Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Versicherung gegen Reichsbürger-umtriebe
Altenburger Landrätin Sojka will Kreismitarbeiter bei Aktionen der Szene rechtlich schützen
Altenburg.
In wenigen Tagen muss Michaele Sojka (Linke) ihr Büro in der Lindenaustraße 9 in Altenburg räumen. Als Landrätin des Altenburger Landes ist sie abgewählt worden. Somit enden am 30. Juni sechs Jahre, in denen sie die Chefin der Kreisverwaltung gewesen ist.
Mit einer ihrer letzten Amtshandlungen hat sie sich einem besonders brisanten Problem gewidmet: den Reichsbürger-umtrieben, die in ihrem Landkreis stärker ausgeprägt zu sein scheinen als anderswo in Thüringen. Die Landrätin hat eine Rechtsschutzversicherung für die Mitarbeiter der Kreisverwaltung abgeschlossen, damit diese sich künftig nicht allein gegen die Umtriebe derjenigen wehren müssen, die wahlweise die Existenz der Bundesrepublik ablehnen, Gebührenbescheide nicht akzeptieren oder ihre Überzeugungen aus einem tief rechtsextremen und rassistischen Grundverständnis herleiten.
„Diese Sorgfaltspflicht konnte ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch zuteil werden lassen“, sagt Sojka über die Versicherung. Viel mehr zu leisten, dazu ist auch der Landkreis Altenburger Land kaum in der Lage. Wie auch? Die Kenntnisse über die Szene existieren kaum. „Wie viele Reichsbürger es gibt, das wissen wir nicht“, sagt Sojka. Allerdings kenne man einige besonders auffällige Personen.
Da sei zum Beispiel ein Geschäftsmann, der jeden Tag aus seinem „Reichsgebiet“zum Arbeiten quasi in die Bundesrepublik ausreist – zumindest in dessen Verständnis. Dagegen unternehmen kann die Verwaltung kaum etwas.
Was die Altenburger Landrätin ganz praktisch erfahren hat, deckt sich mit den Erkenntnissen von Andreas Speit. Der Autor und Journalist gilt als Experte für die rechtsextreme Szene und die Reichsbürgerbewegung. Mit elf weiteren Autoren hat er das Buch „Reichsbürger – Die unterschätzte Gefahr“herausgegeben. Von 18 000 Reichsbürgern deutschlandweit wird darin gesprochen. Eine Zahl, die man täglich ändern könne, ist Speit überzeugt, der das Buch jetzt in Altenburg auf Einladung der Thüringer Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Linke) vorgestellt hat.
Auf Thüringen blickend sagt Speit: „Wir haben hier eine sehr agile Szene.“Gleichwohl beobachte man auch hier, dass es sich bei denen, die sich als Reichsbürger sehen würden, längst nicht nur um randständige Personen handle. Da sei der Professor, der sich als Dozent einer Fachhochschule in München in ein „Deutsches Reichsgebiet“entlassen habe, genauso wie der Geschäftsmann aus der Mitte der Altenburger Gesellschaft.
Wie gefährlich Reichsbürger sein können, macht die Bundestagsabgeordnete Renner deutlich: „Sie haben gezeigt, dass sie zur Waffe greifen.“Deshalb müsse deren Entwaffnung auch in Thüringen vorangebracht werden – mit weit größerem Personalaufwand als derzeit.