Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
„Wir kommen, wenn es für die Angehörigen am schlimmsten ist“
Notfallseelsorge hatte dieses Jahr bereits 40 Einsätze im Unstrut-Hainich-Kreis. Ines und Carsten Kral gehören zum Team
Landkreis. Verkehrsunfall, Selbstmord, ein Gewaltverbrechen. Wenn ein Mensch auf tragische Weise stirbt, trifft das die Hinterblieben unvermittelt. Meist bedarf es professioneller psychologischer Hilfe in den ersten Stunden nach der Todesnachricht. Das Unfassbare begreifen, die Gedanken sortieren, Notwendiges erledigen.
„Wir kommen, wenn es für die Angehörigen am schlimmsten ist“, sagt Carsten Kral. Der Mühlhäuser ist seit fünf Jahren als Notfallseelsorger im UnstrutHainich-Kreis tätig; seine Frau Ines schon seit 2011.
Wenn die Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei ihren Job erledigt haben oder noch dabei sind, wird bei Todesfällen oft die Hilfe der Notfallseelsorger in Anspruch genommen. Manchmal werden Zeugen betreut, in den meisten Fällen geht es jedoch um die Hilfe für Hinterbliebene. Rettungskräfte und Polizisten haben im Einsatz oft kaum die Zeit, sich persönlich den Betroffenen zuzuwenden. Die Notfallseelsorge ergänzt das bestehende Rettungswesen. Im Regelfall überbringt die Polizei gemeinsam mit dem Notfallseelsorger die Todesnachricht, erklärt Carsten Kral.
Was dann passiert? Dafür gibt es kein einheitliches Schema. Es ist eine Ausnahmesituation, in der sich die Betroffenen befinden. „So kommt es zu ganz unterschiedlichen Reaktionen“, sagt Kral. Das reiche von völliger Verzweiflung bis hin zu, für Außenstehende unverständlichem Aktionismus.
Der Notfallseelsorger bietet eine Stütze. „Wer reden will, redet“, meint Carsten Kral. Manchmal sitzt er einfach nur schweigend gegenüber.
Es sind die ersten Stunden, in denen die Notfallseelsorge im Unstrut-Hainich-Kreis, hier unter dem Dach des Diakonischen Werkes, Hilfe anbietet.
Schon zwei Jahre vor ihrem Mann gehörte Ines Kral zu dem heute etwa 15-köpfigen Team der Notfallseelsorger. In einem Zeitungsbericht hatte sie gelesen, dass dafür noch Ehrenamtliche gesucht werden.
„Uns beiden geht es gut“, sagt die Angestellte, „wir stehen mit beiden Beinen im Leben“. So entstand die Idee, sich ehrenamtlich zu engagieren.
„Es war ein langer Prozess“, sagt Ines Kral, „so eine Entscheidung trifft man nicht sofort“. Denn für diesen Job braucht man starke Nerven. Es gab Gespräche mit Reiner Engel, dem Geschäftsführer des Diakonisches Werkes Eichsfeld-Mühlhausen. Schließlich absolvierte Ines Kral die Ausbildung zum Notfallseelsorger. Sachsen-Anhalts Landespolizeipfarrerin Thea Ilse leitete den Kurs. Bei Carsten Kral, der bei der Diako Thüringen arbeitet, fiel die Entscheidung 2013. Auch er hat beruflich viel mit Menschen zu tun – eine gute Voraussetzung. Vor allem aber sollten Notfallseelsorger Lebenserfahrung mitbringen, viel Einfühlungsvermögen besitzen und sich dieser schwierigen Aufgabe gewachsen fühlen.
Auch wenn die Notfallseelsorge bei einem kirchlichen Träger angesiedelt ist – nur in wenigen Fällen werde der kirchliche Beistand in Anspruch genommen, weiß Carsten Kral. So ist es selbstverständlich geworden, dass, im Gegensatz zu früher, nicht mehr nur Pfarrer als Notfallseelsorger eingesetzt werden.
Zudem ist es auch praktisch für die Einteilung der Schichten, wenn die Notfallseelsorger aus verschiedenen Berufszweigen kommen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter tragen sich jeweils in Zwölf-Stunden-Schichten ein.
Für diesen Job braucht man starke Nerven
Team hat nun ein eigenes Fahrzeug
Im vergangenen Jahr hatte die Notfallseelsorge 46 Einsätze zu bewältigen, im ersten Halbjahr 2018 waren es bereits 40, heißt es vom Diakonischen Werk Eichsfeld-Mühlhausen. Dabei geht es nicht nur, aber überwiegend um Todesfälle. Manchmal nehmen auch Unfallverursacher die Hilfe in Anspruch.
Einsätze, bei denen Kinder beteiligt sind, gehen Ines und Carsten Kral besonders nahe. Einem Kind zu erklären, dass Mama oder Papa nicht mehr da sind, sei besonders schlimm.
Und so brauchen auch die Notfallseelsorger ihre Auszeiten. Neben den Weiterbildungen werden die Einsätze in regelmäßigen Gesprächsrunden oder in Einzelgesprächen mit Psychologen aufgearbeitet.
Seit einigen Wochen gehört das hiesige Team zu den wenigen in Thüringen, das ein eigenes Fahrzeug hat. Die SchadeGruppe hatte den Kleinbus zur Verfügung gestellt. Die KiesowStiftung aus Mühlhausen trägt die Betriebskosten für ein Jahr.
„So kommen wir zum Ereignisort, ohne das private Fahrzeug nutzen zu müssen“, lobt Reiner Engel, „außerdem ist das Fahrzeug mit getönten Scheiben und gegenüberliegende Sitzreihen ausgestattet, die ein ungestörtes Arbeiten ermöglichen“.
Der neue Wagen macht die schwierige Arbeit der Notfallseelsorger ein bisschen leichter.
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Notfallseelsorger werden immer noch gesucht. Informationen unter: diakonie-muehlhausen.de