Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
„Eine ureigene Leistung des Ostens“
Forscher widmen sich Bedeutung der Altstadt-initiativen für die Wende in der DDR. Bund gibt drei Millionen Euro
Erfurt.
1987 öffnet sich die Michaeliskirche in Erfurt für eine besondere Ausstellung. Unter dem Motto „Stadtgerechter Verkehr – verkehrsgerechte Stadt“informiert die Arbeitsgruppe Stadt- und Wohnumwelt über Pläne zum Abriss des Andreasviertels. Nach dem Willen der damaligen Stadtväter sollte der Stadtring durch die Altstadt fortgeführt werden. 12000 Menschen sahen die Mahnung, mit der sich die Aktivisten der offiziellen Stadtplanung widersetzten. Eine zweite Ausstellung „Stadt am Kreuzweg“fand 1988 zum Kirchentag statt. Bis heute gelten die Initiativen zur Rettung der Altstadt als ein Wachmacher für die spätere Wende.
Genau untersuchen wollen das nun Wissenschaftler aus Kaiserslautern, Jena, Kassel und Erkner im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Bedeutung der Bürgerinitiativen gegen den Altstadtzerfall für die Wende in der DDR. „Auffällig ist, wie problemlos und schnell die behutsame Stadterneuerung nach der Wende einsetzte. Offenbar gab es neben dem nun vorhandenen Geld bereits eine eigene Bereitschaft in der ostdeutschen Gesellschaft für eine andere Stadtentwicklung“, sagt Holger Schmidt, Projektleiter und Professor für Stadtumbau an der TU Karlsruhe. Der gebürtige Jenaer hat die Wendezeit in Weimar erlebt. Die Untersuchung von rund 70 Initiativen in der DDR gehört zu den Projekten, die der Bund mit 40 Millionen Euro fördert, um so Wissenslücken zur Ddr-geschichte zu schließen. Beantragt haben die Stadtforscher drei Millionen Euro.
Eine These der Wissenschaftler, zu denen auch Max Welchguerra von der Weimarer Bauhaus-universität gehört, geht davon aus, dass der Protest gegen die Vernachlässigung der Städte wesentlicher Initiator für die Proteste von 1989 und für den Wiederaufbau danach war. „Das war eine ureigene Leistung des Ostens“, sagt der Weimarer Professor für Stadtforschung. Mit Museen vor Ort sind Expertenund Zeitzeugengespräche geplant, auch Wanderausstellungen mit regionalem Bezug sollen entstehen.