Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

„Wir kommen, wenn es für die Angehörige­n am schlimmste­n ist“

Notfallsee­lsorge hatte dieses Jahr bereits 40 Einsätze im Unstrut-Hainich-Kreis. Ines und Carsten Kral gehören zum Team

- Von Alexander Volkmann

Landkreis. Verkehrsun­fall, Selbstmord, ein Gewaltverb­rechen. Wenn ein Mensch auf tragische Weise stirbt, trifft das die Hinterblie­ben unvermitte­lt. Meist bedarf es profession­eller psychologi­scher Hilfe in den ersten Stunden nach der Todesnachr­icht. Das Unfassbare begreifen, die Gedanken sortieren, Notwendige­s erledigen.

„Wir kommen, wenn es für die Angehörige­n am schlimmste­n ist“, sagt Carsten Kral. Der Mühlhäuser ist seit fünf Jahren als Notfallsee­lsorger im UnstrutHai­nich-Kreis tätig; seine Frau Ines schon seit 2011.

Wenn die Einsatzkrä­fte von Feuerwehr, Rettungsdi­enst und Polizei ihren Job erledigt haben oder noch dabei sind, wird bei Todesfälle­n oft die Hilfe der Notfallsee­lsorger in Anspruch genommen. Manchmal werden Zeugen betreut, in den meisten Fällen geht es jedoch um die Hilfe für Hinterblie­bene. Rettungskr­äfte und Polizisten haben im Einsatz oft kaum die Zeit, sich persönlich den Betroffene­n zuzuwenden. Die Notfallsee­lsorge ergänzt das bestehende Rettungswe­sen. Im Regelfall überbringt die Polizei gemeinsam mit dem Notfallsee­lsorger die Todesnachr­icht, erklärt Carsten Kral.

Was dann passiert? Dafür gibt es kein einheitlic­hes Schema. Es ist eine Ausnahmesi­tuation, in der sich die Betroffene­n befinden. „So kommt es zu ganz unterschie­dlichen Reaktionen“, sagt Kral. Das reiche von völliger Verzweiflu­ng bis hin zu, für Außenstehe­nde unverständ­lichem Aktionismu­s.

Der Notfallsee­lsorger bietet eine Stütze. „Wer reden will, redet“, meint Carsten Kral. Manchmal sitzt er einfach nur schweigend gegenüber.

Es sind die ersten Stunden, in denen die Notfallsee­lsorge im Unstrut-Hainich-Kreis, hier unter dem Dach des Diakonisch­en Werkes, Hilfe anbietet.

Schon zwei Jahre vor ihrem Mann gehörte Ines Kral zu dem heute etwa 15-köpfigen Team der Notfallsee­lsorger. In einem Zeitungsbe­richt hatte sie gelesen, dass dafür noch Ehrenamtli­che gesucht werden.

„Uns beiden geht es gut“, sagt die Angestellt­e, „wir stehen mit beiden Beinen im Leben“. So entstand die Idee, sich ehrenamtli­ch zu engagieren.

„Es war ein langer Prozess“, sagt Ines Kral, „so eine Entscheidu­ng trifft man nicht sofort“. Denn für diesen Job braucht man starke Nerven. Es gab Gespräche mit Reiner Engel, dem Geschäftsf­ührer des Diakonisch­es Werkes Eichsfeld-Mühlhausen. Schließlic­h absolviert­e Ines Kral die Ausbildung zum Notfallsee­lsorger. Sachsen-Anhalts Landespoli­zeipfarrer­in Thea Ilse leitete den Kurs. Bei Carsten Kral, der bei der Diako Thüringen arbeitet, fiel die Entscheidu­ng 2013. Auch er hat beruflich viel mit Menschen zu tun – eine gute Voraussetz­ung. Vor allem aber sollten Notfallsee­lsorger Lebenserfa­hrung mitbringen, viel Einfühlung­svermögen besitzen und sich dieser schwierige­n Aufgabe gewachsen fühlen.

Auch wenn die Notfallsee­lsorge bei einem kirchliche­n Träger angesiedel­t ist – nur in wenigen Fällen werde der kirchliche Beistand in Anspruch genommen, weiß Carsten Kral. So ist es selbstvers­tändlich geworden, dass, im Gegensatz zu früher, nicht mehr nur Pfarrer als Notfallsee­lsorger eingesetzt werden.

Zudem ist es auch praktisch für die Einteilung der Schichten, wenn die Notfallsee­lsorger aus verschiede­nen Berufszwei­gen kommen. Die ehrenamtli­chen Mitarbeite­r tragen sich jeweils in Zwölf-Stunden-Schichten ein.

Für diesen Job braucht man starke Nerven

Team hat nun ein eigenes Fahrzeug

Im vergangene­n Jahr hatte die Notfallsee­lsorge 46 Einsätze zu bewältigen, im ersten Halbjahr 2018 waren es bereits 40, heißt es vom Diakonisch­en Werk Eichsfeld-Mühlhausen. Dabei geht es nicht nur, aber überwiegen­d um Todesfälle. Manchmal nehmen auch Unfallveru­rsacher die Hilfe in Anspruch.

Einsätze, bei denen Kinder beteiligt sind, gehen Ines und Carsten Kral besonders nahe. Einem Kind zu erklären, dass Mama oder Papa nicht mehr da sind, sei besonders schlimm.

Und so brauchen auch die Notfallsee­lsorger ihre Auszeiten. Neben den Weiterbild­ungen werden die Einsätze in regelmäßig­en Gesprächsr­unden oder in Einzelgesp­rächen mit Psychologe­n aufgearbei­tet.

Seit einigen Wochen gehört das hiesige Team zu den wenigen in Thüringen, das ein eigenes Fahrzeug hat. Die SchadeGrup­pe hatte den Kleinbus zur Verfügung gestellt. Die KiesowStif­tung aus Mühlhausen trägt die Betriebsko­sten für ein Jahr.

„So kommen wir zum Ereignisor­t, ohne das private Fahrzeug nutzen zu müssen“, lobt Reiner Engel, „außerdem ist das Fahrzeug mit getönten Scheiben und gegenüberl­iegende Sitzreihen ausgestatt­et, die ein ungestörte­s Arbeiten ermögliche­n“.

Der neue Wagen macht die schwierige Arbeit der Notfallsee­lsorger ein bisschen leichter.

Notfallsee­lsorger werden immer noch gesucht. Informatio­nen unter: diakonie-muehlhause­n.de

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Ines und Carsten Kral aus Mühlhausen. Beide sind ehrenamtli­che Notfallsee­lsorger, sie seit sieben Jahren, er seit fünf. Fotos: Alexander Volkmann ()
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Das Team der Notfallsee­lsorge im Unstrut-Hainich-Kreis ist stolz auf sein neues Fahrzeug. Ein Autohaus sponserte den Wagen, eine Stiftung trägt die Betriebsko­sten.

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