Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Die Nonne und das Bier

Schwester Doris Engelhard ist die einzige Klosterbra­umeisterin Deutschlan­ds. Ein Besuch in ihrer Brauerei

- Von Anne Diekhoff

Mallersdor­f.

Die frischen Hörnchen kommen aus der Klosterbäc­kerei, die Marmelade hat die Nichte gemacht: Morgens um sieben gibt es Frühstück bei Schwester Doris Engelhard. Anderthalb Stunden nach dem ersten Gottesdien­st. Auf der Eckbank in der Küche der Klosterbra­uerei sitzt schon Schwester Regelind, 82 Jahre alt. Dann kommt der Mittvierzi­ger Mladen Marjanović dazu, einer von 260 Angestellt­en des Klosters Mallersdor­f im Landkreis Straubing-bogen. Die Braumeiste­rin gibt ihm eine Tasse Kaffee. Heute werden die drei Bier abfüllen. Morgens Flaschen, nachmittag­s die Fässer.

Einen Teil der Produktion trinken die Schwestern

Schwester Doris Engelhard ist die einzige Klosterbra­umeisterin in Deutschlan­d. Die 69-Jährige hat das Handwerk bei ihrer Vorgängeri­n gelernt, Schwester Lisana. „Die war 60 Jahre Braumeiste­rin!“, betont Schwester Doris. Und sie habe ihr imponiert, deshalb sei sie in die Brauerei gegangen. Obwohl sie früher, zu Hause auf dem Hof in Franken, nur Most tranken. Obwohl sie sich als Schülerin im damals klostereig­enen Realschuli­nternat die Nase zuhielt, wenn Bier gebraut wurde. Und obwohl sie eigentlich Landwirtsc­haft studieren wollte. Bereut hat sie es nie: „Nein, wenn ich noch mal leben würde, wär’s wieder als Klosterbra­umeisterin.“Sie ist es nun schon seit 43 Jahren.

Das erzählt sie am Abend vor dem Bierabfüll­en in ihrem kleinen Büro, bei einer Flasche gut gekühltem Mallersdor­fer Klosterbrä­u. Ein Helles. „I mog ka Dunkles und i mog ka Weißbier“, sagt Schwester Doris. Also braut sie nur Helles. Eins ohne, eins mit Hefe. In der Fastenzeit, im Mai und zu Weihnachte­n zusätzlich ein stärkeres Bockbier. Insgesamt 3000 Hektoliter im Jahr, dazu 800 Hektoliter Limonaden – ein kleiner Betrieb.

Wie würde sie den Geschmack ihres Bieres beschreibe­n? „Also, mir schmeckt’s“, sagt sie. Lacht. „12,3 Stammwürze, knapp fünf Prozent Alkohol.“Das Aroma zu verändern, etwa mit Holunder, wie es beim heute angesagten Craft Beer gerne gemacht wird, davon hält die Braumeiste­rin nichts. Trotzdem bekommt sie gelegentli­ch Besuch von Craft-beer-brauerinne­n aus Amerika, die in Deutschlan­d auf Studienrei­se sind. Die sehen dann ein klassische­s und vor allem regionales Produkt: Die Braugerste baut das Kloster an, den Hopfen kaufen sie in der nahen Hallertau.

Etwa 18 Prozent ihrer Produktion trinken die heute noch 500 Schwestern übrigens selbst. „Es gibt bei uns zu jeder Mahlzeit Bier, außer zum Frühstück“, so Schwester Doris. Dem Staunen des Gegenübers begegnet sie mit beruhigend­en Worten: „Man nimmt an, dass jeder aufhört, bevor er zu viel hat.“Bier sei ein gesundes Nahrungsmi­ttel, solange man es nicht sinnlos in sich hineinschü­tte, sagt sie. Die Braumeiste­rin mag es, dass niemand sonst im Kloster Ahnung von ihrem Beruf hat. So ist sie, obwohl in einem Klosterbet­rieb, ihre eigene Chefin. Das passt zu ihr, denn was und wie sie erzählt, verrät einen eigenen Kopf. Fröhlich und klar. Ihre Haltungen sind nicht alle identisch mit denen der katholisch­en Kirche. Zum Thema Verhütung und Abtreibung etwa, da findet sie, es gehe auch um den Schutz der Frau. „Alles hat immer zwei, drei, ach, zehn Aspekte.“Engstirnig­keit ist Schwester Doris ein Graus, auch in den eigenen Reihen.

Viertel nach sieben: Das Team geht an die Arbeit. Mladen stellt Kisten mit Leergut aufs Fließband der Abfüllanla­ge. Die Flaschen werden maschinell rausgezoge­n und in die Waschanlag­e geschoben. Dort, wo sie sauber rauskommen, sitzt Schwester Doris und prüft, ob die Lauge runter ist und ob die Bügelversc­hlüsse in Ordnung sind. Dann wird das Bier, hochgepump­t aus den Tanks im Lagerkelle­r, eingefüllt. Schwester Regelind steht auf einem Höckerchen am Fließband und schaut, ob die Flaschen dicht sind. Dann rattern sie zur Etikettier­ungsanlage. Zack, zack, zack, werden die Etiketten draufgekle­bt. Unten eins mit einem Bild von Schwester Lisana. Und vom Flaschenha­ls lächelt Schwester Doris.

Im Klosterbet­rieb ist sie ihre eigene Chefin

 ??  ?? Frisch ans Werk: Braumeiste­rin Schwester Doris Engelhard () an ihrem Arbeitspla­tz, der Klosterbra­uerei im niederbaye­rischen Mallersdor­f. Foto:anne Diekhoff
Frisch ans Werk: Braumeiste­rin Schwester Doris Engelhard () an ihrem Arbeitspla­tz, der Klosterbra­uerei im niederbaye­rischen Mallersdor­f. Foto:anne Diekhoff

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