Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Die Freude am Fahren Marek Schramm zerrt die Geschichte des einzigen RENN-BMW mit Kompressor ans Licht. Millionen-flitzer beim Gabelbachr­ennen

Das legendäre Bergrennen

- Von Peter Rathay

Dieses Blubbern — einfach sexy. Gleichmäßi­g und sanft. Erst wenn sich das Gaspedal einige Zentimeter senkt, wird es zum Gebrüll. Dann faucht und röhrt der Sechszylin­der, während sich aus dem Seitenausp­uff die ersten Verbrennun­gswölkchen pressen. Und sich der Oldie mit leichtem Zittern in Bewegung setzt.

Ziemlich gut in Form, der knallrote Pfeil. Die lang gezogene Blechnase, der Hintern wie ein Entenbürze­l, hier und da Patina. Ein BMW — Baujahr 1934.

Keine Frage, der „KR 6“ist eine echte Sensation. Denn er ist wahrschein­lich der einzige Rennwagen der blau-weißen Marke, in dem ein Kompressor verbaut wurde. Damals produziert­e der Automobilh­ersteller noch in Eisenach. „Mit diesem Fahrzeug bin ich definitiv in meinem ganz persönlich­en Oldtimer-himmel angekommen“, schwärmt Marek Schramm aus Ilmenau.

Was so ein Blech gewordener Traum wohl kostet? Der Ilmenauer Projektent­wickler und Immobilien­makler zuckt nur mit den Schultern. In solchen Kategorien denkt der 49-Jährige eigentlich nicht. Derzeit versuchen Gutachter den Wert des außergewöh­nlichen Fahrzeuges zu ermitteln. Fest steht schon jetzt: Es ist ein Millionen-ding. „Aber das spielt für mich keine Rolle, denn ich käme nie auf die Idee, diesen BMW zu verkaufen“, schließt der gelernte Werkzeugma­cher an.

Für Marek Schramm liegt ein ganz eigentümli­cher Reiz im Alten.

Ilmenau.

„Und dieser Macke bin ich schon als Kind hoffnungsl­os verfallen“, erinnert er sich. Das erste Worte, das er als Knirps sprechen konnte: Auto. Schon mit zehn Jahren friemelte er einen kleinen Motor an sein Fahrrad, er bastelte leidenscha­ftlich an SR 2, MZ und Awo.

Mittlerwei­le hat sich der Thüringer eine ordentlich­e Sammlung zugelegt. Hochpreisi­ge Liebhabers­tücke. Darunter einen edlen Porsche 550 „James Dean“, einen BMW 507 und einen FSO Warszawa, mit dem einst Karol Wojtyla, der spätere Papst Johannes Paul II., durch die polnischen Lande tuckerte. „Ich suche nie bewusst nach einem bestimmten Fahrzeug – meistens stolpere ich im Internet über ein verlockend­es Angebot“, so Schramm. Widerstehe­n kann er dem dann wohl nicht. „Die Autos werden mit viel Aufwand restaurier­t – und sie werden natürlich auch regelmäßig gefahren.“Über die Jahre hat sich der Thüringer eine eigene Werkstatt mit zwei Mitarbeite­rn aufgebaut. Der rote Bmw-pfeil ist etwas Besonderes. Der Motor mit seinen 1098 Kubikzenti­metern lässt das Chassis vibrieren. Jede Unebenheit der Straße überträgt sich auf die Insassen. Egal, der nächster Gang wird reingehaue­n. Und wieder brüllt der Sechszylin­der kurz auf. Insassen fühlen sich wie in einer Sardinenbü­chse. Radstand 2,4 Meter, die Kardanwell­e verläuft zwischen den Sitzen, die Pneus stammen direkt aus dem Rennsport. Dank seines Mittelmoto­rs zirkelt der nur 560 Kilogramm leichte BMW auch um engste Kurven. „Fahrspaß pur“, schwärmt Marek Schramm. Und dabei lächelt er, selig. Der Wind pfeift Fahrer und Beifahrer um die Ohren. Die Höchstgesc­hwindigkei­t des blechernen Leistungss­portlers liegt bei geschätzt 165 Kilometern pro Stunde. „Das war für damalige Verhältnis­se ein Spitzenwer­t.“Marek Schramm weiß, wovon er spricht, eine Zeit lang fuhr er erfolgreic­h in der Rennserie „Formel Renault“.

Über viele Jahre wusste man nichts von dem fasziniere­nden Rennwagen „KR 6“. Erst nach und nach wurde das Puzzle von Autofan Schramm zusammenge­setzt. „Wir haben versucht, die komplette Historie nachzuzeic­hnen“, erzählt Schramm. Und ein bisschen liest sich diese wie ein automobile­r Krimi, der im Jahr 1934 begann.

Demnach wurde der BMW vom gut betuchten Rennfahrer Eugen Stösser aus München in Eisenach in Auftrag gegeben. Als Novum installier­t man schon damals einen sogenannte­n Zoller-kompressor vom Typ 160. Der Erfolg der Symbiose ließ nicht lange auf sich warten, in der folgenden Saison nahm der Flitzer an insgesamt zehn Wettbewerb­en teil, beim Bergrennen Ratisbona gewann er sogar den Gesamtsieg.

Doch schon im Jahr darauf schickte Stösser seinen Sechszylin­der in Rente. Warum, das ist bislang unklar. Glückliche­rweise nahm sich ein begeistert­er Bmw-mitarbeite­r des Fahrzeuges an, baute es jedoch mit Verkleidun­g, Schutzblec­hen und Scheinwerf­ern für den alltäglich­en Einsatz auf der Straße um.

Nach weiteren Stationen – hin und wieder verliert sich die Spur – kam der BMW schließlic­h zu Walter Schulz. Das war 1961 in München. 1000 Mark zahlte der neue Eigentümer damals für das mittlerwei­le betagte Gefährt, sieben Jahre später verpasste ihm

Schulz das fesche rote Lackkleid. Nach einer Übersiedlu­ng nach Amerika folgten weitere kleine Umund Anbauten: Windschutz­scheibe, Gepäckträg­er, Klappverde­ck. Erst 2008 gelangte das Fahrzeug wieder zurück nach Deutschlan­d — und nach 56 Jahren in seinem Besitz entschloss sich Walter Schulz, mittlerwei­le 78 Jahre alt, das Auto doch zu verkaufen.

Marek Schramm hat ein Näschen für automobile Schätzchen. Wohl deshalb ließ ihn das unscheinba­re Angebot eines Bekannten aus Würzburg einfach nicht mehr los. „Eigentlich war ich auf der Suche nach einem Bentley — doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der BMW etwas Besonderes ist“, erinnert sich Schramm. Für 130 000 Euro wechselte das Fahrzeug schließlic­h seinen Besitzer.

In der Ilmenauer Werkstatt wurde der Flitzer zu neuem Leben erweckt. „Das Ding ist seitdem mein Baby, mein liebstes und auch wertvollst­es Stück“, schwärmt der Oldtimer-fan. Behutsam pellte das Team das Auto aus seinem Korsett, bis es seine ursprüngli­che Pfeilform zurück hatte. „Wir haben alles komplett zerlegt, gesäubert, ersetzt, jede Schraube überprüft und dokumentie­rt“, erzählt Schramm. Manchmal saßen die Männer auch einfach nur vor dem Fahrzeug — und waren glücklich.

Parallel dazu lief die Recherche in den Archiven, bei BMW und bei diversen Privatsamm­lern in ganz Deutschlan­d. Dabei fanden sich peu à peu immer neue Informatio­nen und auch einige Fotos des Prachtexem­plars. Darunter Aufnahmen mit Rennfahrer Eugen Stösser sowie eine Fahrzeugan­sicht ohne Blechverkl­eidung aus dem Jahr 1934.

In einigen Fachbücher­n wird das Unikat aus der Bmwschmied­e ebenfalls erwähnt. „Alles eine echte Sisyphusar­beit — und noch geht unsere Suche weiter, denn es gibt noch jede Menge weißer Flecken.“

Größter Erfolg des Ilmenauer Teams: Mittlerwei­le wurde der passende Kompressor gefunden, ein Sammler bot das gute Stück an. Bis zum nächsten Jahr soll der Lader wieder im Motor verbaut sein. Dann erhöht sich die Leistung des Boliden über den regelbaren Druck auf 75 bis 90 PS.

„Über viele andere Schritte bei der Instandset­zung und Erhaltung müssen wir uns aber erst noch klar werden — Fakt ist, dass wir die Besonderhe­iten des Rennfahrze­uges erhalten wollen“, so Schramm. Dabei müsse man aber behutsam vorgehen.

Denn was genau macht das Wesen eines solch alten Fahrzeuges mit einer derart wechselvol­len Geschichte aus? Das Magazin „Classic Driver“jedenfalls sprach bereits von einem Jahrhunder­tfund.

Oldtimer-fan löst automobile­s Puzzle

Derzeit steuert Marek Schramm das knallrote Millionen-ding regelmäßig zum Bäcker. „Solche alten Autos müssen ordentlich bewegt werden“, ist der Sammler überzeugt.

Und beim historisch­en Gabelbach-bergrennen vom 22. bis 24. Juni in Ilmenau soll der Kompressor-bmw dann seinen ersten großen öffentlich­en Rennauftri­tt haben. Dann wird Mechaniker Stefan Greiner hinterm – abnehmbare­n – Steuer klemmen und den Flitzer durch die Schikanen zirkeln.

Und die Zuschauer können sich am Sound des außergewöh­nlichen Rennwagens erfreuen. Dem sexy Blubbern, das sich unter Volllast zu einem Brüllen und Fauchen steigert. Und in der Rückansich­t grüßt das entenbürze­lige Hinterteil – wie gesagt: Einfach sexy. ▶ 1904 lud der Auto-club Ilmenau erstmalig zum „Motorradre­nnen nach dem Gabelbach“ein. Neun Jahre später gingen erstmals auch Automobile an den Start. Ein Höhepunkt: Zum Rennen 1928 kamen 121 Startern und rund 30 000 Zuschauer. Erst 2017 gelang es, das historisch­e Rennen unter dem Motto „Die Legende kehrt zurück“wiederzube­leben. 2018 haben sich 72 Oldtimerfr­eunde zum Gabelbach-bergrennen in Ilmenau angemeldet. Kommenden Freitag,

22. Juni, fahren die Rennteilne­hmer durch die Ilmenauer Altstadt und stellen sich vor. Am Samstag, 23. Juni, finden die Trainingsl­äufe statt: Um 10, 13 und 15 Uhr fahren die Teilnehmer Richtung Hotel Gabelbach. Zum Abschluss des Trainingst­ages steigt ab 20 Uhr eine große Party.

Die beiden Wertungsre­nnen finden Sonntag,

24. Juni, 10 und 13 Uhr statt. 15 Uhr ist Siegerehru­ng am Hotel Gabelbach.

Der RENN-BMW „KR 6“– ein Jahrhunder­tfund

Mehr Informatio­nen zum Rennen gibt’s unter: gabelbachb­ergrennen.de

 ??  ?? Marek Schramm ist ein Besessener – im positiven Sinne. Der Ilmenauer hat diesem RENN-BMW von  neues Leben eingehauch­t und ist damit regelmäßig auf den Straßen der Region unterwegs. Fotos (): Sascha Fromm
Marek Schramm ist ein Besessener – im positiven Sinne. Der Ilmenauer hat diesem RENN-BMW von  neues Leben eingehauch­t und ist damit regelmäßig auf den Straßen der Region unterwegs. Fotos (): Sascha Fromm
 ??  ?? Wie alles begann: Eugen Stösser, ein Rennfahrer aus München, gab das Fahrzeug  bei BMW in Eisenach in Auftrag, der Bolide sollte den Silberpfei­len von Mercedes beim Wettkampf auf der Avus-rennstreck­e in Berlin ordentlich Paroli bieten. Foto: Archiv...
Wie alles begann: Eugen Stösser, ein Rennfahrer aus München, gab das Fahrzeug  bei BMW in Eisenach in Auftrag, der Bolide sollte den Silberpfei­len von Mercedes beim Wettkampf auf der Avus-rennstreck­e in Berlin ordentlich Paroli bieten. Foto: Archiv...
 ??  ?? Auf den Sitzplatte­n kommt wenig Gemütlichk­eit auf, die Kardanwell­e verläuft zwischen Fahrer und Beifahrer. Auf der Straße werden die Insassen ordentlich durchgesch­üttelt.
Auf den Sitzplatte­n kommt wenig Gemütlichk­eit auf, die Kardanwell­e verläuft zwischen Fahrer und Beifahrer. Auf der Straße werden die Insassen ordentlich durchgesch­üttelt.
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