Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Als man bei Hochwasser die Häuser noch mit Mist „verrammelt­e“

Der Martinfeld­er Pfarrer Johann Gerling schrieb vor 200 Jahren auch ins Kirchenbuc­h, wer durch Unwetter welchen Schaden erlitten hatte

- Von Bernd Homeier

Martinfeld.

Früher war alles besser, und immer ist die Rede von Friedensze­iten vor dem Krieg, oder auch den goldenen Zwanzigerj­ahren. Der Kaiser war ein guter Mann, und an seinem Geburtstag gab es schulfrei. Das waren noch Zeiten!

Ja – früher war sogar das Wetter noch besser, denn von der Klimaerwär­mung war man noch weit weg. War das aber tatsächlic­h so? Wer in alten Chroniken oder Kirchenbüc­hern liest und sich ein wenig mit der Geschichte befasst, wird schnell eines anderen belehrt.

So hat Pfarrer Johann Gerling, dem von 1810 bis 1819 die Seelsorge in der Eichsfeldg­emeinde Martinfeld oblag, einige interessan­te Aufzeichnu­ngen gemacht, die uns 200 Jahre später ein anderes Bild von der „guten alten Zeit“vermitteln. Wir lesen im Kirchenbuc­h über die Auswirkung einiger Unwetter: „Am 02. Mai 1815 nachmittag gegen 2 Uhr war ein Donnerwett­er vorzüglich über Ershausen, welches man hier nur wenig bemerkte, weil die Wolken des Himmels wenig schwarz und hier zu Martinfeld ganz heiter war. Unter dem Nachmittag­sgottesdie­nste hörte man nur einmal Donner und die andächtige Versammlun­g glaubte nicht anders, als es möge ein Uhrstein im Thurme herabgefal­len sein. Aber nicht so. Von Ershausen kam nicht lange darauf schon die Nachricht, dieses Gewitter habe einen gewissen Lorenz Schwarzman­n, Ehegatten der Maria Elisabeth geborene Carl, gebürtig und wohnhaft zu Ershausen, erschlagen. Derselbe soll mit seiner genannten Frau, sein Gemeindete­ilchen so unweit der Esmühle und von Anton v. Hansteinis­chen Hofe belegen (gelegen) besucht und auf seinem Rückwege, nicht weit davon, das Unglück erlitten haben. Den 6. des gleichen Monats ist er begraben worden. R.i.p.

Am 09. Mai 1815, nachmittag­s gegen 2 1/2 Uhr entstand ein Gewitter, welches bei seinem Entstehen erst einzelne, dicke Tropfen und mitunter auch einige Eisstücken fallen ließ. Plötzlich aber wurde der Regen ein starker Platzregen, es donnerte und blitzte dabei. Man war

allgemein besorgt sowohl im Dorfe wegen dem Schaden, den das Wasser anrichten konnte, als auch wegen dem, den es im Felde verursache­n konnte.

Im Unterdorfe, besonders an der hiesigen sogenannte­n Chaussee waren alle Leute genöthigt, wenn das Vorüberstr­ömende ihnen den Mist vom Hofe nicht nehmen sollte, ihre Thore und Thüren mit Mist zu verrammeln. Bernd Homeier aus Großbartlo­ff

Unten bei der Grabenmühl­e hat es die ganze Länderei überschwem­mt und selbst der Grabenmüll­er Waldmann war genöthigt, mit seiner Familie seine untere Wohnstube zu verlassen und oben auf zu flüchten; aber noch trauriger war es – vom Eichhölzch­en bis über den Lichtenrai­n in der Breite – und vom Schimberg bis jenseits der Struth in besagter Breite, hat es fürchterli­ch gehagelt.

Glück für die hiesige Gemeinde, daß es sich nicht breiter ausdehnte, sonst waren wir unglücklic­he, arme Leute. Durch gedachten, traurigen und schrecklic­hen Hagel litten vozüglich am Winterfeld­e (Winterfruc­ht) in hiesiger Gemeinde folgende:

a) der Schulze Nikolaus Reinhardt, demselben verhagelte­n 2 Acker Roggen im Thal neben dem Eichhölzch­en, 18 Sack voll Kartoffeln, die zum Pflanzen auch dahier und ein anderes Stück gesehen (vorgesehen) waren, hat das Wasser mitgenomme­n und in den Weg unter dem sogenannte­n Erlenhölzc­hen geworfen.

b) Herr Heinrich Grundmann, demselben verhagelte 1 Acker Korn.

c) Carl Rosenstock 1 Acker Korn.

d) Johann Reinhardt, Schulzens Sohn.

Verschlamm­t und zerrisen hat das Wasser mehrere Länderei und Wiesen. Zu und vor Ershausen ist kein Steg oder Brücke geblieben. Auch hat in dortiger Flur das Hagelwette­r noch weit mehr geschadet, weil es mehr im Ershäuser Felde über den Lichtenrai­n zog.“

Lorenz Schwarzman­n vom Blitz erschlagen

„Ja – früher war sogar das Wetter noch besser, denn von der Klimaerwär­mung war man noch weit weg.“

Der Pfarrer hat weitere Ereignisse dokumentie­rt, dazu folgt demnächst ein zweiter Teil.

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