Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
„Jede Konjunktur ist endlich“
Finanzministerin Taubert über die Landesfinanzen. Gebührenfreies Kita-jahr als Einstieg in kostenlose Kinderbetreuung
Heike Taubert (59) ist Finanzministerin in einer Phase, in der sich Thüringen seit seiner Gründung noch nicht befand. Statt Defiziten erwirtschaftet das Land Überschüsse, statt Verschuldung gibt es Tilgung. Doch gerade vor dem Wahljahr wachsen die Begehrlichkeiten. TA sprach diese Woche mit der Sozialdemokratin darüber.
Frau Taubert, wie reich ist Thüringen?
Wenn Sie das auf die Finanzen beziehen, dann lautet die Antwort: Nicht sehr.
Na ja. Voriges Jahr blieben nach dem Haushaltsabschluss fast 900 Millionen übrig. . .
. . .was wieder ein Rekordüberschuss war. Aber das liegt auch daran, dass die Wirtschaft boomt, dass noch Geld aus dem Solidarpakt fließt und die Folgen der demografischen Entwicklung erst langsam spürbar werden.
Das heißt: Es wird schlechter?
Das habe ich nicht gesagt. Ich stelle nur fest: Thüringen ist ein Nehmerland, so wie alle neuen Länder, mit einer kleinteiligen Wirtschaft und sinkender Einwohnerzahl. Die eigenen Steuereinnahmen decken nur zu etwa 60 Prozent unserer Ausgaben, der Rest sind Zuschüsse von EU, Bund und den Geberländern.
Und diese Zuschüsse sinken.
Der Solidarpakt läuft nächstes Jahr aus, und es ist leider wahrscheinlich, dass Thüringen wie alle anderen ostdeutschen Länder ab 2021 deutlich weniger Fördergeld von der EU bekommt. Außerdem ist jede Hoch-konjunktur endlich.
Und trotzdem wollen Sie, wie man in der Koalition hört, mit dem Haushalt 2020 mehr Geld ausgeben? Warum?
Das Etatvolumen wird leicht über dem von 2018 und 2019 liegen, die genaue Summe steht noch nicht fest. Der Aufwuchs wird jedoch auch durch einen Inflationsaufschlag und die Tarifsteigerungen verursacht.
Sie sind also sparsam? Das wird nicht nur die Opposition bestreiten.
Ich stelle mich gerne dieser Debatte. Wenn die Wahlperiode vorbei ist, wird diese Koalition eine Milliarde Euro an Altschulden von Cdu-regierungen getilgt und eine erhebliche Rücklage haben.
Aber Sie haben auch die jährlichen Ausgaben von neun auf fast 11 Milliarden Euro erhöht – und das angesichts der Risiken, die Sie eingangs beschrieben. Ist das kein Widerspruch?
Nein. Wir haben vor allem Vorsorge für Tarifsteigerungen und Inflationsausgleich geschaffen. Darüber hinaus haben wir unsere Spielräume punktuell für einzelne Projekte, insbesondere für Investitionen genutzt, zum Beispiel den Ausbau des schnellen Internets oder die Sanierung von Schulen. Und wir haben die Kommunen besser ausgestattet. Diese Politik setzen wir angesichts der guten Einnahmesituation vorerst fort. Es wird weiter Landesinvestitionen auf hohem Niveau geben und 100 Millionen zusätzlich für die Kommunen. Dafür werden wir 400 Millionen Euro aus der Rücklage nehmen. . .
. . .diese also wieder leeren?
Unsinn. Sie werden spätestens mit dem Haushaltsabschluss für das laufende Jahr sehen, wie gut die Rücklage gefüllt ist.
Der Gemeindebund fordert, dass die 100 Millionen in den Kommunalen Finanzausgleich fest integriert werden.
Ich kann mir vorstellen, dass wir so verfahren.
Die Linke will das nächste Kita-jahr beitragsfrei stellen. Das würde 30 Millionen im Jahr kosten. Muss da nicht die Finanzministerin bremsen?
Auch die SPD hat immer gesagt: Das gebührenfreie letzte Kitajahr ist nur der Einstieg in eine Kinderbetreuung, die für die Eltern kostenlos sein soll. Es geht allerdings parallel dazu darum, die Betreuungsqualität zu erhöhen. Und auch das kostet Geld. Die Koalition muss beides abwägen und dann eine Entscheidung treffen.
Bleibt die Frage, ob ein Landtag einen Haushalt verabschieden kann, der erst wirkt, wenn der nächste Landtag bereits konstituiert ist.
Das Verfassungsrecht ist da eindeutig, in Bayern und Sachsen wird das im Rahmen von Doppelhaushalten längst gemacht. Ein neuer Landtag könnte einen Haushalt frühestens im Frühsommer 2020 verabschieden. Wir wollen aber, dass die Bürger, Unternehmen und Vereine auch in der Zeit bis dahin Planungssicherheit haben.
Und Sie wollen Investitionen, Kommunalgelder und das Kita-jahr im Wahlkampf vermarkten.
Das ist Ihre Interpretation, nicht meine.