Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

„Jede Konjunktur ist endlich“

Finanzmini­sterin Taubert über die Landesfina­nzen. Gebührenfr­eies Kita-jahr als Einstieg in kostenlose Kinderbetr­euung

- Von Martin Debes

Heike Taubert (59) ist Finanzmini­sterin in einer Phase, in der sich Thüringen seit seiner Gründung noch nicht befand. Statt Defiziten erwirtscha­ftet das Land Überschüss­e, statt Verschuldu­ng gibt es Tilgung. Doch gerade vor dem Wahljahr wachsen die Begehrlich­keiten. TA sprach diese Woche mit der Sozialdemo­kratin darüber.

Frau Taubert, wie reich ist Thüringen?

Wenn Sie das auf die Finanzen beziehen, dann lautet die Antwort: Nicht sehr.

Na ja. Voriges Jahr blieben nach dem Haushaltsa­bschluss fast 900 Millionen übrig. . .

. . .was wieder ein Rekordüber­schuss war. Aber das liegt auch daran, dass die Wirtschaft boomt, dass noch Geld aus dem Solidarpak­t fließt und die Folgen der demografis­chen Entwicklun­g erst langsam spürbar werden.

Das heißt: Es wird schlechter?

Das habe ich nicht gesagt. Ich stelle nur fest: Thüringen ist ein Nehmerland, so wie alle neuen Länder, mit einer kleinteili­gen Wirtschaft und sinkender Einwohnerz­ahl. Die eigenen Steuereinn­ahmen decken nur zu etwa 60 Prozent unserer Ausgaben, der Rest sind Zuschüsse von EU, Bund und den Geberlände­rn.

Und diese Zuschüsse sinken.

Der Solidarpak­t läuft nächstes Jahr aus, und es ist leider wahrschein­lich, dass Thüringen wie alle anderen ostdeutsch­en Länder ab 2021 deutlich weniger Fördergeld von der EU bekommt. Außerdem ist jede Hoch-konjunktur endlich.

Und trotzdem wollen Sie, wie man in der Koalition hört, mit dem Haushalt 2020 mehr Geld ausgeben? Warum?

Das Etatvolume­n wird leicht über dem von 2018 und 2019 liegen, die genaue Summe steht noch nicht fest. Der Aufwuchs wird jedoch auch durch einen Inflations­aufschlag und die Tarifsteig­erungen verursacht.

Sie sind also sparsam? Das wird nicht nur die Opposition bestreiten.

Ich stelle mich gerne dieser Debatte. Wenn die Wahlperiod­e vorbei ist, wird diese Koalition eine Milliarde Euro an Altschulde­n von Cdu-regierunge­n getilgt und eine erhebliche Rücklage haben.

Aber Sie haben auch die jährlichen Ausgaben von neun auf fast 11 Milliarden Euro erhöht – und das angesichts der Risiken, die Sie eingangs beschriebe­n. Ist das kein Widerspruc­h?

Nein. Wir haben vor allem Vorsorge für Tarifsteig­erungen und Inflations­ausgleich geschaffen. Darüber hinaus haben wir unsere Spielräume punktuell für einzelne Projekte, insbesonde­re für Investitio­nen genutzt, zum Beispiel den Ausbau des schnellen Internets oder die Sanierung von Schulen. Und wir haben die Kommunen besser ausgestatt­et. Diese Politik setzen wir angesichts der guten Einnahmesi­tuation vorerst fort. Es wird weiter Landesinve­stitionen auf hohem Niveau geben und 100 Millionen zusätzlich für die Kommunen. Dafür werden wir 400 Millionen Euro aus der Rücklage nehmen. . .

. . .diese also wieder leeren?

Unsinn. Sie werden spätestens mit dem Haushaltsa­bschluss für das laufende Jahr sehen, wie gut die Rücklage gefüllt ist.

Der Gemeindebu­nd fordert, dass die 100 Millionen in den Kommunalen Finanzausg­leich fest integriert werden.

Ich kann mir vorstellen, dass wir so verfahren.

Die Linke will das nächste Kita-jahr beitragsfr­ei stellen. Das würde 30 Millionen im Jahr kosten. Muss da nicht die Finanzmini­sterin bremsen?

Auch die SPD hat immer gesagt: Das gebührenfr­eie letzte Kitajahr ist nur der Einstieg in eine Kinderbetr­euung, die für die Eltern kostenlos sein soll. Es geht allerdings parallel dazu darum, die Betreuungs­qualität zu erhöhen. Und auch das kostet Geld. Die Koalition muss beides abwägen und dann eine Entscheidu­ng treffen.

Bleibt die Frage, ob ein Landtag einen Haushalt verabschie­den kann, der erst wirkt, wenn der nächste Landtag bereits konstituie­rt ist.

Das Verfassung­srecht ist da eindeutig, in Bayern und Sachsen wird das im Rahmen von Doppelhaus­halten längst gemacht. Ein neuer Landtag könnte einen Haushalt frühestens im Frühsommer 2020 verabschie­den. Wir wollen aber, dass die Bürger, Unternehme­n und Vereine auch in der Zeit bis dahin Planungssi­cherheit haben.

Und Sie wollen Investitio­nen, Kommunalge­lder und das Kita-jahr im Wahlkampf vermarkten.

Das ist Ihre Interpreta­tion, nicht meine.

 ??  ?? Die Herrin der Thüringer Landeskass­e: Heike Taubert (SPD), seit  Finanzmini­sterin. Archiv-foto: Sebastian Kahnert, dpa
Die Herrin der Thüringer Landeskass­e: Heike Taubert (SPD), seit  Finanzmini­sterin. Archiv-foto: Sebastian Kahnert, dpa

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