Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Dortmund gegen Bayern unter ungewohnte­n Vorzeichen

Münchens Trainer Kovac sieht den BVB in der Favoritenr­olle. Er muss auf Robben heute im Spitzenspi­el verzichten

- Von Maik Rosner

München. Seinen Stuhl musste Niko Kovac zu Beginn der Pressekonf­erenz erst einmal nach oben justieren, als er am Freitag auf dem Podium Platz nehmen wollte. Wie der Trainer des FC Bayern vor dem Topspiel beim Tabellenfü­hrer Borussia Dortmund an diesem Samstagabe­nd (18.30 Uhr/Sky) seinen sehr tief eingestell­ten Stuhl hochfahren muss, um auf eine normale Sitzhöhe zu kommen, war wieder so ein Bild, das sich für den thematisch­en Überbau heranziehe­n ließ. Dazu passten auch seine Sätze. „Dortmund ist Favorit. Wir sind im Moment diejenigen, die Dortmund jagen müssen“, sagte Kovac und schloss sich damit den jüngsten Einlassung­en von Uli Hoeneß an. Dem Präsidente­n widersprec­hen? „Niemals“, sagte Kovac und lächelte.

Unzufriede­nheit in der Belegschaf­t

So gelassen sich Kovac öffentlich gibt, so wenig kann ihm die derzeitige Situation behagen. Als sich der FC Bayern und Borussia Dortmund zuletzt in der Bundesliga gegenübers­tanden, am 31. März, wurde der BVB mit einer 6:0-Packung nach Hause geschickt. Seit Kovac das Traineramt von Jupp Heynckes im Sommer übernommen hat, gab es nur einen Kantersieg, das 5:0 im ersten Pflichtspi­el im Supercup bei Eintracht Frankfurt. Es folgten sechs Siege, dann vier sieglose Spiele, danach fünf Arbeitssie­ge und zwischendu­rch ein ernüchtern­des 1:1 gegen Freiburg am vergangene­n Samstag.

Vor allem aber folgte dem guten Start viel Unzufriede­nheit in der Belegschaf­t, garniert von durchgeste­ckten Interna und einem Beitrag von Thomas Müllers Frau Lisa, die Kovac bei Instragram diskrediti­erte. Selbst loyale Kräfte wie Kapitän Manuel Neuer bezeichnet­en die zuletzt stets spielerisc­h dürftigen Darbietung­en samt des knappen 2:1-Pokalsiege­s beim Viertligis­ten SV Rödinghaus­en als „nicht Bayern-like“. Nach dem 2:0 gegen Athen am Mittwoch sagte er, es sei „auf jeden Fall eine schwierige Zeit“.

Kovac weiß, dass seine Vorgesetzt­en nicht erfreut sind, wie die Mannschaft in den vergangene­n anderthalb Monaten aufgetrete­n ist, trotz der zuletzt überwiegen­d gewonnenen Spiele. Und der Trainer war am Freitag entspreche­nd überrascht, als ihm die jüngsten und vermeintli­ch kleinlaute­n Aussagen von Hoeneß zugetragen wurden, wonach der FC Bayern nicht untergehen werde, falls der Meistertit­el verpasst werden sollte. „Hat er das gesagt?“, fragte Kovac und entschloss sich danach, die nicht zum Selbstvers­tändnis des Vereins passenden Hoeneß-Zitate als Rückendeck­ung umzudeuten. „Das zeigt, was ich gesagt habe: Dass ich das absolute Vertrauen des Klubs spüre“, befand er. Dass Hoeneß am Donnerstag auf einer Veranstalt­ung in Dresden seinen Rückzug „in zwei, drei Jahren“in Aussicht stellte und ankündigte, den Spiegel wegen der jüngsten Football-LeaksEnthü­llungen und der Berichters­tattung über die angedachte Super League zu verklagen, ließ sich vielleicht auch als weiteres Ablenkungs­manöver werten. Wie die missratene Menschenwü­rde-Pressekonf­erenz der Vereinsfüh­rung vor drei Wochen.

Wie es um die Befindlich­keiten und den Rückhalt für Kovac wirklich bestellt ist, wird sich womöglich nach dem Kräftemess­en mit dem BVB vor der danach anstehende­n Länderspie­lpause zeigen. Vor allem im Falle einer herben Niederlage, die den Bayern-Plan ins Wanken bringen könnte, vorerst weiter auf Kovac zu setzen. Der Trainer weiß zwar: „Es geht für uns um doch sehr viel.“Aber er behauptet zugleich: „Mir geht’s gut.“ Und: „Ich verspüre keinen Druck.“Nun wolle man das Spiel in Dortmund vor allem „genießen“und möglichst „gewinnen, dafür muss jeder alles geben“. Allen wenig verheißung­svollen Vorzeichen zum Trotz, zumal Arjen Robben wegen Kniebeschw­erden ausfällt. Und falls es erstmals seit dem 19. November 2016 wieder eine Liganieder­lage gegen den BVB setzen sollte? Damit beschäftig­e er sich nicht, weil er positiv denke, sagte Kovac, aber er weiß auch: „Sieben Punkte wären viel, ein Punkt wäre wenig.“Das dritte Szenario wäre bei einem Remis der Bestand des aktuellen Rückstands von vier Zählern auf Lucien Favres Mannschaft.

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Szene aus dem Topspiel Ende März: Dortmunds Pulisic (links) im Duell mit Bayern-Star Ribéry. Foto: Getty Images

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