Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Suche nach Stabilität

Bundestrai­ner Löw muss eine Kurskorrek­tur vornehmen, um das Vorrunden-aus abzuwenden. Diese birgt Risiken

- Von Peter Ducke

Pfeifen im Walde, um die Angst vor dem Aus zu vertreiben, oder Überzeugun­g?

Leer war die „Sportschul­e“(Löw) Watutinki, weil der DFB am Montag eilig eine Pressekonf­erenz mit dem Kapitän von 2014 Philipp Lahm wieder absagte. Krisenmodu­s. Am Dienstag reist Löws Team nach Sotschi, wo es am Sonnabend im zweiten Gruppenspi­el auf Schweden treffen wird (20 Uhr/ ARD). Im Badeort sollte eine Erholungsp­hase beginnen, nun muss Löw dort einen Kurswechse­l vornehmen. Und er steckt dabei in einem Dilemma.

Löw führt eigentlich zwei Teams: die Weltmeiste­r um Khedira, die schon seit der WM 2010 den Kern bilden, und die Generation Sotschi. Jene Spieler, die vor einem Jahr vom Schwarzen Meer aus den Confed Cup gewannen wie Leon Goretzka. Es ist eine Mannschaft im Übergang, nur hatte Löw nicht erwartet, dass der Übergang schon jetzt notwendig werden könnte. Was aber passiert, sollte Löw den gegen Mexiko indisponie­rten Khedira nun aus der Startelf nehmen und Goretzka hinein? Könnte die Stimmung im Teil eins seiner Elf, dem der Weltmeiste­r, kippen?

Aber Löw braucht jetzt einen Plan B, nachdem er schon gegen die Mexikaner keinen parat hatte. Wie ausrechenb­ar diese deutsche Mannschaft geworden ist, zeigte eine Aussage von Mexikos Trainer Juan Carlos Osorio: „Wir hatten einen Matchplan, den haben wir bereits vor sechs Monaten aufgestell­t, schnell über Außen zu kommen“, sagte er.

Löw beorderte etwa den Rechtsvert­eidiger Joshua Kimmich nicht zurück, der vorn munter weiter stürmte, während hinten über seine Seite die mexikanisc­hen Beutezüge liefen. Die als Flügelstür­mer agierenden Außenverte­idiger waren eine Reaktion Löws darauf, dass seine Elf nach der EM 2016 zu wenige Offensiv-lösungen gefunden hatte. Nun scheint es, als bilde diese Maßnahme das Lindenblat­t aus der Nibelungen­sage, das den von seiner Unverwundb­arkeit überzeugte­n Weltmeiste­r verwundbar macht. Löw sieht das anders: „Wir hatten Ballverlus­te, die man sonst von der Mannschaft nicht kennt“, erklärte er. Aber bereits in den Testspiele­n gegen Österreich (0:1) und Saudi-arabien (2:1) hatte man Ähnliches gesehen.

Etwas fehlt, um wirklich wieder ein Titelkandi­dat zu sein – erst einmal Sicherheit. Deutschlan­d braucht einen neuen Stabilität­spakt wie 2014, als man nur vier Gegentore in sieben Wmspielen kassierte. Denkbar wäre die Umstellung auf eine Dreierkett­e in der Abwehr. Ein Verteidige­r mehr im Zentrum – Niklas Süle, Matthias Ginter oder Antonio Rüdiger – könnte den Kontrollve­rlust beheben. Aber dafür müsste ein Offensivsp­ieler weichen.

Nun wartet ein Endspiel gegen Schweden. Nach dem Sieg der Skandinavi­er gegen Südkorea am Montag (1:0) könnte Deutschlan­d bei einer weiteren Pleite schon aus dem Turnier fliegen. Das wäre nichts weniger als eine Sensation, die auch die Äralöw beim DFB beenden könnte.

Die „kleinen“Teams sind bisher die Überraschu­ng dieser WM. Egal, ob Mexiko, Island oder die Schweiz: Sie gehen ohne großen Respekt zu Werke und erzielen beachtlich­e Erfolge. Die Fußball-welt ist in ihrer Leistungsd­ichte ein gutes Stück zusammenge­rückt, das fällt mir bei dieser WM in den Auftaktspi­elen besonders auf. Ob das auch so bleibt, müssen wir abwarten.

Aber es haben alle aufgeholt. Sie wollen sich von den „Großen“nicht lächerlich machen lassen. Und wer es von ihnen versucht, wie zum Beispiel die Brasiliane­r gegen die Schweiz, der wird eiskalt bestraft. Das Auftreten von Neymar und Co. – aus dem Land des Wahnsinnsf­ußballs – fand ich anmaßend und arrogant. So kannst du nicht spielen.

Diese Ängstlichk­eit, die bei vielen Mannschaft­en bei ihren ersten Auftritten in Russland zu sehen ist, wundert mich. Als wir es 1974 zur WM geschafft hatten, haben wir von Beginn an alles reingelegt. Und wir waren dann ja letztlich vielleicht auch das Überraschu­ngsteam. Und es war damals sogar mehr drin.

Das Auftreten der deutschen Mannschaft war für mich beschämend. Da hat eine gehörige Portion Kampfgeist gefehlt. Unsere Mannschaft ist von den Mexikanern, die selber gar nicht geglaubt hätten, dass sie so gut spielen können, völlig überrascht worden. Wie die Mexikaner agiert haben, das war schon Klasse. Sie waren immer einen Schritt schneller, waren geistig voraus. Mit Blick auf das Spiel Schweden gegen Südkorea hat unsere Mannschaft aber noch alle Chancen, auch wenn es nach der Auftakt-niederlage richtig schwer wird. Ich glaube, dass unsere Mannschaft sich aber besinnt und nun endlich richtig dagegen halten wird.

Peter Ducke () spielte für den FC Carl Zeiss Jena und war in  Länderspie­len für die Ddrnationa­lelf ( Tore) aktiv.  nahm er an der WM teil.

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Foto: Alexander Hassenstei­n Verspekuli­ert: Bundestrai­ner Joachim Löw und Co-trainer Thomas Schneider wurden gegen Mexiko überrumpel­t.

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