Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Ein Ausbrecher als Zeuge
Besondere Sicherheitsvorkehrungen führen zu Verzögerung im Erfurter Drogenprozess. Vasilie T. schweigt vor Gericht
Erfurt.
Sein Auftritt währt keine zehn Minuten. Vasilie T. ist als Zeuge im Drogenprozess am Landgericht Erfurt geladen. Außer einiger persönlicher Angaben hat er aber nichts zu sagen.
Drei der vier Angeklagten sind Verwandte von ihm, sein Bruder, eine Cousine und seine Tante. Diese sollen unter anderem mit größeren Mengen Marihuana gehandelt haben. Also darf der Zeuge schweigen. Auch weil er selber Angeschuldigter in einem weiteren Strafverfahren ist und sich nicht selber belasten muss.
Denn der Vorwurf, Drogen vertickt zu haben, trifft auch Vasilie T. Auch er ist am Landgericht Erfurt angeklagt. Allerdings wurde sein Verfahren noch nicht eröffnet.
Bekannt gemacht hat den 36Jährigen seine spektakuläre Flucht aus dem Gefängnis Suhlgoldlauter im vergangenen Oktober. Am helllichten Tag konnte er sich hinter Gittern im Werkstattbereich in einem Karton verstecken, der dann per Lastwagen aus dem Gefängnis gefahren wird. Die Flucht fällt nicht gleich auf.
Erst als der Laster sein Ziel erreicht, bemerken Beschäftigte die geöffnete Kiste auf der Ladefläche. Da fehlt von Vasilie T. bereits jede Spur. Trotz Lebensgefährtin lässt er sich in Thüringen offenbar nirgendwo blicken.
Zielfahnder des Landeskriminalamtes (LKA) spüren den Entflohenen Ende März in Rumänien im Grenzgebiet zur Republik Moldau wieder auf. Er kann festgenommen werden.
Pünktlich zum Prozessauftakt im Drogenverfahren am Landgericht Erfurt erreicht diese Nachricht auch die Thüringer Öffentlichkeit. Bereits einige Tage später wird der 36-Jährige von Rumänien wieder nach Thüringer überstellt. Seither sitzt er im Gefängnis bei Gräfentonna in Untersuchungshaft.
Wie gesagt, da hat der Prozess vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht Erfurt gegen seine drei Verwandten und einen vierten Angeklagten bereits begonnen. Versuche der Verteidiger, das Verfahren noch einmal neu aufzurollen, um mit Vasilie T. als Angeklagten verhandeln zu können, scheitern. So ist er gestern nur als Zeuge geladen und äußert sich nicht zu den Vorwürfen. Das Gericht erfährt lediglich, dass er rumänischer Staatsbürger und Berufskraftfahrer ist. Mit seiner Lebensgefährtin hat er zwei Kinder.
Der Zeuge spricht deutsch und kann auf einen Dolmetscher verzichten. Allerdings stellt ihm das Gericht mit Anwalt Frank Wellner einen Rechtsbeistand zur Seite.
Trotz des kurzen Auftritts von Vasilie T. hat die Schwurgerichtskammer am Ende von dessen Aussage bereits anderthalb Stunden verhandelt. Die Justizwachtmeisterei am Landgericht Erfurt könne den Untersuchungsgefangenen nicht gleich zu Prozessbeginn gegen 9 Uhr vorführen, sondern erst gegen 10.30 Uhr. Darüber informiert der Vorsitzende Richter, Markus von Hagen, die Prozessbeteiligten zum Auftakt. Besondere Sicherheitsvorkehrungen verzögern offenbar dessen Vernehmung.
Im Drogenprozess vor der Schwurgerichtskammer wird seit Ende März gegen zwei Männer und zwei Frauen verhandelt. Sie sollen als Bande unerlaubt mit Marihuana gehandelt haben. Das Rauschgift wurde laut Staatsanwaltschaft kiloweise aus den Niederlanden nach Thüringen gebracht. Der Schmuggel soll insgesamt etwa 86 Kilogramm umfassen.
Bei mehreren Fahrten wurden zwischen fünf und 20 Kilogramm transportiert, wirft die auf organisierte Kriminalität spezialisierte Staatsanwaltschaft in Gera einzelnen Angeklagten vor. Die Hintermänner des Drogenhandels seien bisher aber nicht ermittelt worden.
Der Weiterverkauf des Marihuanas in Erfurt sei unter anderem über eine der beiden Angeklagten mit organisiert worden. Sie soll in Portionen von jeweils 100 Gramm die Drogen abgegeben haben. Laut Anklage kann so ein Gewinn von mehr als einer halben Million Euro zusammengekommen sein.
Einige dieser Anklagevorwürfe stützen gestern zwei weitere Richter des Landgerichts Erfurt als Zeugen. Sie verhandelten vor einiger Zeit ebenfalls einen Prozess gegen einen vermeintlichen Drogendealer und verurteilten diesen auch. Ihr Angeklagter soll in seinem Prozess unter anderem bestätigt haben, dass er Marihuana in 100-Gramm-paketen auch von einer der angeklagten Frauen aus dem Verfahren vor der Schwurgerichtskammer gekauft habe.
Mehrere Verteidiger widersprechen den Aussagen der beiden Richter. Aus Sicht der Anwälte ist nicht eindeutig geklärt, welche Frau die Drogen geliefert und verkauft haben soll.
Zwei Richter stützen Teile der Anklage