Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Gemeinsam auf Vinyl gepresst

Das Projekt „Greenwood Files“vereint Lieder von 16 Thüringer Künstlern auf einer Schallplat­te. Diese entstand in eigener Produktion

- Von Franziska Gräfenhan

Erfurt. „Die Szene hat ein Problem mit dem Selbstbewu­sstsein“, sagt Erik Eichholz. Seit Jahren ist der Erfurter als DJ Danger Dee in ganz Thüringen unterwegs. Er hat über die Zeit viele talentiert­e Musiker und Beat-Bastler getroffen, die mit ihren instrument­alen Kompositio­nen die Grundlage für den Gesang im HipHop und Rap bilden. Doch selten werde die Leistung dieser Musiker wahrgenomm­en, meint Eichholz. Mit der Schallplat­te „Greenwood Files“, die Titel von insgesamt 16 Thüringer Künstlern vereint und Anfang Dezember veröffentl­icht wird, soll sich das ändern.

„Ich wollte mal die Musiker ins Rampenlich­t holen, die sonst nicht auf der Bühne stehen, die stundenlan­g vor ihren Maschinen sitzen und mit technische­m Knowhow an den Beats frickeln“, sagt Eichholz rückblicke­nd zu seiner Idee. Drei Jahre sind seitdem vergangene­n. Drei Jahre, in denen Andre Weichert-Pachtmann und Danny Böhm diese Idee aufgriffen und engagierte Künstler aus Erfurt, Saalfeld, Nordhausen, Jena und Gotha um sich versammelt­en, um gemeinsam zuerst eine Kassette und nun auch eine Platte zu produziere­n.

„Wir wollten einfach ein Lebenszeic­hen senden“, sagt Nico Fenner, der wie Eichholz als Musiker in der Thüringer Hip-Hop-Szene verwurzelt ist und diese für ihre Lebendigke­it schätzt. „Leider schaffen es nur wenige Künstler, sich kommerziel­l zu vermarkten. Die meisten sind Wohnzimmer-Produzente­n“, meint der gebürtige Friedrichr­odaer weiter, der selbst Beats bastelt. Auch er ist von Beginn an am Projekt „Greenwood Files“beteiligt.

Über eine Gruppe im sozialen Netzwerk Facebook suchten die Initiatore­n um Weichert-Pachtmann und Böhm schließlic­h vor zwei Jahren Künstler aus ganz Thüringen, die sich an dem Sampler beteiligen wollten. Die Voraussetz­ung: Jeder Musiker sollte zwei Instrument­alstücke einsenden, die dann von einer Jury ausgewählt wurden.

„13 Musiker landeten mit ihren zwei Titeln am Ende auf der Kassette“, erinnert sich Fenner, der zusammen mit Kevin Hallmann auf den Projektnam­en „Greenwood Files“kam. „Wir wollten einen Bezug zum Thüringer Wald und dem Grünen Herzen schaffen. Daher der Name“, erklärt er. Die ausgewählt­en Titel erhielten 2017 von Danny Storandt beim Mixing und Mastering den letzten Schliff und wurden schließlic­h von Axel Koebernik auf 100 Kassetten überspielt. Von der Produktion bis hin zur künstleris­chen Gestaltung entstand dabei alles in Eigenregie. „Wir wollten ein physisches Medium für die Musiker schaffen, die sich allein diese Form des Tonträgers nicht hätten leisten können“, sagt der gelernte Mediengest­alter Fenner weiter. Das Team um das Projekt „Greenwood Files“freut sich über das Ergebnis. Lukas Krause (hinten, von links), Jakob Januar, Thomas Licht, Timo Warkus, Erik Eichholz (vorn, von links), Nico Fenner und Kevin Hallmann halten die noch unbedruckt­e Vinyl-LP in den Händen. Foto: Krajamine

Die Künstler nahmen jeden Schritt selbst in die Hand

Schritt zu gehen. „Wir wollten eine Platte aufnehmen und damit signalisie­ren, dass auch das geht“, meint Fenner. Noch im vergangene­n Jahr riefen die Initiatore­n deshalb erneut über die sozialen Medien zum Mitmachen bei den „Greenwood Files“auf. Doch dieses Mal gab es keine Jury, die die Künstler auswählte. Stattdesse­n schrieben sie selbst gezielt insgesamt 16 Musiker an, die sich jeweils

mit 50 Euro am Gemeinscha­ftsprojekt beteiligte­n. „Das Geld war das Startkapit­al, um die Platten pressen zu lassen“, erklärt Fenner. Jeder der Künstler erhält im Gegenzug die gleiche Zahl an Platten zum Verkauf.

Zusammen mit Hallmann und der Tattoo-Künstlerin „Krajamine“verantwort­eten Fenner und Hallmann erneut die Gestaltung und den Druck der insgesamt 170 Platten, die von Timo

Warkus abgemischt wurden. Seit Ende Oktober liegen die „Greenwood Files“nun frisch auf Vinyl gepresst bei den engagierte­n Künstlern und warten darauf, am 8. Dezember mit Party und Konzert in der Erfurter Galerie und Bar „Retronom“veröffentl­icht werden, die vom Verein Snokksen um die Brüder Markus und Lukas Krause betrieben wird. Hier gibt es die Platten dann auch zum Kauf. „Wir sind alle sehr stolz. Keiner hatte am Anfang daran geglaubt, dass wir das allein schaffen können. Aber es geht!“, meint Fenner, der zusammen mit den anderen Engagierte­n schon jetzt den dritten Teil der „Greenwood Files“plant. „Wir wollen das nächste Mal aber deutschlan­dweit Musiker ansprechen und unentdeckt­e Talente fördern“, sagt er. Und auch der Ideengeber Erik Eichholz freut sich über das Ergebnis: „Es werden immer viele Phrasen gedroschen. Wir haben zum ersten Mal unsere Kräfte gebündelt und etwas auf die Beine gestellt!“

Die Kassetten hätten sich als klassische­s Medium des Hip-Hops angeboten – wegen der Nostalgie einerseits, anderersei­ts auch weil sie in der Herstellun­g weniger kosteten als etwa eine Vinyl-LP.

„Das ganze Projekt geht auf das freiwillig­e Engagement der Künstler zurück, die ohne Geld ihre Freizeit investiert­en“, sagt Fenner weiter, der gemeinsam mit Hallmann die Gestaltung der Kassetten verantwort­ete. Die Künstler im Alter von 18 Jahren bis Mitte 40 Jahre seien dabei Freizeitmu­siker, die im Alltag einem Beruf oder Studium nachgingen. Mit der Veröffentl­ichung auf einem physischen Medium habe sich für viele ein Traum erfüllt. Doch das gemeinsame Projekt war noch mehr als das. „Wir hatten sehr viel Spaß und haben in der Produktion eine emanzipati­ve Botschaft gesehen“, sagt Fenner weiter. Die Künstler hätten sich vernetzt und gemeinsam etwas auf die Beine gestellt, ganz ohne profession­ellen Produzente­n oder Label.

Der damit verbundene Stolz auf den in eigener Handarbeit entstanden­en Sampler habe schließlic­h noch 2017 den Anstoß gegeben, einen weiteren ▶ Releasepar­ty „Greenwood Files“, . Dezember, Retronom, ab  Uhr, Johannesst­raße A, Erfurt

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 ??  ?? Die Gestaltung des Covers der Schallplat­te hat die Künstlerin „Krajamine“übernommen.Foto: Nico Fenner, Kevin Hallmann
Die Gestaltung des Covers der Schallplat­te hat die Künstlerin „Krajamine“übernommen.Foto: Nico Fenner, Kevin Hallmann

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