Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
„Wenn ich in meinen Rollen bin, bin ich ein anderer Mensch“
Als Travestiekünstler verkörpert der 50-jährige Lutz Kaus-hogen das „Fräulein Luise“
Eichsfeld.
Eine über Monate andauernde Serie von Diebstählen im Eichsfeldkreis und im Landkreis Nordhausen ist aufgeklärt worden, berichtete gestern Thomas Soszynski, Sprecher der Nordthüringer Landespolizei.
Seit dem Frühjahr 2016 wurden immer wieder der Polizei gestohlene Weidezaungeräte gemeldet. Manche Tierhalter waren von diesen Diebstählen sogar mehrfach betroffen. Die zunächst unbekannten Täter hatten es aber bei ihren Beutezügen auch auf Werkzeuge, Motorsägen und Weidezaunpfähle abgesehen. Bei einem Pferdehalter nahmen sie außerdem Zaumzeug, Satteldecken und einen Reithelm mit. Die Ermittlungen führten gegen Jahresende auf die Spur zweier junger Männer aus dem Eichsfeldkreis. Bei Durchsuchungen wurde ein Großteil der Beute sichergestellt und konnte den rechtmäßigen Eigentümern wieder übergeben werden. Inzwischen hat die Kriminalpolizei die Ermittlungen gegen die 21 und 23 Jahre alten Männer abgeschlossen und die Akten der Staatsanwaltschaft in Mühlhausen übergeben.
Heiligenstadt.
„Ich bin, wie ich bin, weil ich anders nicht sein kann.” Dieser Titel, gesungen in der Show „Zauber der Travestie“, bringt es auf den Punkt.
Was macht die Faszination aus, dass in jedem Jahr in Heiligenstadt 1000 Gäste die Travestieshow im Eichsfelder Kulturhaus besuchen?
Lutz Kaus-hogen (50) alias „Fräulein Luise“kann diese Frage nicht beantworten. „Ich weiß nicht, was der Zauber ist, vielleicht bietet unsere Show eine gute Möglichkeit, den Alltag zu vergessen, mal abzuschalten und sich nur zu amüsieren.“
Lutz, der in Stendal geboren und in Tangermünde aufgewachsen ist, lebt jetzt, wenn er nicht gerade auf Tour ist, in Lehrte bei Hannover. Nach der Ausbildung zum Koch arbeitete er in Leipzig in der Gastronomie. Mit 18 hat er geheiratet. Die Ehe dauerte nicht lange, da seine Frau bei einem anderen Mann die Liebe ihres Lebens gefunden hat.
Nach der Wende arbeitete Lutz als Pflegehelfer in einem Pflegeheim. „Die Omis haben mich gemocht. Ich hatte eine Lieblingsoma, die habe ich sogar in die Oper ausgeführt.“An den Wochenenden trat er mit Travestiedarbietungen auf. Lutz sowie alle seine Ensemblemitglieder sind homosexuell. „Schon als Kind habe ich es geliebt, mich zu verkleiden und in weibliche Rollen zu schlüpfen. Karneval war meine große Zeit. Dass ich zur Travestie gekommen bin, das war Zufall. 1990 ist der Auftrittspartner meines Kollegen ausgefallen, und ich bin eingesprungen mit einer furchtbaren Nummer von Heintje, für die ich mich heute noch schäme. Zum Glück gibt es davon keine Aufnahmen. Mit der Zeit wurden es mehr und mehr Auftritte, meistens in Schwulenbars. Da gab es 100 Mark, und wir konnten frei trinken.“
Es blieb aber auf der unprofessionellen Schiene bis vor zwanzig Jahren. Sein Freund sagte damals: „Das kommt so gut an, da machen wir mehr draus!“Seitdem gibt es „Zauber der Travestie.“Man brauche das gewisse Flair im Blut und „darf nicht davor zurückschrecken, auf der Bühne auch mal doof zu sein“.
Lutz erzählt von seinem Partner, den er vor 22 Jahren auch in einer Bar kennengelernt hat. „Er war von mir entzückt, weil ich so bekloppt bin.“Im Juli feiern beide ihren 11. Hochzeitstag. Auch sein Partner war mit einer Frau verheiratet und hat zwei Kinder. Für die Enkel sind beide „Opa“. „Es macht mich so glücklich, dass die Kinder uns akzeptieren, wie wir sind. Dafür lohnt es sich zu leben!“
Seit April 2016 gab es für das Ensemble 140 Auftrittstermine. „Die Füße merken es!“Angefangen haben sie zu dritt. Heute besteht der Künstlerpool aus 24 Akteuren. Auf der Bühne stehen sieben bis neun Künstler. Drei machen das feste Team aus. Alle anderen werden je nach Show dazu gebucht.
„Lernen kann man diesen Beruf nicht. Er ist mit einer Schauspielausbildung nicht vergleichbar. Jeder hat seinen eigenen Lutz Kaus-hogen
Charakter und seine Art der Interpretation. Ich orientiere mich ein bisschen an Marlene Jaschke. Ungewollt habe ich schon die Art, wie sie sich bewegt, übernommen. Die Arbeit macht Spaß. Natürlich gibt es auch Momente, in denen wir hinter der Bühne Stress haben.“
Auf der Bühne allerdings merkt man davon nichts. Als Gala-revue gleicht „Zauber der Travestie“einer Comedy-revue mit Kabarett-charakter.
Neben großen Kostümen steht Live-gesang, Komik und Parodie mit mehr oder weniger derben sexuellen Anzüglichkeiten im Vordergrund. Das Publikum wird in die Show mit einbezogen. 90 Prozent im Publikum sind Frauen.
Lutz erklärt sich das so: „Männer sagen ,Iiiiiiih, Schwule in Frauenkleidern‘. Sie haben Angst, dass ihnen irgendetwas passiert. Dann merken sie, es ist ja doch ganz lustig, und die Vorurteile fallen.“Im nächsten Jahr sitzen sie dann in der ersten Reihe und warten darauf, auf die Bühne geholt zu werden. Lutz weiß, was ihn motiviert, wenn das Publikum am Ende der zweieinhalbstündigen Show ins Gästebuch schreibt: „Ich habe alles um mich herum vergessen, ein Abend, an dem man alle Sorgen hinter sich lässt und der eigentlich nie enden sollte.“
„Applaus kann süchtig machen, und ich bin süchtig nach Applaus. Menschen zu unterhalten und zum Lachen zu bringen, das ist meine Motivation, dafür lebe ich.“Einen Wert im Leben von Lutz stellt sein Zuhause dar. „Mein Zuhause, mein Partner und mein Hund sind mein Ruhepol. Ich brauche nicht viel Geld. Ich lebe gut und kann sicher auch einen Euro mehr ausgeben als eine Supermarkt-verkäuferin, aber reich geworden sind wir noch nicht.“
Ein zweiter Wert sind Freunde im Leben von Lutz Kaus-hogen. „Eigentlich bin ich verschlossen gegenüber Menschen, die ich nicht kenne. Ich würde nie am Tresen jemanden ansprechen. Luise ja, aber Lutz nicht. Wenn ich in meinen Rollen bin, bin ich ein anderer Mensch. Da gehe ich aus mir heraus.“
Wie gehemmt er im normalen Leben ist, sieht man daran, dass er nie einen Führerschein gemacht hat. Er erzählt, dass er Schweißausbrüche bekommt, wenn er nur daran denkt. Auf die Frage nach dem, was ihn glücklich macht, sagt Lutz lachend: „Wenn ich im Bett liege und schlafe, weil mir meine Knochen wehtun. Das Laufen in High Heels fordert seinen Tribut. Dafür sind Männerfüße wirklich nicht geschaffen.“
Glück ist für Lutz aber auch, „wenn ich nicht beim Arzt sitzen und mir Pillen verschreiben lassen muss“. Ansonsten bezeichnet er sich als anspruchslos. Was Lutz gar nicht mag, sind Missgunst und Verlogenheit. „Ich hasse es, wenn man nicht den Mut hat, für eigene Fehler geradezustehen.“
„Das Laufen in High Heels fordert seinen Tribut. Dafür sind Männerfüße wirklich nicht geschaffen.“
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Die Reihe „Wofür sich Leben lohnt“ist eine gemeinsame Aktion der Lebenshilfe in Leinefelde-worbis und unserer Zeitung.