Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Die Freude am Fahren Marek Schramm zerrt die Geschichte des einzigen RENN-BMW mit Kompressor ans Licht. Millionen-flitzer beim Gabelbachrennen
Das legendäre Bergrennen
Dieses Blubbern — einfach sexy. Gleichmäßig und sanft. Erst wenn sich das Gaspedal einige Zentimeter senkt, wird es zum Gebrüll. Dann faucht und röhrt der Sechszylinder, während sich aus dem Seitenauspuff die ersten Verbrennungswölkchen pressen. Und sich der Oldie mit leichtem Zittern in Bewegung setzt.
Ziemlich gut in Form, der knallrote Pfeil. Die lang gezogene Blechnase, der Hintern wie ein Entenbürzel, hier und da Patina. Ein BMW — Baujahr 1934.
Keine Frage, der „KR 6“ist eine echte Sensation. Denn er ist wahrscheinlich der einzige Rennwagen der blau-weißen Marke, in dem ein Kompressor verbaut wurde. Damals produzierte der Automobilhersteller noch in Eisenach. „Mit diesem Fahrzeug bin ich definitiv in meinem ganz persönlichen Oldtimer-himmel angekommen“, schwärmt Marek Schramm aus Ilmenau.
Was so ein Blech gewordener Traum wohl kostet? Der Ilmenauer Projektentwickler und Immobilienmakler zuckt nur mit den Schultern. In solchen Kategorien denkt der 49-Jährige eigentlich nicht. Derzeit versuchen Gutachter den Wert des außergewöhnlichen Fahrzeuges zu ermitteln. Fest steht schon jetzt: Es ist ein Millionen-ding. „Aber das spielt für mich keine Rolle, denn ich käme nie auf die Idee, diesen BMW zu verkaufen“, schließt der gelernte Werkzeugmacher an.
Für Marek Schramm liegt ein ganz eigentümlicher Reiz im Alten.
Ilmenau.
„Und dieser Macke bin ich schon als Kind hoffnungslos verfallen“, erinnert er sich. Das erste Worte, das er als Knirps sprechen konnte: Auto. Schon mit zehn Jahren friemelte er einen kleinen Motor an sein Fahrrad, er bastelte leidenschaftlich an SR 2, MZ und Awo.
Mittlerweile hat sich der Thüringer eine ordentliche Sammlung zugelegt. Hochpreisige Liebhaberstücke. Darunter einen edlen Porsche 550 „James Dean“, einen BMW 507 und einen FSO Warszawa, mit dem einst Karol Wojtyla, der spätere Papst Johannes Paul II., durch die polnischen Lande tuckerte. „Ich suche nie bewusst nach einem bestimmten Fahrzeug – meistens stolpere ich im Internet über ein verlockendes Angebot“, so Schramm. Widerstehen kann er dem dann wohl nicht. „Die Autos werden mit viel Aufwand restauriert – und sie werden natürlich auch regelmäßig gefahren.“Über die Jahre hat sich der Thüringer eine eigene Werkstatt mit zwei Mitarbeitern aufgebaut. Der rote Bmw-pfeil ist etwas Besonderes. Der Motor mit seinen 1098 Kubikzentimetern lässt das Chassis vibrieren. Jede Unebenheit der Straße überträgt sich auf die Insassen. Egal, der nächster Gang wird reingehauen. Und wieder brüllt der Sechszylinder kurz auf. Insassen fühlen sich wie in einer Sardinenbüchse. Radstand 2,4 Meter, die Kardanwelle verläuft zwischen den Sitzen, die Pneus stammen direkt aus dem Rennsport. Dank seines Mittelmotors zirkelt der nur 560 Kilogramm leichte BMW auch um engste Kurven. „Fahrspaß pur“, schwärmt Marek Schramm. Und dabei lächelt er, selig. Der Wind pfeift Fahrer und Beifahrer um die Ohren. Die Höchstgeschwindigkeit des blechernen Leistungssportlers liegt bei geschätzt 165 Kilometern pro Stunde. „Das war für damalige Verhältnisse ein Spitzenwert.“Marek Schramm weiß, wovon er spricht, eine Zeit lang fuhr er erfolgreich in der Rennserie „Formel Renault“.
Über viele Jahre wusste man nichts von dem faszinierenden Rennwagen „KR 6“. Erst nach und nach wurde das Puzzle von Autofan Schramm zusammengesetzt. „Wir haben versucht, die komplette Historie nachzuzeichnen“, erzählt Schramm. Und ein bisschen liest sich diese wie ein automobiler Krimi, der im Jahr 1934 begann.
Demnach wurde der BMW vom gut betuchten Rennfahrer Eugen Stösser aus München in Eisenach in Auftrag gegeben. Als Novum installiert man schon damals einen sogenannten Zoller-kompressor vom Typ 160. Der Erfolg der Symbiose ließ nicht lange auf sich warten, in der folgenden Saison nahm der Flitzer an insgesamt zehn Wettbewerben teil, beim Bergrennen Ratisbona gewann er sogar den Gesamtsieg.
Doch schon im Jahr darauf schickte Stösser seinen Sechszylinder in Rente. Warum, das ist bislang unklar. Glücklicherweise nahm sich ein begeisterter Bmw-mitarbeiter des Fahrzeuges an, baute es jedoch mit Verkleidung, Schutzblechen und Scheinwerfern für den alltäglichen Einsatz auf der Straße um.
Nach weiteren Stationen – hin und wieder verliert sich die Spur – kam der BMW schließlich zu Walter Schulz. Das war 1961 in München. 1000 Mark zahlte der neue Eigentümer damals für das mittlerweile betagte Gefährt, sieben Jahre später verpasste ihm
Schulz das fesche rote Lackkleid. Nach einer Übersiedlung nach Amerika folgten weitere kleine Umund Anbauten: Windschutzscheibe, Gepäckträger, Klappverdeck. Erst 2008 gelangte das Fahrzeug wieder zurück nach Deutschland — und nach 56 Jahren in seinem Besitz entschloss sich Walter Schulz, mittlerweile 78 Jahre alt, das Auto doch zu verkaufen.
Marek Schramm hat ein Näschen für automobile Schätzchen. Wohl deshalb ließ ihn das unscheinbare Angebot eines Bekannten aus Würzburg einfach nicht mehr los. „Eigentlich war ich auf der Suche nach einem Bentley — doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der BMW etwas Besonderes ist“, erinnert sich Schramm. Für 130 000 Euro wechselte das Fahrzeug schließlich seinen Besitzer.
In der Ilmenauer Werkstatt wurde der Flitzer zu neuem Leben erweckt. „Das Ding ist seitdem mein Baby, mein liebstes und auch wertvollstes Stück“, schwärmt der Oldtimer-fan. Behutsam pellte das Team das Auto aus seinem Korsett, bis es seine ursprüngliche Pfeilform zurück hatte. „Wir haben alles komplett zerlegt, gesäubert, ersetzt, jede Schraube überprüft und dokumentiert“, erzählt Schramm. Manchmal saßen die Männer auch einfach nur vor dem Fahrzeug — und waren glücklich.
Parallel dazu lief die Recherche in den Archiven, bei BMW und bei diversen Privatsammlern in ganz Deutschland. Dabei fanden sich peu à peu immer neue Informationen und auch einige Fotos des Prachtexemplars. Darunter Aufnahmen mit Rennfahrer Eugen Stösser sowie eine Fahrzeugansicht ohne Blechverkleidung aus dem Jahr 1934.
In einigen Fachbüchern wird das Unikat aus der Bmwschmiede ebenfalls erwähnt. „Alles eine echte Sisyphusarbeit — und noch geht unsere Suche weiter, denn es gibt noch jede Menge weißer Flecken.“
Größter Erfolg des Ilmenauer Teams: Mittlerweile wurde der passende Kompressor gefunden, ein Sammler bot das gute Stück an. Bis zum nächsten Jahr soll der Lader wieder im Motor verbaut sein. Dann erhöht sich die Leistung des Boliden über den regelbaren Druck auf 75 bis 90 PS.
„Über viele andere Schritte bei der Instandsetzung und Erhaltung müssen wir uns aber erst noch klar werden — Fakt ist, dass wir die Besonderheiten des Rennfahrzeuges erhalten wollen“, so Schramm. Dabei müsse man aber behutsam vorgehen.
Denn was genau macht das Wesen eines solch alten Fahrzeuges mit einer derart wechselvollen Geschichte aus? Das Magazin „Classic Driver“jedenfalls sprach bereits von einem Jahrhundertfund.
Oldtimer-fan löst automobiles Puzzle
Derzeit steuert Marek Schramm das knallrote Millionen-ding regelmäßig zum Bäcker. „Solche alten Autos müssen ordentlich bewegt werden“, ist der Sammler überzeugt.
Und beim historischen Gabelbach-bergrennen vom 22. bis 24. Juni in Ilmenau soll der Kompressor-bmw dann seinen ersten großen öffentlichen Rennauftritt haben. Dann wird Mechaniker Stefan Greiner hinterm – abnehmbaren – Steuer klemmen und den Flitzer durch die Schikanen zirkeln.
Und die Zuschauer können sich am Sound des außergewöhnlichen Rennwagens erfreuen. Dem sexy Blubbern, das sich unter Volllast zu einem Brüllen und Fauchen steigert. Und in der Rückansicht grüßt das entenbürzelige Hinterteil – wie gesagt: Einfach sexy. ▶ 1904 lud der Auto-club Ilmenau erstmalig zum „Motorradrennen nach dem Gabelbach“ein. Neun Jahre später gingen erstmals auch Automobile an den Start. Ein Höhepunkt: Zum Rennen 1928 kamen 121 Startern und rund 30 000 Zuschauer. Erst 2017 gelang es, das historische Rennen unter dem Motto „Die Legende kehrt zurück“wiederzubeleben. 2018 haben sich 72 Oldtimerfreunde zum Gabelbach-bergrennen in Ilmenau angemeldet. Kommenden Freitag,
22. Juni, fahren die Rennteilnehmer durch die Ilmenauer Altstadt und stellen sich vor. Am Samstag, 23. Juni, finden die Trainingsläufe statt: Um 10, 13 und 15 Uhr fahren die Teilnehmer Richtung Hotel Gabelbach. Zum Abschluss des Trainingstages steigt ab 20 Uhr eine große Party.
Die beiden Wertungsrennen finden Sonntag,
24. Juni, 10 und 13 Uhr statt. 15 Uhr ist Siegerehrung am Hotel Gabelbach.
Der RENN-BMW „KR 6“– ein Jahrhundertfund
Mehr Informationen zum Rennen gibt’s unter: gabelbachbergrennen.de