Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Iranische Frauen protestieren gegen Stadion-bann
In ihrer Heimat ist es ihnen untersagt, ins Fußballstadion zu gehen. Das Internet soll helfen, den Klerus umzustimmen
Wie soll man sagen? Vielleicht so: Russisch ist schwierig. Für das mitteleuropäische Ohr und Auge ist da wenig, an dem man sich festhalten kann, das man herleiten könnte, um wenigstens so zu tun, als hätte man einander einigermaßen verstanden. Aber das Erfrischende am Russen ist, dass er den Fakt des Nicht-verstehens einfach übergeht und weiterredet. Russisch. Leere Blicke. Lächeln. Aber das ist ein anderes Thema.
Denn eigentlich geht es ums Essen. Und allein an der sprachlichen Barriere kann es nicht liegen, dass dem deutschen Restaurant-gast nun schon mehrfach die Reihenfolge der Darreichung von Speisen und Getränken bisweilen Rätsel aufgibt.
Die Restaurants in der Nähe des Hotels sind gut. Russische Speisekarte, die der Gast nicht versteht. Englische Karte, die die Bedienung nicht versteht. Aber ist es das?
Erster Abend, erstes Restaurant: Vorspeisensalat bestellt. Nicht bekommen. Erneut bestellt. Nicht bekommen. Aufgegeben. Immerhin: Ihn auch nicht bezahlen müssen.
Zweiter Abend, anderes Restaurant: Vorspeise bestellt, nicht bekommen. Nicht bestellte Vorspeise bekommen. Bestellte Beilage bekommen. Passende Hauptspeise nicht bekommen. Klingt kompliziert. Ist es auch. Vor Verwirrung das Ärgern vergessen. Zahlen! Rechnung erhalten.
Dritter Abend, gleiches Restaurant: Vorspeise bestellt. Andere Vorspeise erhalten. Ging auch weg. War gut. Zahlen! Die Rechnung wird nie vergessen.
Vierter Abend, gleiches Restaurant: Vorspeise bestellt. Vorspeise in doppelter Größe erhalten. Zweimal. Also sozusagen drei Portionen zu viel. Passend dazu: ein Getränk mehr als bestellt. Ging auch weg. Zahlen! Rechnung kommt.
Fünfter Abend: Vorspeise bestellt, Hauptspeise bestellt. Hauptspeise erhalten, Vorspeise erst danach als Nachspeise. Zahlen! Klappt.
Sechster Abend: Abwechslung muss sein. Asiatisches Restaurant. Viele asiatische Gäste. Aufmerksame asiatische Bedienung mit asiatischen und russischen Sprachkenntnissen. Speisekarte? Zweisprachig verfasst. Eigentlich gut. Allerdings: Chinesisch und Russisch. Feine Sache. Alles gekriegt, was bestellt war. Vermutlich.
Sotschi.
Das 1:0 gegen Südkorea war erst ein paar Minuten alt, als Emil Forsberg schon auf das Deutschland-spiel vorausblickte. „Jetzt hat Deutschland ein bisschen Druck“, sagte der schwedische Angreifer. „Wir alle haben das 0:1 gegen Mexiko gesehen – und das war nicht gut von Deutschland.“Der Stürmer vom Bundesligisten RB Leipzig erwartet beim Duell am Samstag (20 UHR/ARD) „ein geiles Spiel“. Wir sprachen mit dem Nationalspieler.
Herr Forsberg, stimmt es eigentlich, dass Schweden jetzt schon einen Wm-rekord sicher hat?
Sie wissen mehr als ich.
Wir haben gehört, dass die halbe Mannschaft rund um die WM Kinder bekommt. Was ist da los?
(Lachend.) Stimmt, Sie haben Recht. Das ist wirklich der Wahnsinn bei uns. Es gibt kaum einen in der Mannschaft, der nicht bald Vater wird. Wir Schweden scheinen einfach Bock auf Kinder zu haben. Vielleicht liegt das ja am schwedischen Wetter…
Auch Sie werden in diesem Sommer zum ersten Mal Vater. Müssen Sie sich Sorgen machen, dass sich Wm-finale und Stichtag überschneiden?
Nee, nee. Ich habe den Sommer gut geplant. Stichtag ist bei uns erst Anfang August. Im Normalfall muss ich mir also keine Gedanken machen, dass ich frühzeitig von der WM abreisen muss.
Schwedens neue Generation scheint damit ja schon mal gesichert. Wie würden Sie die aktuelle Nationalmannschaftsgeneration beschreiben?
Wir sind eine echte Gemeinschaft, kommen vor allem über Ungewohnte Freiheit: Iranische Frauen feiern mit. Foto: imago
Kassan.
In Kasan werden sie wieder ins Stadion gehen. Hunderte iranische Frauen, die heute (20 UHR/ARD) im zweiten Gruppenspiel des Außenseiters gegen Spanien ihre Mannschaft unterstützen wollen. Vermutlich werden sie wieder Bilder und Videos machen – wie beim 1:0-Auftaktsieg des Iran gegen Marokko – und diese in den Sozialen Netzwerken verbreiten. Denn in Russland kommen die Frauen in einen Genuss, der ihnen in der Heimat bislang verwehrt bleibt.
Seit der Islamischen Revolution 1979 ist es Frauen im Iran verboten, ein Fußballstadion zu betreten. Im Frühjahr wurden fast drei Dutzend Frauen festgenommen, die ihren Fuß hineinsetzen wollten. Die Sittenwächter glauben, dass die vulgären Äußerungen und die infernalischen Gesänge der Männer ihnen nicht gut bekämen. Der ehemalige Bundesligaspieler Ali Daei ist da ganz anderer Meinung: „Ich hoffe, dass die Frauen eines Tages ins Stadions dürfen. Wir werden mehr Zuschauer haben. Die Frauen werden sich freuen, und die Männer werden versuchen, sich besser zu benehmen.“
Im Krestowski-stadion tauchten vergangenen Freitag mehrere Plakate auf, die ein „Ende des Banns“einforderten. Der Weltverband Fifa schritt nicht ein, weil er die Bekundung als sozialen Appell und nicht als politische Botschaft verstand.
In Teheran musste Zahra Khoshnavaz zu besonderen Tricks greifen, um ins Stadion zu gelangen: Die Aktivistin hatte sich mit Vollbart und Wollmütze als Mann verkleidet, um einmal ihrem Lieblingsverein Persepolis zuzuschauen. Der ARD berichtete sie gerade von ihrem Aufsehen erregenden Coup: „Als ich den grünen Rasen sah, musste ich weinen. Erst wenn man drin ist, weiß man, was man jahrelang verpasst hat.“Ihre Bilder verbreiteten sich über die Social-media-kanäle in Windeseile. Genau wie die Schnappschüsse aus Russland soll steter Tropfen den Stein höhlen. Ihre Gesinnungsgenossen aus Kasan sind überzeugt, dass der verbohrte Klerus bald nicht anders kann, als die Blockadehaltung aufzugeben. Für sie wäre es fast der wichtigste Sieg, den Iran bei dieser WM feiern könnte.
▶