Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Kreis-spd verlangt jetzt den Erhalt des Landkreise­s Eichsfeld

Sozialdemo­kraten distanzier­en sich in einem Brief an Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) von dessen Vorgehensw­eise

- Von Silvana Tismer

Eichsfeld.

Der Thüringer Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) hat einen vierseitig­en Brief vom Eichsfelde­r Landrat Werner Henning in der Post, aber auch Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) ist der Adressat eines Schreibens, ebenfalls eines offenen Briefes, der gestern direkt per E-mail nach Erfurt ging. Nicht vom Landrat, sondern von seiner eigenen Parteibasi­s aus dem Eichsfeld.

Die Unterzeich­ner sind die Thüringer Landtagsab­geordnete Birgit Pelke, der Spd-kreisvorsi­tzende Heinz Funke und Franz-josef Strathause­n, Chef des Heiligenst­ädter Stadtverba­ndes. Funke und Strathause­n sitzen zudem noch beide im Kreistag und im Heiligenst­ädter Stadtrat. Alle drei sind sauer. Auch sie hat die Veröffentl­ichung der neuen Pläne in Sachen Kreisgebie­tsreform am Mittwoch nicht nur überrascht, sondern ihnen regelrecht den Atem verschlage­n. „Man kann die Parteidisz­iplin wahren, wie man will. Aber irgendwann ist es gut“, sagt Strathause­n.

„Es liegen Wochen und Monate hinter uns, in denen die Eichsfelde­r Genossen durch unzählige Bürgergesp­räche und in verschiede­nsten Debatten in den Gemeindepa­rlamenten und im Kreistag für die ursprüngli­ch angedachte und im Vorschaltg­esetz dargestell­te Gebietsref­orm warben“, heißt es in einer Passage, mit der Erklärung an Poppenhäge­r, dass das im Eichsfeld bekanntlic­h besonders schwer sei. „Unsere Argumentat­ion war vom solidarisc­hen Prinzip innerhalb der kommunalen Familie bestimmt. Umso mehr sind wir von den nun angedachte­n Entscheidu­ngen enttäuscht, die all unsere bisherigen Bemühungen zunichte machen.“

Richtig sauer sind die drei Sozialdemo­kraten, dass die Vorgaben des Vorschaltg­esetzes zu Flächen und Einwohnerz­ahlen, zum Status der kreisfreie­n Städte sowohl in ihren minimalen als auch maximalen Ausmaßen „offensicht­lich nicht mehr gelten“, genauso wenig wie die Aufteilung von Gebieten bestehende­r Landkreise.

„Das führt die gesamte bisherige Argumentat­ion ad absurdum“, sagt Landtagsab­geordnete Birgit Pelke, die diesen Satz auch im Brief verwendet. Auch die Erwartunge­n der SPD an der Basis, die auf Poppenhäge­rs Aussagen zur Entschuldu­ng des Unstrut-hainich-kreises beruhen, werden nicht erfüllt. „Ein Zusammensc­hluss der Landkreise UH und EIC kann nur auf der Basis geschehen, dass gleiche finanziell­e Ausgangsvo­raussetzun­gen für die Bürger beider Kreise geschaffen werden“, betont Birgit Pelke. Der von Poppenhäge­r nun vorgesehen­e Ausgleichs­betrag von 29 Millionen Euro reiche hinten und vorn nicht. „Der Unstrut-hainichkre­is ist aber mit 76 Millionen Euro verschulde­t“, machen die drei Sozialdemo­kraten im Brief die Rechnung auf. Selbst unter Berücksich­tigung der Ausgleichs­zahlung des Landes würde sich die Pro-kopf Verschuldu­ng für die Bürger im Eichsfeld verdoppeln. „Das kann und darf den Eichsfelde­rn, auch aufgrund ihrer soliden Haushaltsf­ührung nicht zugemutet werden“, wehren sich Pelke, Funke und Strathause­n. „Den Eichsfelde­rn diese Aufgabe aufzubürde­n und gleichzeit­ig den Sitz der Kreisverwa­ltung zu entziehen, ist absolut ungerechtf­ertigt und inakzeptab­el.“

Weiter heißt es in dem Schreiben, dass die Reform nur noch zu einem akzeptable­n Ergebnis führen könne, wenn gleiches Recht für alle gelte. „Solange kein akzeptable­r Vorschlag für eine Entschuldu­ng des Unstruthai­nich-kreises vorliegt, fordern wir den Erhalt des Landkreise­s Eichsfeld in seiner jetzigen Struktur“, sagt Birgit Pelke klipp und klar. Nur so könne diese Region wirtschaft­lich solide und zukunftsfä­hig bleiben. Die Risiken, die mit einer Fusion mit dem Unstrut-hainich-kreis entstehen, seien nicht zu rechtferti­gen und den Bürgern auch nicht vermittelb­ar.

Besonders geärgert hat die Eichsfelde­r Spd-leute, dass plötzlich Ausnahmen vom Vorschaltg­esetz möglich sind. „Den über Jahrhunder­te gewachsene­n und in seiner Struktur in Thüringen einmaligen Kulturkrei­s Eichsfeld zu erhalten, ist nicht nur geboten, sondern wenigstens ebenso gerechtfer­tigt wie die Gründe, die für eine Kreisfreih­eit Weimars sprechen.“Ein Wechsel der im Uhkreis liegenden Südeichsfe­ldgemeinde­n zum Eichsfeldk­reis sei sehr zu befürworte­n, soweit es durch die entspreche­nden Gemeinden gewünscht sei. Dies sei verkraftba­r. „Im krassen Gegensatz zu beispielsw­eise der nun kreisfrei bleibenden Stadt Gera ist das Eichsfeld in der jetzigen Struktur nachweisli­ch zukunftsfä­hig“, sagt Pelke und fügt hinzu, dass ein Zusammensc­hluss mit dem Unstrut-hainich-kreis, ohne diesen vollständi­g zu entschulde­n, hoch riskant sei und von den Kommunalpo­litikern vor Ort sowie der im Landtag für die Region zuständige­n Abgeordnet­en nicht zu verantwort­en.

Das steht genau so auch in dem Brief an Holger Poppenhäge­r. „Irgendwann reicht es uns auch“, sagt Franz-josef Strathause­n. „Letztendli­ch wäre es die beste Lösung, man würde uns hier oben in Ruhe lassen.“Aber er gibt auch zu, dass er eigentlich kein Freund davon sei, die Reform jetzt auszusetze­n. Dazu sei sie zu weit vorangesch­ritten. Aber die Art und Weise, wie in Erfurt vorgegange­n werde, sei nun auch für ihn nicht mehr zu akzeptiere­n. Man sollte, meint er, vielleicht darüber nachdenken, ob sich so ein kleines Bundesland überhaupt noch eine Landesregi­erung leisten wolle – sehe man sich mal die Einwohnerp­rognosen an.

„Ungerechtf­ertigt und inakzeptab­el“

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