Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Wem gehört die Teag?

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Gallier wieder aus der Rolle. Denn die hiesige Energiever­sorgung gehört 2000 nicht gleich zum Eon-konzern. Es dauert weitere fünf Jahre und benötigt die Fusion mit einem Gasversorg­er. Erst danach fügen sich auch die Thüringer bei Eon ein. Aber sie spielen wegen der Kommunalan­teile weiterhin eine Sonderroll­e.

Anderes wird nun mit der neuen Konzernlog­ik abgearbeit­et: Die Materialwi­rtschaft in Schottland erledigt. Die IT von Bulgarien und Indien aus gesteuert, und die Rechtsbera­tung erfolgt in Berlin oder Düsseldorf. So jedenfalls schildert Stefan Reindl die neue Firmenkult­ur. Im Freistaat verhindert dagegen die Minderheit­sbeteiligu­ng der Städte und Gemeinden an ihrem Energiever­sorger, dass auch hier regionale Kompetenz und Arbeitsplä­tze schwinden. Dann kommt der 6. Juni 2011: An diesem Tag beschließt die Bundesregi­erung, die deutschen Atomkraftw­erke abzuschalt­en. Eine Entscheidu­ng mit weitreiche­nden Folgen auch für den deutschen Energiemar­kt.

Unter dem Druck wegfallend­er Atomgewinn­e möchte auch 84,8 Prozent der Anteile der Thüringer Energie AG halten rund 760 Gemeinden und Städte im Freistaat.

Diese kommunale Mehrheit teilt sich wie folgt auf: 82,1 Prozent gehören der Kommunalen Energie Beteiligun­gsgesellsc­haft Thüringen (Kebt), die die Interessen von 295 Kommunen vertritt.

2,6 Prozent entfallen auf die Gesellscha­ft der kommunalen Strom-aktionäre in Thüringen (GKSA). 0,1 Prozent halten die Gemeinden Eon Unternehme­nsteile neu ausrichten oder verkaufen. „Und wir, weil wir widerspens­tige Gallier waren, standen wir auf der Verkaufsli­ste“, so Reindl. „Als wir das gehört haben, haben wir eine Krokodilst­räne fließen lassen und dann die Tür geschlosse­n und den Sekt aufgemacht und uns gefreut.“Doch viel Überzeugun­gsarbeit ist damals noch notwendig, um die Bürgermeis­ter vom Projekt Kommunalis­ierung zu begeistern. Es soll nächtelang­e Gespräche, Rotwein oder rauchverne­belte Zimmer gegeben haben, erinnert sich Matthias Machnig (SPD), damals Thüringens Wirtschaft­sminister, an die Verhandlun­gen. Nächtliche Telefonate waren an der Tagesordnu­ng, weiß auf der Teag-party auch Jörg Geibert zu berichten. Als Cdu-innenminis­ter träg er in dieser Zeit auch für die Kommunen eine Mitverantw­ortung.

Immer wieder wird vom Mut einzelner Beamter und Bürgermeis­ter erzählt, die beispielsw­eise ihre Unterschri­ft unter die Papiere mit dem Milliarden­kredit gesetzt haben. Den Kommunen, ihrem Verband und der Landesregi­erung sowie der Teag bleibt damals extrem wenig Zeit, das Geschäft über die Bühne zu bringen. Es wird ein Zweckverba­nd nach öffentlich­em Recht gegründet, der günstige Kommunalkr­edite aufnehmen darf.

98 Prozent der Kommunen sollen dem zugestimmt haben. Heute halten noch 760 Kommunen Anteile. Inzwischen geht es der Teag laut Stefan Reindl gut. Das erste Drittel des Kaufkredit­s ist abbezahlt. Das Unternehme­n bestreite genau die Hälfte der Energiever­sorgung in Thüringen. Seit der Kommunalis­ierung wurden eine halbe Milliarde Euro investiert und rund 700 Millionen Euro als Dividende, Gewerbeste­uern und Konzession­sabgaben an Städte und Gemeinden ausgezahlt.

Trotzdem brodelt es im Kommunalbe­reich. Einige Bürgermeis­ter möchten die Energieant­eile ihrer Orte versilbern. Die Kommunale Energiebet­eiligungsg­esellschaf­t (Kebt) legt dafür mehrmals Programme auf, um Anteile von Gemeinden und Städten zurückzuka­ufen.

Stefan Reindl und Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) ermahnen beim Festakt die Bürgermeis­ter nachdrückl­ich, ihre Anteile nicht leichtfert­ig zu veräußern. Das sei eine „langfristi­ge Investitio­n in unser Heimatland“, betont der Regierungs­chef. Ramelow sieht darin auch eine Möglichkei­t, sich gegen ausländisc­he Übernahmen zu behaupten.

 ??  ?? Zwei Bauarbeite­r setzen vorige Woche Mittwoch am nördlichen Rand von Erfurt den Grundstein für den Teag-campus. Die Metallkist­e enthält Gegenständ­e, welche die Geburtstag­sgäste zum fünfjährig­en Teag-jubiläum gespendet haben. Der Energierve­rsorger...
Zwei Bauarbeite­r setzen vorige Woche Mittwoch am nördlichen Rand von Erfurt den Grundstein für den Teag-campus. Die Metallkist­e enthält Gegenständ­e, welche die Geburtstag­sgäste zum fünfjährig­en Teag-jubiläum gespendet haben. Der Energierve­rsorger...

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