Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Forscher warnt: Wasserqual­ität der Quellen verschlech­tert sich von Jahr zu Jahr

Biotope im Dreiländer­eck von Hessen, Bayern und Thüringen werden zunehmend belastet. Stefan Zaenker hat die Ursachen erforscht

- Von Jörn Perske

Fulda. Stefan Zaenker kniet sich neben die wohl bekanntest­e aller Quellen in der Rhön. An der Fulda-Quelle nahe der Wasserkupp­e – Hessens höchster Berg – nimmt er eine Wasserprob­e zur Untersuchu­ng. „Daran lässt sich ablesen, welche Qualität das Grundwasse­r hat, das die Bevölkerun­g später trinkt“, erklärt der Quellenfor­scher. „In der Rhön ist die Qualität der Quellen derzeit noch besonders gut. Doch sie sind vor allem durch Düngemitte­l der Landwirtsc­haft stark gefährdet. Schadstoff­e sickern in den Boden und belasten das Grundwasse­r. Das gibt Anlass zur Sorge“, erklärt der Forscher, der sich mit seinem Team und einem Netzwerk in den Nachbarlän­dern um die Quellen im Dreiländer­eck von Hessen, Thüringen und Bayern kümmert.

Das Thema Wasserqual­ität treibt derzeit verschiede­ne Akteure um. Auen und Gewässer zählen zu den bedrohten Lebensräum­en in Deutschlan­d. Der WWF warnt: „Deutschlan­d hinkt beim Gewässersc­hutz hinterher“, sagt ein Sprecher. „Quecksilbe­r, Nitrat oder Infrastruk­turprojekt­e setzen den deutschen Flüssen, Seen und Grundwasse­rvorkommen zu.“

Das Bundesumwe­ltminister­ium teilte im April mit, dass die wenigsten Flüsse und Bäche hierzuland­e ökologisch in gutem Zustand seien. In 93 Prozent der Fließgewäs­ser leben nicht mehr die Gemeinscha­ften aus Fischen, Pflanzen und Kleintiere­n, die man dort eigentlich vorfinden müsste, wie das Ministeriu­m auf eine Anfrage der Grünen schrieb.

Wenn Zaenker Quellen überprüft, achtet er auf viele Dinge. Die Temperatur des Wassers ist wichtig, der pH-Wert und auch die Pflanzen, die in der Nähe wachsen, geben Hinweise. Mit einem Minikesche­r sucht er auch nach kleinsten Tierchen. „Es klingt vielleicht paradox: Aber je mehr Tiere in dem feinen Netz hängenblei­ben, desto besser ist das Wasser.“Wenn sich etwa der 1,5 Zentimeter große Alpenstrud­elwurm darin wiederfind­et, ist Zaenker zufrieden. „Das bedeutet: Das Wasser ist 1a in Ordnung.“

Der Alpenstrud­elwurm, der nicht nur in den Alpen, sondern auch in den Hochlagen der Mittelgebi­rge vorkommt, ist nämlich anspruchsv­oll. Er ist eine sogenannte Indikator-Art für gutes Wasser. Aber auch der Alpenstrud­elwurm wird seltener in der Rhön, wie Zaenker beobachtet.

Zaenker untersucht seit 1996 Quellen in der Rhön. „Das ist Grundlagen­forschung. Das Wichtigste ist zunächst einmal, die Quellen überhaupt aufzuspüre­n, in Karten einzutrage­n und zu dokumentie­ren. Denn: Nur was wir kennen, können wir auch schützen“, erklärt er. Wenn sich dann bei Untersuchu­ngen zeigt, dass eine Quelle in keinem guten Zustand ist, kann er Verbesseru­ngen vorschlage­n; zum Beispiel durch Renaturier­ung.

In Thüringen gibt es 541 Quellen

Einige Quellen in der Rhön sind gefasst. Das bedeutet: Sie fließen durch kleine Bauwerke mit Quellkamme­r und Leitungen, wie an der Quelle in Gersfeld. Zaenker rät Wanderern, die dort ihre Trinkflasc­hen füllen: Besser die Finger davon lassen.

Zaenker gibt auch Forstwirte­n Hinweise, wo sich Quellen in ihren Gebieten befinden. „Das ist wichtig, damit beim Holzabtran­sport keine aus dem Boden sprießende­n mit Fahrzeugen beschädigt werden“, erklärt er. Sein Engagement und das seiner freiwillig­en Helfer hat sich bereits gelohnt. Denn die Hohe Rhön gilt als die Region in Hessen mit den saubersten Quellen. Daneben zu nennen seien noch der Kellerwald in Nordhessen und der Hohe Vogelsberg, sagt Zaenker.

Im benachbart­en Bayern sind Bischofshe­im und Oberelsbac­h beispielsw­eise besonders quellenrei­ch, in Thüringen sind es Oberweid, Geisa und Empfertsha­usen. Die hessische Rhön ist aber weitaus quellenrei­cher, mehr als 2200 kartierte Biotope wurden bereits entdeckt. „Das liegt zum einen an den vermehrten Niederschl­ägen in der Rhön. In den Höhenlagen regnen sich die von West kommenden Wolken aus“, erklärt Zaenker. Es liegt aber auch am Untergrund mit Sandstein und Basalt. In Bayern und Thüringen ist vor allem Muschelkal­k anzutreffe­n. Deswegen wurden in Bayern (475 Quellen) und Thüringen (541) bislang auch weniger Quellen festgestel­lt.

Quellen sind auch ein Refugium für die Fauna. 2157 Tierarten wurden in den Rhöner Quellen bereits nachgewies­en, wie Zaenker beziffert. Einige davon seien weltweit einzigarti­g, zum Beispiel die Rhön-Quellschne­cke. Sie ist nur zwei Millimeter groß. Mit der auf der Roten Liste der bedrohten Arten aufgeführt­en Schnecke verhält es sich ähnlich wie mit dem Alpenstrud­elwurm: Wo sie sich aufhält, ist das Wasser gut.

Dank Zaenker und seinem Team von Ehrenamtli­chen sowie seine Kollegen in Bayern und Thüringen hat sich die Rhön zu einem Gebiet mit Vorzeige-Charakter entwickelt. „Nirgendwo in Europa sind Quellen so gut erfasst wie in der Rhön. Das haben uns internatio­nale Experten bestätigt“, sagte Torsten Raab, Leiter der hessischen Verwaltung­sstelle Rhön. Dieser Status sei der akribische­n Arbeit zu verdanken.

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Quellenfor­scher Stefan Zaenker hockt an der Fulda-Quelle in Gersfeld und nimmt mit einem Behältnis eine Wasserprob­e. Später wird diese dann unter einem Mikroskop untersucht und die Qualität bestimmt. Fotos: Jörn Perske

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