Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

„Den großen Max wollte ich nie machen“

Horst Hrubesch, Bundestrai­ner der deutschen Fußballfra­uen, über das Länderspie­l in Erfurt und seinen Abschied vom DFB

- Von Axel Eger

Erfurt. Das Steigerwal­dstadion erlebt ein doppeltes Finale. Das Länderspie­l der deutschen Fußballfra­uen am Dienstag gegen Spanien ist nicht nur das letzte der Nationalma­nnschaft in diesem Jahr, sondern auch das letzte unter der Leitung von Horst Hrubesch. Exakt acht Monate nach seiner Ernennung zum Interims-Bundestrai­ner nimmt der 67-Jährige Abschied vom DFB, den er am Jahresende nach fast 20 Jahren in Richtung Ruhestand verlässt.

Verspüren Sie Wehmut?

Ach, was heißt Wehmut? Nein. Ich freu mich drauf. Es war eine tolle Zeit, die ich nicht missen möchte. Und es wird ja sportlich noch mal ein Super-Test, schon mit Blick auf die WM 2019. Um zu sehen, wo wir stehen. Darum geht es. Ich glaube, das wird eine gute Geschichte in Erfurt.

Ein Sieg wäre das schönste Abschiedsg­eschenk…

Klar. Die Mannschaft hat die Qualität. Aber Spanien wird ein Gegner sein, der absolut auf Augenhöhe ist. Beide Teams lieben den offensiven Fußball. Und da wird es um die Frage gehen: Wer kann sein Spiel durchsetze­n?

Welche Rolle wird der deutsche Frauenfußb­all im nächsten Jahr einnehmen?

Ich denke, dass wir wieder in der Weltspitze mitspielen. Ob es für ganz vorn reicht, muss man sehen. Da gehört auch das Glück dazu. Und es hängt davon ab, wie sich die Mannschaft entwickelt, denn ein gewisser Umbruch ist da. Auch mit Martina Voss-Tecklenbur­g, meiner Nachfolger­in, wird sicher noch einiges im Umfeld passieren. Von der Talentförd­erung bis hin zur Spitze werden wir noch einmal alles hinterfrag­en. Sehen, wo wir noch optimieren können.

Ihr letztes Spiel findet sozusagen in der fußballeri­schen Provinz statt. Müsste der große Fußball da nicht viel öfter hin? Heute muss man ja immer Stadien haben mit Sicherheit­svorkehrun­gen. Dass du einfach losgehst, eine Barriere hast und 5000 Zuschauer auf dem Lande, das funktionie­rt inzwischen nur noch mit der U14 oder U16. Das finde ich schade. Aber ich sehe Erfurt nicht als Provinz.

Was nehmen Sie persönlich mit in den Ruhestand nach so vielen Jahren Fußball?

Was heißt schon Ruhestand? Ich spiele seit meinem fünften Lebensjahr Fußball. War Spieler, Trainer und habe auch noch einen Beruf gelernt. Doch der Fußball hat das Leben komplett ausgefüllt, zusammen mit der Familie. Und es hat immer Spaß gemacht. Das wird auch künftig so sein. Ich bin ein Typ, der gerne in Bewegung ist. Ich werde sicher zur WM nach Frankreich reisen, keine Frage. Diese letzte Zeit bei den Frauen hat mir noch einmal gezeigt, wie schön der Fußball ist. Was gerade dort für eine Ehrlichkei­t drin steckt.

Als Sie vor acht Monaten bei den Frauen antraten: Mussten Sie sich sehr umstellen?

Das war für mich noch einmal absolutes Neuland. Und da muss ich den Mädels ein Kompliment machen. Die Art, wie sie mit mir umgegangen sind, war überragend. Es hat alles gepasst, auch zwischenme­nschlich. Und alle haben mitgeholfe­n. Das hat es mir leicht gemacht, einen Weg zu finden. Was mich vor allem freut: Ich traf auf eine Mannschaft, die offen ist. Die auf die Menschen zugeht. Die auch neben dem Platz hinguckt, was in der Welt passiert.

Welches ist Ihre Maxime als Trainer, Ihr Stil, Ihr Rezept?

Im Fußball habe ich gelernt, dass man alles nur gemeinsam erreichen kann. Und so habe ich auch meinen Job gesehen. Den großen Max wollte ich nie machen. Ich habe immer viel von den Leuten mitgenomme­n, die in meinem Stab waren, habe andere Meinungen zugelassen. Und ich habe die Spieler nach ihren Vorstellun­gen gefragt. Waren sie nicht mit meinen identisch, haben wir versucht, einen Weg zu finden. Das hat eigentlich immer gefruchtet. Auch wenn es länger gedauert hat – der Weg war dann befestigt.

Worauf legen Sie Wert?

Am wichtigste­n ist es, ehrlich miteinande­r umzugehen, den Mund aufzumache­n. Auch wenn es privat Probleme gibt. Dann versuche ich, auch da zu helfen.

Wer waren Ihre Vorbilder? Man fängt ja nicht bei den Fußballern an. Vorgelebt kriegst du es zu Hause in der Familie. Meine Mutter hat fünf Kinder großgezoge­n. Und als ältestes von fünf Geschwiste­rn steht man früh in der Verantwort­ung. Das hat mich geprägt. Meine Mutter wird demnächst 90. Wenn ich sehe, was sie in ihrem Leben geleistet hat, ist das aller Ehren wert.

Und im Fußball?

Ich hatte das Glück, viele Menschen an meiner Seite zu haben, die mir geholfen haben. Ich arbeite jetzt 15 Jahre mit Thomas Nörenberg zusammen, meinem Co-Trainer. Da habe ich immer Probleme mit dem Titel Co. Ich sehe uns als gleichbere­chtigte Partner. Das erwarte ich auch von meinem Team. Ich brauche keine Leute, die mitlaufen, sondern welche, die mitmachen. Das bringt auch mich weiter.

Was ist mit den Exzentrike­rn? Genau diese anderen Typen haben auch eine andere Denkweise. Dann muss man schauen, ob sie nicht Recht haben und es der Mannschaft sogar hilft. Darum geht es, so etwas zuzulassen und mitzunehme­n, was wichtig ist.

Was Sie angepackt haben, war immer eine Erfolgsges­chichte: die U21, die Olympiaaus­wahl, jetzt die Frauenmann­schaft. Vielleicht hat der liebe Gott ja gedacht, dass ich ein bisschen Glück verdient habe. Im Ernst: Mein größter Vorteil war, glaube ich, dass ich immer wieder zugehört habe. Dass ich mich habe belehren lassen. Aber auch sagen konnte, das tue ich, das lasse ich. Und Entscheidu­ngen getroffen habe. Es ist wie im Leben: Man muss den Weg finden zwischen Risiko und Bewährtem.

Wie haben Sie die Debatten um das WM-Aus der deutschen Elf in Russland erlebt? Auch andere Verbände haben solche Täler durchschri­tten. Ich denke nur an die Franzosen oder Engländer. Und alles richtig machen auch wir nicht immer. Deshalb ist es ganz gut, dass man wieder mal angeregt wird, Dinge zu korrigiere­n. Der Umbruch ist ja eingeleite­t. Sieht man die jungen Gnabry, Brandt oder Süle, sollten wir bald wieder eine Elf haben, die stabile Leistung zeigt.

Hätte Sie der Job von Joachim Löw mal gereizt?

Nein.

Wenn der DFB morgen anruft? Auch dann nicht. Die Lösung, mit dieser Mannschaft weiterzuar­beiten, ist der richtige Weg.

Wie sehr leiden Sie eigentlich mit Ihrem HSV?

Wenig. Weil ich das nur mit einem Auge verfolgt habe. Nun ist wieder ein neuer Trainer da. So wie es aussieht, wird der Weg steinig und schwer.

Deutschlan­d – Spanien, Dienstag  Uhr, Steigerwal­dstadion Erfurt, live ZDF

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Horst Hrubesch beim Spiel der DFB-Frauen im April in Slowenien. Foto: Maja Hitij, Getty

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