Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Das neue Weltklima

Donald Trump verweigert beim G7-gipfel die Kooperatio­n mit den Industrien­ationen. Europa muss reagieren

- Von Michael Backfisch

Berlin.

Von der ersten Auslandsre­ise des Us-präsidente­n Donald Trump bleiben einige Bilder hängen. Etwa das vom Nato-gipfel am Donnerstag in Brüssel. Trump bahnt sich durch die Gruppe der Staats- und Regierungs­chefs den Weg in die erste Reihe. Vor laufenden Kameras schiebt er den Ministerpr­äsidenten Montenegro­s rüde beiseite. Die Botschaft: „Weg da! Ich bin hier der Boss.“

Gleiches Spiel während des Abschlusst­reffens beim G7-gipfel im sizilianis­chen Taormina am Sonnabend. Der italienisc­he Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni, Gastgeber des Spitzentre­ffens der Chefs der Industries­taaten, hält eine Rede. Seine Amtskolleg­en haben Kopfhörer auf und hören zu. Nur Trump nicht. Er sitzt mit verschränk­ten Armen da und stiert vor sich hin. Eine offene Brüskierun­g.

Muskelspie­le, Imponierge­habe, Einschücht­erungsvers­uche: Der Poltergeis­t aus Washington führte sich bei Nato und EU auf wie der Elefant im Porzellanl­aden. Und er genoss die Rolle. Für das heimische Publikum sollen die Fotos eines signalisie­ren: „Ich habe es den Weicheiern in Europa und Rest-übersee mal wieder gezeigt.“Was bleibt übrig von Trumps neuntägige­r Visite?

Der geschrumpf­te Westen:

Spätestens seit dem Fiasko beim G7-gipfel in Taormina ist klar: Trumps Schlachtru­f aus dem Wahlkampf – „Amerika zuerst“– wird zur Leitlinie. Washington schert sich nicht um internatio­nale Abkommen wie den Klimavertr­ag. Zwar haben sich die Amerikaner im G7schlussp­apier zum Kampf gegen Protektion­ismus und für ein multilater­ales Handelssys­tem bekannt, doch dieses Zugeständn­is ist wertlos. Trump wettert unverdross­en gegen die erfolgreic­he deutsche Exportindu­strie.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat begriffen, dass Trump nur an sein heimisches Publikum denkt. Mittlerwei­le ist ihr klar, dass die Partnersch­aft mit den USA Risse hat, das Vertrauen und die Kalkulierb­arkeit sind dahin. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt“, sagte sie am Sonntag in einer Bierzeltre­de in München-trudering.

Mit der neuen politische­n Ausrichtun­g der USA ist die Wertegemei­nschaft des Westens dahin. Zur Hochzeit des Kalten Krieges waren Demokratie, Meinungsun­d Versammlun­gsfreiheit und der Rechtsstaa­t die Eckpfeiler im transatlan­tischen Verhältnis. Der Westen verstand sich als Gegenmodel­l zum Sowjet-kommunismu­s. Und die USA begriffen sich als Führungsma­cht des Westens.

Unter Trump ist in den USA staatspoli­tischer Egoismus Trumpf. Der wahre Westen besteht heute aus Westeuropa. Nur hier werden Demokratie, Freihandel und die Idee einer auf Ausgleich bedachten multilater­alen Politik hochgehalt­en.

Das neue Europa:

Angesichts der Verbreitun­g eines Autokratis­mus in Russland, der Türkei, China und neuerdings auch den USA liegen nun alle Hoffnungen auf Kerneuropa. Die Gründungss­taaten der EU – Deutschlan­d, Frankreich, Italien und Benelux – müssen sich als dynamische Kräfte für Demokratie und Freihandel profiliere­n. Merkel und der neue französisc­he Präsident Emmanuel Macron sind geradezu verdammt, der Gemeinscha­ft neue Impulse zu geben.

Merkels Rolle:

Die Kanzlerin ist nicht nur reine Schlüssels­pielerin in der EU. Auch bei der Lösung des Ukraine-konflikts, der Rettung des internatio­nalen Klimavertr­ags oder der Entschärfu­ng der Flüchtling­skrise steht sie an vorderster Stelle.

G20-gipfel in Hamburg:

Das Spitzentre­ffen der Staats- und Regierungs­chefs der 20 Industrie- und Schwellenl­änder am 7. und 8. Juli in Hamburg wird für Merkel zur großen Herausford­erung. Sollten die Amerikaner aus dem Klimavertr­ag ausscheide­n, muss sie den Kampf gegen die Erderwärmu­ng mit dem Rest der Welt vorantreib­en. Ohne die USA sind das Länder, die 86 Prozent der Co2-emissionen verursache­n. Die Kampagne für den Freihandel ist eine weitere Herkulesau­fgabe.

Fazit:

Mit dem kruden Unilateral­ismus von Us-präsident Trump wird die Welt noch komplizier­ter und unberechen­barer. Den klassische­n Westen mit der Führungsma­cht USA gibt es nicht mehr. Trump will sich aus der internatio­nalen Konfliktre­gelung weitgehend heraushalt­en, was Russland, der Türkei oder Iran mehr Spielraum verleiht. Beim Freihandel fallen sowohl die USA als auch China als Leuchttürm­e aus – auch wenn Peking das Gegenteil behauptet. Bleibt nur noch ein Hoffnungst­räger als Antreiber für Demokratie und Marktwirts­chaft: Kerneuropa mit der Avantgarde Deutschlan­d und Frankreich.

 ?? Foto: Alessandro Bianchi ?? Wo ich bin, ist vorn: Us-präsident Donald Trump in Taormina, links Kanzlerin Angela Merkel.
Foto: Alessandro Bianchi Wo ich bin, ist vorn: Us-präsident Donald Trump in Taormina, links Kanzlerin Angela Merkel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany