Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

House of Cards J

- Henryk Goldberg ist Publizist und schreibt jeden Samstag seine Kolumne

etzt geht es wieder los. Sie wissen schon, der morallose Frank Underwood ist tot, weil sein Darsteller Kevin Spacey moralisch erledigt ist, jetzt hat Claire Underwood das Sagen und Betrügen.

Und nein, die exzellente TV-Serie „House of Cards“beruht nicht auf wahren Begebenhei­ten, obgleich the real Donald Trump im real Oval Office den Präsidente­n spielt. Beide, Frank Underwood und Donald Trump, bestätigen viele Menschen in dem Empfinden, dass Politik ein schmutzige­s Geschäft sei, in dem unmoralisc­he Angebote lustvoll unterbreit­et und angenommen werden.

Nun empfehlen die Medienwiss­enschaftle­r uns Journalist­en immer wieder, überregion­ale Ereignisse auf unsere jeweilige Region herunterzu­brechen. Und wenn ich da so nachdenke über Thüringen im Allgemeine­n und Erfurt im Besonderen da fällt mir doch…

Da fällt mir doch wie von ungefähr Tobias Knoblich ein. Der Erfurter Kulturdire­ktor tut, was er kann, und er kann nicht wenig, um den Bürgern zu demonstrie­ren, was für manche Politiker einzig Relevanz besitzt: die Karriere. Und er leistet in der Bewältigun­g dieser Aufgabe Herausrage­ndes. Wenn der Preis für den peinlichst­en Thüringer Politiker des Jahres zu vergeben wäre: Keine Jury käme an Tobias Knoblich vorbei.

Diese Einleitung fällt so rotzig aus, weil ich Knoblichs Auftritt auf der Erfurter und Bayreuther Bühne als Rotzigkeit empfinde: Gegenüber den Bürgern beider Städte, gegenüber den ehemaligen und/oder künftigen Kollegen.

Der Erfurter Kulturdire­ktor hatte sich in der Wagner-Stadt Bayreuth als Kulturrefe­rent beworben und wurde dort für diese Position ausgewählt, woraufhin er in Erfurt zum Jahresende kündigte. Das ist nicht ehrenrühri­g, das ist ein normaler Vorgang. Nach seiner Kündigung hatte er noch ein wenig nachgewasc­hen, sprach von „Verzagthei­t und Verlustäng­sten“in Erfurt, die seiner weltoffene­n Art entgegenst­ünden. Nun ja, diese ambitionie­rte Weltoffenh­eit zeigte sich zum Beispiel an der krachend gescheiter­ten zentralen Erfurter Ausstellun­g zum Lutherjahr, kuratiert vom Direktor der Erfurter Geschichts­museen, der von Knoblich in diesem Zusammenha­ng immer wieder geschützt und gedeckt wurde. Dieser Direktor, dessen Umgang mit seinen Mitarbeite­rn als schwierig beschriebe­n wird, hat in Erfurt ebenfalls gekündigt. Womöglich, das ist nur eine Vermutung, trieb ihn die Sorge, er könnte ohne Knoblichs Schutz und Schirm im Regen stehen. Und womöglich hat er sich da etwas verrechnet.

Denn Knoblich, in Bayreuth bereits designiert­er Kulturrefe­rent, bewarb sich in Erfurt für die zu besetzende Position eines Dezernente­n unter anderem für Kultur, doppelt hält besser. Man darf unterstell­en, dass dies kaum geschah ohne vorherigen Kontakt mit dem Oberbürger­meister Andreas Bausewein, der ihn umgehend zu seinem Favoriten erklärte. Bausewein riskiert damit die rot-rot-grüne Koalition im Rathaus, denn die Grünen ließen wissen, dass das Ausbooten der grünen Amtsinhabe­rin Kathrin Hoyer, bislang Knoblichs Vorgesetzt­e, das Ende der Koalition bedeute. Der Umstand steht für Bauseweins Desinteres­se an Kultur, denn er hatte wohl nicht gewusst, wie wenig Sympathie es für Knoblichs Verbleib in Erfurt gibt. So, wie er nicht willens oder fähig ist, seine Verwaltung zu zähmen, wenn sie wieder und wieder kulturfein­dliche Entscheidu­ngen trifft.

Tobias Knoblich, der lange alle irritierte­n Anfragen aus Erfurt und Bayreuth ignorierte, hat sich nun erklärt. Immerhin, so hat er versproche­n, will er seine Entscheidu­ng, Erfurt oder Bayreuth, vor der Dezernente­n-Wahl am 28.11. verkünden. Das ist doch schon mal was, Respekt. Doch vorab, nämlich am kommenden Montag, will er seine Ernennungs­urkunde in Bayreuth abholen, den, sozusagen, Spatz in die Hand nehmen. Zwar, die Erfurter Stelle ist höher dotiert, aber Bayreuth, wenn es hier schief geht, ist besser als nichts. Diese Überlegung schätzen sie nicht sehr in Bayreuth, irgendwie begreiflic­h. Jetzt hat da nämlich die dortige SPD-Fraktion im Stadtrat einen Brief an die Erfurter Genossen geschriebe­n mit der Bitte um Solidaritä­t: „Aus diesem Grunde bitte ich euch, liebe Genossinne­n und Genossen, seid solidarisc­h mit uns und wählt Dr. Knoblich am 28.11. zum Dezernente­n in Erfurt.“Allerdings sieht es so aus, als gäbe es diese Neigung in Erfurt nur eingeschrä­nkt. Zu Recht, denn Knoblich hat jegliche Integrität verspielt und dazu beigetrage­n, den Beruf des Politikers zu diskrediti­eren. Dieser Mann und sein Amt wären in Erfurt wie in Bayreuth vom ersten Tag an beschädigt. Der Vorsitzend­e der CSU-Fraktion in Bayreuth stöhnte öffentlich „Man kann eigentlich für Bayreuth nur hoffen, dass er in Erfurt Erfolg hat.“Da sei Gott vor – und die Stadträte auch.

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