Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Chinesisch­er Büffel tritt gegen deutsche Schwalbe an

Börsengang für elektrisch­es Kleinkraft­rad aus hiesiger Produktion ist verschoben

- Von Carsten Hoefer

München. Eine Million „Schwalben“wurden in der DDR gebaut – bis heute hat das Kleinkraft­rad viele Fans in Ost und West. Das Münchner Startup Govecs hoffte mit seiner elektrisch­en Neuauflage der „Schwalbe“auf einen Höhenflug an der Börse. Doch das hat nicht geklappt.

Knapp drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall sollte die „Schwalbe“zu einem neuen Höhenflug ansetzen – doch der ist vorerst ausgeblieb­en. Das Münchner Start-up Govecs wollte an diesem Dienstag mit einer elektrisch­en Neuauflage des ehedem in Millionens­tückzahl produziert­en DDR-Kleinkraft­rads an die Börse gehen. Doch die Nachfrage hielt sich ganz offensicht­lich in Grenzen. Der Börsengang ist nun wegen des „schwierige­n Marktumfel­ds“auf unbestimmt­e Zeit verschoben.

Flügel verleihen sollen dem E-Moped im sozialisti­schen Retro-Design zwei synchrone Trends: Fachleute prophezeie­n dem Fahrzeug-Sharing aller Arten hohe Wachstumsr­aten – ob zwei- oder vierrädrig. Die BMW-Tochter „DriveNow“etwa geht davon aus, dass in zehn Jahren etwa ein Drittel aller Autofahrte­n in Deutschlan­d mit Carsharing-Wagen zurückgele­gt werden wird. Und abgesehen vom Sharing-Trend erfreuen sich Elektrorol­ler generell steigender Beliebthei­t.

„Der Zweiradmar­kt wächst“, sagt Govecs-Chef Thomas Grübel. „Der Trend hat ganz klar mit der Urbanisier­ung zu tun.“Bei Benzinroll­ern gebe es in der EU ein jährliches Wachstum der Zulassungs­zahlen von sieben Prozent. „Bei Elektrorol­lern sind es mehr als 70 Prozent, wenn auch von einer wesentlich niedrigere­n Basis aus.“

Doch der Wettbewerb ist hart – und die Konkurrenz sehr viel umsatzstär­ker: Ein ehrgeizige­r Konkurrent der Schwalbe ist der Büffel, so die deutsche Übersetzun­g des chinesisch­en Wortes „Niu“. Der gleichnami­ge Elektrorol­ler-Hersteller aus der Volksrepub­lik ist seit Kurzem im US-Index Nasdaq gelistet und hat nach eigenen Angaben auf seinem Heimatmark­t bereits mehr als 300.000 Exemplare verkauft, nun will Niu Europa erobern. Der für das internatio­nale Geschäft zuständige Manager Joseph Constanty kündigte im Sommer an, bis Jahresende mehr als acht europäisch­e Sharing-Anbieter beliefern zu wollen.

Wie andere chinesisch­e Unternehme­n auch hat Niu den Vorteil eines riesigen Heimatmark­ts, der entspreche­nde Verkaufsza­hlen und Finanzkraf­t mit sich bringt. Und mittlerwei­le ist auch Europas größter Zweiradher­steller in das E-Geschäft eingestieg­en: Die italienisc­he Piaggio-Gruppe startete im September die Produktion der Vespa Elettrica, online kann der E-Roller aus der Stadt Pisa bereits vorbestell­t werden. Dem Verkaufsst­art in Europa sollen 2019 die USA folgen.

Neben den großen Konkurrent­en tummelt sich noch eine ganze Reihe von Junguntern­ehmen auf dem Markt für E-Roller. Darunter ist die Berliner Firma Unu, die in China produziere­n lässt.

Auch wenn der Markt noch sehr klein ist, scheint Schnelligk­eit also geboten. Dementspre­chend will Govecs-Chef Grübel die Produktion erhöhen: „Wir haben im vergangene­n Jahr circa 3000 Fahrzeuge verkauft, in diesem Jahr erwarten wir circa 4200 und im kommenden Jahr rechnen wir mit circa 9000“, sagt der Manager.

Produziert wird die E-Schwalbe nicht in Deutschlan­d, sondern in Polen und in Kooperatio­n mit einem spanischen Hersteller, der Motor stammt von Bosch. Höchstgesc­hwindigkei­t sind 45 Kilometer pro Stunde, mit einer Akkuladung kommt die Schwalbe laut Govecs 63 Kilometer weit. Der Börsengang sollte das Geld für eine neue Fabrik in Polen bringen. Abnehmer sind bislang vor allem Sharing-Firmen, die in großen Städten Mietroller anbieten. Bisher sei Govecs hauptsächl­ich ein B2B-Unternehme­n, verkaufe also vornehmlic­h an andere Firmen. „Aber der Anteil der Privatkund­en steigt“, sagt Grübel.

Die Zulassungs­zahlen elektrisch­er Zweiräder in Europa zeigen jedenfalls einen rasanten Aufwärtstr­end. Nach den Daten des europäisch­en Motorradhe­rstellerve­rbands ACEM wurden in der EU im ersten Halbjahr 14 150 Elektromop­eds neu angemeldet. Der prozentual­e Zuwachs war in allen großen EULändern zweistelli­g. Doch im Vergleich zu China ist Europa ein Winzlingsm­arkt für elektrisch­e Roller. Dort wird jedes Jahr eine zweistelli­ge Millionenz­ahl verkauft, die meisten davon allerdings billige Einsteiger­modelle mit schwächlic­hem Motor. Abgeblasen hat Govecs die Börsenplän­e nach eigenen Angaben nicht, nur verschoben: „Wir werden den Markt beobachten“, sagt ein Sprecher. (dpa)

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Ein Elektro-Roller der Marke „Schwalbe“kann auch per App gemietet werden. Foto: Stephan Jansen, dpa

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