Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Thüringen ist zentraler Ort für rechte Konzerte

Beobachter sind besorgt: Die Neonazi-musikszene hat sich hier eingericht­et. Die Polizei hat darauf reagiert

- Von Sebastian Haak

Erfurt.

Thüringen ist nach Einschätzu­ng von Beobachter­n der rechten Szene inzwischen zum wichtigste­n Veranstalt­ungsort für Neonazi-konzerte geworden. Allein die Teilnahme von 3500 Rechtsextr­emen an einem Konzert 2016 in Hildburgha­usen zeige, dass der Freistaat das „Festivalla­nd Nummer eins“der extremen Rechten geworden sei, sagte der stellvertr­etende Leiter der Landeszent­rale für politische Bildung, Peter Reif-spirek. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextr­emismus in Thüringen (Mobit) sieht sogar eine „Strahlkraf­t für die europäisch­e extreme Rechte“.

Für diesen Sommer werden wieder viele rechtsextr­eme Konzerte in Thüringen erwartet. Mobit-berater Stefan Heerdegen verwies auf mehrere Immobilien in Thüringen, die die rechtsextr­eme Szene für ihre Konzerte nutze, unter anderem in Kirchheim (Ilm-kreis), Kloster Veßra und Eisenach.

Dort träten immer wieder in der Rechtsrock-szene hochgehand­elten Bands auf – „wenn man so will, die „Stars der Szene““. Im Freistaat selbst existiere eine breite rechtsextr­eme Musik-szene.

Dass Thüringen dafür einen so zentralen Stellenwer­t hat, hängt nach Einschätzu­ng der Experten nicht nur mit der zentralen Lage des Freistaats zusammen. Es gebe inzwischen routiniert­e Konzertver­anstalter, die selbst aus der rechten Szene stammten, sagte Reif-spirek. Diese verdienten viel Geld mit den Veranstalt­ungen und hätten daher schon ein Eigeninter­esse, solche Konzerte und Festivals „möglichst groß zu machen“.

Zudem sei der Widerstand gegen Neonazi-konzerte in Thüringen vergleichs­weise gering, sagte Heerdegen. „Die Vielzahl der Rechtsrock-konzerte insgesamt überforder­t die Thüringer Zivilgesel­lschaft.“Auch übten Versammlun­gsbehörden und Polizei verhältnis­mäßig wenig Druck auf Veranstalt­er und Konzertbes­ucher aus. Neonazis müssten in Thüringen kaum damit rechnen, wieder nach Hause fahren zu müssen, ohne ihre Band gehört zu haben. Nach Ansicht von Reif-spirek sind auch diesem Grund einzelne rechte Veranstalt­er in den vergangene­n Jahren von Bayern nach Thüringen ausgewiche­n, nachdem ihnen in Bayern erhebliche­r Widerstand entgegenge­setzt wurde.

Wegen der Vielzahl der Rechtsrock-konzerte hat die Landespoli­zei nach eigenen Angaben ihre Einsatztak­tik bei solchen Veranstalt­ungen inzwischen angepasst. So habe die Beweissich­erung bei Einsätzen wegen Rechtsrock-konzerten einen höheren Stellenwer­t als in der Vergangenh­eit. „Aber auch die Kommunikat­ion mit den unterschie­dlichen Teilnehmer­kreisen, vor allem der Gegendemon­stranten, wurde intensivie­rt“, sagte ein Sprecher der Landespoli­zeidirekti­on.

Illegale Neonazi-musikveran­staltungen aufzulösen, sei wegen des „hohes Widerstand­sund Aggression­spotenzial­s“der Besucher häufig nur unter Einsatz starker Kräfte möglich, erklärte der Sprecher. (dpa)

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Teilnehmer der Npd-veranstalt­ung „Rock für Deutschlan­d“in Gera . Archiv-foto: Jan-peter Kasper, dpa

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