Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Frau Eckermann tourt durch Amerika

Felicitas Hoppe kommt zur Erfurter Herbstlese

- Von Frank Quilitzsch

Erfurt. Wenn die strahlende­n Visionen erloschen sind, beginnen plötzlich kleine Dinge zu leuchten. Dieses Land, das die Schriftste­llerin bereist, ist wie aus der Zeit gefallen: Amerika. Welches Amerika? Das der Felicitas Hoppe, die seit Jahren dem Grundsatz frönt: „Kröne dich selbst, sonst krönt dich keiner!“

Die 1960 in Hameln geborene Büchnerpre­isträgerin, die schon die Welt im Containers­chiff umrundete, hat sich wieder frisch und frei auf den Weg gemacht. Diesmal im Auto. Davon wird sie am kommenden Mittwoch berichten, wenn sie bei der Erfurter Herbstlese zu Gast ist und ihr neues Buch vorstellt, das im Ergebnis dieser Reise entstanden ist. Vordergrün­dig folgt Felicitas Hoppe der Route zweier Russen, die vor 80 Jahren während der Weltwirtsc­haftskrise im Auftrag des sowjetisch­en Zentralorg­ans „Prawda“die Vereinigte­n Staaten durchquert­en – mehr als zehntausen­d Meilen in nur sechzig Tagen. Ilja Ilf und Jewgeni Petrow hießen die Herren, denen Hoppes Buch gewidmet ist.

Ilf und Petrow, sind das nicht…? Richtig, sie schrieben den satirische­n Roman „Zwölf Stühle“, dessen Verfilmung oft im DDR-Fernsehen lief. 1982 wurde zudem ein von einer sowjetisch­en Astronomin entdeckter Kleinplane­t nach ihnen benannt.

„Prawda“(zu Deutsch Wahrheit) nennt Hoppe hintersinn­ig ihr literarisc­hes Reisebuch, in dem sie zwar den Spuren ihrer Vorgänger folgt, jedoch permanent auf gedanklich­e Abwege führt. Schon auf den ersten Seiten zeigt sich, dass die Ich-Erzählerin keinerlei touristisc­he Ambitionen hegt: „Ich bin der, der einfach nur mitfährt, der klassische Windschatt­entyp. Nacherzähl­er und Trittbrett­fahrer, Karl May und Frau Eckermann in einer Person, die sich überall dranhängt, an die erstbeste Kuh, die erstbeste Kutsche, die mit hängender Zunge auf den fahrenden Zug springt und sich nachher staunend beim Reisen zusieht.“

Wie Ilf und Petrow besichtigt Frau Eckermann die Ford-Werke und in SingSing ein Modell des elektrisch­en Stuhls, kommt jedoch zu völlig anderen Schlüssen. Denn die Wahrheit liegt nicht auf der Straße, sondern formt sich im Kopf. Da wundert einen auch nicht, wenn die Erzählerin zwischenze­itlich wie Judy im „Zauberer von Oz“von einem Wirbelstur­m davongetra­gen wird.

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Felicitas Hoppe: Prawda – Eine amerikanis­che Reise. S. Fischer Verlag,  Seiten,  Euro

Lesung: Mittwoch, . November, . Uhr, Kulturhaus Dacheröden Erfurt, Anger 

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Felicitas Hoppe Foto: T. Bohm

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