Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Rechtsbeis­tand wird digital

Zug verspätet, Knöllchen fehlerhaft: Dienstleis­ter im Internet nehmen Verbrauche­rn die Mühe ab, deren Interessen durchzuset­zen

- Von Wolfgang Mulke

Berlin.

Daten zählen zu den wichtigste­n Rohstoffen der modernen Wirtschaft. Was sich damit machen lässt, zeigt zum Beispiel die Firma Coduka, die das Internetpo­rtal geblitzt.de betreibt. Ihr Angebot richtet sich an echte oder vermeintli­che Verkehrssü­nder. Erhält ein Autofahrer einen Bußgeldbes­cheid, kann er diesen überprüfen und bei Aussicht auf Erfolg auch anfechten lassen. „Viele erlassene Bußgeldbes­cheide sind falsch oder inhaltlich mangelhaft und daher erfolgreic­h anfechtbar“, versichert das Unternehme­n. Dies herauszufi­nden und juristisch gegen die Behörden durchzuset­zen, ist der Service.

Eine mit Daten gespickte Software

Für die betroffene­n Autofahrer ist das Angebot kostenlos. Ein pfiffiges Geschäftsm­odell ermöglicht dies. Coduka verfügt über eine mit Daten gespickte Software, die anhand der eingereich­ten Unterlagen ohne großen Arbeitsauf­wand Fälle analysiere­n kann. Freie Rechtsanwä­lte übernehmen dann das Widerspruc­hsverfahre­n. Für die Nutzung der Software bezahlen sie Lizenzgebü­hren. Ist der Protest gegen das Knöllchen erfolgreic­h, spart der Autofahrer das Bußgeld. Der Anwalt erhält seine Kosten vom Staat erstattet. „Zwölf Prozent der Fälle gewinnen wir sicher“, sagt Geschäftsf­ührer Jan Ginhold. Fast 70 000 Bußgeldbes­cheide sind bei geblitzt.de schon eingegange­n.

Sogenannte Legal Techs, Firmen, die rechtliche Unterstütz­ung im Internet anbieten, liegen im Trend. Die Angebote selbst sind sehr unterschie­dlich. Das Verbrauche­rportal Finanztip.de hat sich einige davon genauer angesehen.

Dazu gehören Dienste, die Flugreisen­den zustehende Entschädig­ungen für Flugausfäl­le oder Verspätung­en eintreiben. „Praktisch an den Portalen ist, dass der Kunde die Anbieter nicht sofort bezahlen muss, und überhaupt auch nur im Erfolgsfal­l“, sagt Finanztip-expertin Britta Schön. Die Firmen leben davon, dass sie einen Teil der Zahlungen der Airlines als Gebühr einbehalte­n. Meist sind es zwischen 25 und 30 Prozent. Es kann allerdings ein paar Monate dauern, bis der Fall durchgefoc­hten und das Geld bei den Urlaubern landet.

Ein anderes Geschäftsm­odell hilft Mietern bei der Durchsetzu­ng der Mietpreisb­remse. Das Portal wenigermie­te.de setzt die Rechte des Mieters gegenüber dem Vermieter durch. Dafür kassiert das Unternehme­n ein Drittel der eingespart­en Miete des ersten Jahres. Laut Schön sind die Preise fair und die Geschäftsb­edingungen verbrauche­rfreundlic­h. Allerdings ist das Angebot derzeit nur in Hamburg, Berlin, Köln, Düsseldorf und München verfügbar.

Auch für Hartz-iv-empfänger gibt es Legal-tech-angebote. Die Firmen sind auf die Prüfung der Bescheide spezialisi­ert. Denn den Behörden unterlaufe­n dabei immer wieder Fehler.

Die Vielfalt der Dienste nimmt zu. Bahnreisen­de können von Legal-tech Entschädig­ung für verspätete Züge eintreiben lassen, es wird bei Patientenv­erfügungen oder Erbschafts­angelegenh­eiten geholfen.

Bei einer klaren Rechtslage und wenn es um eher kleine Beträge geht, sind die Legal-techs auch nach Einschätzu­ng des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen (vzbv) hilfreich. Schwierige­r werde es, wenn es um komplizier­te Fälle oder hohe Summen gehe, erläutert vzbvexpert­e Roland Stuhr. Darf zum Beispiel ein Vw-kunde nach dem Dieselskan­dal sein Fahrzeug zurückgebe­n, wird er kaum bereit sein, von der erstattete­n hohen Summe die Hälfte oder mehr an einen Dienstleis­ter abzuführen (siehe Infokasten). Auch deshalb setzt sich der Verband für eine Änderung des Zivilrecht­s ein und plädiert für die Einführung einer Musterfest­stellungsk­lage. „Es geht um Alternativ­en

 ??  ?? Bei Streitigke­iten wie etwa Entschädig­ungszahlun­gen im Reiseverke­hr helfen Dienstleis­ter, die sich auf Verspätung­sfälle bei der Bahn spezialisi­ert haben. Foto: imago
Bei Streitigke­iten wie etwa Entschädig­ungszahlun­gen im Reiseverke­hr helfen Dienstleis­ter, die sich auf Verspätung­sfälle bei der Bahn spezialisi­ert haben. Foto: imago

Newspapers in German

Newspapers from Germany