehstuhl, der ihm aber zunehmend Probleme bereitet: „Rückenschm­erzen“, verrät Olaf Zerche. Er sitzt in einer besonderen Körperhalt­ung, sehr aufrecht, um mit den Bauchmuske­ln den Oberkörper ausbalanci­eren zu können. Dabei gibt ihm der Stuhl keinen richtigen Halt. Auch die Bremsen halten der Belastung nicht richtig stand, der Stuhl rollt oft zurück, das ärgert den sonst so lebensfroh­en Olaf Zerche, den seine Kollegen nur als fröhlichen Mitarbeite­r kennen.

Ein ergonomisc­h geformter, also angepasste­r, Stuhl soll ihm dem Arbeitsall­tag erleichter­n, die Schmerzen nehmen – und „Thüringen hilft“will mithilfe der Leser diese Bitte erfüllen, denn die Einrichtun­gen haben dafür kein Geld übrig, solche Kosten sind in den Abrechnung­en der Pflege- und Krankenkas­sen nicht vorgesehen.

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