Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
„Ich habe noch nie ein Ei aufgeschlagen“
Filigranste Pinselstriche auf zerbrechlichem Material. Helga Schotte aus Heiligenstadt bemalt seit über 40 Jahren Ostereier und lässt so kleine Kunstwerke entstehen
Heiligenstadt.
Vorsichtig holt Helga Schotte ihre Schätze aus der kleinen Vitrine, die an der Wand des Schachtelmuseums in Heiligenstadt hängt, und drapiert sie auf dem niedrigen Tisch. Es sind Eier in vielen Größen und Farben, handbemalt – kleine Kostbarkeiten zur Osterzeit.
Die Pinselstriche auf ihnen sind filigran und zeugen von einer sehr ruhigen Hand. Die Motive malt Helga Schotte aus dem Kopf. Meist sind es blumige Bilder. Zu Ostern darf natürlich das Osterlamm nicht fehlen.
Seit über 40 Jahren frönt Helga Schotte schon ihrem Hobby, und so entstehen jedes Jahr neue Ostereier, die sie auch im Schachtelmuseum verkauft.
Aus dem Schrank kommen dann auch noch Eier zum Vorschein, die gut 40 Jahre alt sind und in einem kleinen Weidenkorb aufbewahrt sind. „Die aus der DDR erkennt man am Band“, sagt Helga Schotte. Damals sei es sehr schwer gewesen, an Farbe heranzukommen. „Da musste ich immer auf ein Päckchen aus dem Westen warten.“
Braune Eier sind meist runder und stabiler
Helga Schotte benutzt Acrylfarben für ihre Ostereier, die sind licht- und wasserfest. Selbst die Eier, die Helga Schotte zu Ddrzeiten bemalt hat und die schon so manches Jahr bei Wind und Wetter vor dem Haus am Heimenstein hingen, haben bis heute nichts von ihrer Farbenpracht verloren.
Die runde Leinwand ihrer Kunstwerke kauft die 80-Jährige im Supermarkt. Dabei sind ihr braune Hühnereier lieber als weiße. „Die weißen sind oft eher spitz, die braunen immer schön rund und auch stabiler.“So manchen Fund hat Helga Schotte in den Schachteln getätigt: Ein kugelrundes Ei war zum Beispiel schon dabei. Von ihr mit Gold grundiert und mit weißgrünen Blumenornamenten verziert, ist es eine Besonderheit in ihrer Sammlung. Genauso wie die kleinen Vogeleier, die in eine Puppenstube passen würden. Außerdem bemalt sie auch Perlhuhnund Wachteleier.
Hat Helga Schotte die Eier gekauft, macht sie sich zu Hause ans Ausblasen. „Das ist eine Sache für sich. Dafür sollte man sich Zeit nehmen“, sagt sie. „Ich glaube, ich habe noch nie ein Ei aufgeschlagen, um es zu verwenden.“
Mit einer Nadel setzt sie zuerst sehr bedacht das Loch oben an der Spitze vom Ei, dann das unten. Dieses feilt sie mit einer kleinen Rundfeile noch etwas größer. „Und dann muss man kräftig pusten.“
Danach wäscht Helga Schotte die Eier gründlich aus und versieht die Öffnungen mit Lochverstärkungsringen aus dem Bürobedarf. Dann kommt Farbe ins Spiel. Zwei- bis dreimal grundiert sie ihre Eier, bevor die Motive darauf entstehen. „Es muss schön deckend sein, damit man keine Pinselstriche mehr erkennen kann.“
Ist alles getrocknet, beginnt Helga Schotte mit den Verzierungen an Ober- und Unterseite des Eies, Ringe entstehen um die Löcher. Dann folgen die „Kanten“, die später das eigentliche Hauptmotiv einrahmen, und erst ganz zum Schluss vervollständigen die Bilder das Osterei.
Dabei hält Helga Schotte das Ei die ganze Zeit in der Hand. „Mit einem Gerät, in das ich das Ei einspanne, kann ich nicht arbeiten. Da fehlt mir das Gefühl.“Weil Kanten, Ringe und Bilder immer wieder trocknen müssen, arbeitet Helga Schotte oft stundenlang an einem Ei. Einige Bilder entstehen spontan in ihrem Kopf, während sie arbeitet. So ist jedes einzelne Osterei ein Unikat, und keines gleicht dem anderen.
Eine abschließende Grundierung brauchen die Eier nicht, sie werden nur vorsichtig ein wenig poliert. Dünne Seidenbänder, meist weiß, knotet Helga Schotte dann zusammen, führt den Knoten in das Loch auf der Oberseite des Eies ein – und fertig ist der Schmuck für den Osterstrauch.
Helga Schotte hat viele ihrer Eier in den Fenstern, die auf den Heimenstein schauen, aufgehängt. An Gardienenstangen, die mit Spitzeborten verkleidet sind, hängen sie dort farblich abgestimmt und warten auf das Osterfest.
Die Tradition des Eierfärbens hat sich von Russland und Armenien nach Europa ausgebreitet. Für Deutschland sind gefärbte Eier erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt. Bereits Georg Franck hat im Jahr 1682 in der Schrift „Satyrae“das Verstecken der Ostereier für Kinder und den Osterhasen beschrieben. In der christlichen Theologie gilt das Ei als Symbol der Auferstehung.
Die ältesten archäologischen Funde von dekorierten Eierschalen sind etwa 60 000 Jahre alt und stammen aus dem südlichen Afrika. In antiken Gräbern der Sumerer und Ägypter fanden Wissenschaftler 5000 Jahre alte verzierte Straußeneier.
Helga Schotte aber bleibt bei den Hühnereiern und wird so schnell mit ihrer ganzjährigen Ostertradition nicht aufhören.