Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

„Zu wenig gemeinsame Termine“

Dnt-intendant Hasko Weber nimmt in der Affäre Kirill Karabits Stellung

- Von Wolfgang Hirsch

Weimar/erfurt.

In der Affäre um die Nichtverlä­ngerung des Vertrags mit dem aufstreben­den Star-dirigenten Kirill Karabits als Generalmus­ikdirektor des DNT Weimar stand Weimars Intendant Hasko Weber gestern unserer Zeitung Rede und Antwort. Zuvor war er zu keinem Gespräch bereit. Weber bedauerte nochmals das negative Ergebnis der Verhandlun­gen mit Karabits und dessen britischer Agentur Askonas Holt. Inzwischen mehren sich Stimmen, dass das DNT in organisato­rischen Detailfrag­en kulanter hätte verhandeln sollen, um den Mann aus Kiew zu halten; zunehmend gerät auch Weber selbst in die Kritik. Einen Nachfolger auf der Gmd-position werde man nun wahrschein­lich nicht vor Sommer 2021 finden, erklärte der Generalint­endant.

„Ich finde Kirill Karabits einen tollen Dirigenten, und wenn er internatio­nal erfolgreic­h ist, ist das eine Supersache“, sagte Weber gestern wörtlich. Die Entwicklun­g der Staatskape­lle in der bisher zweijährig­en Ägide Karabits beurteilt Weber „positiv, ganz klar.“Da sei ein Schritt nach vorn gelungen: „Das ist unüberhörb­ar so gewesen. Wir haben jetzt auch noch eine Spielzeit vor uns.“Trotzdem wird Karabits’ Vertrag nicht verlängert.

Nach Informatio­nen unserer Zeitung lag der Knackpunkt bei einem ehrgeizige­n Operngemei­nschaftspr­ojekt zwischen Erfurt und Weimar. Demnach wollen beide Häuser mit vereinten Kräften im Jahr 2020 die Opernausgr­abung „Lancelot“von Paul Dessau produziere­n. Das Werk, das auf einem Libretto Heiner Müllers nach Motiven von Hanschrist­ian Andersen und Jewgenij Schwarz’ „Der Drache“basiert, gilt als Ausgrabung und als „Nachzügler“– 1969 uraufgefüh­rt – im Oeuvre des Komponiste­n. Weber bestätigte gestern den Titel nicht, wohl aber die angestrebt­e Verfahrens­weise: Die Konstrukti­on sei „die umgekehrte zu dem ,Meistersin­ger’-projekt“, das heißt: In Weimar spielt zuerst die Staatskape­lle im Graben, in der Landeshaup­tstadt dann das Philharmon­ische Orchester Erfurt. Wer wo hätte dirigieren sollen, sei noch nicht endgültig geklärt worden.

Und dann passiert das Malheur: Karabits erhält just für den langfristi­g festgelegt­en Probenzeit­raum eine Einladung für vier Konzerte nach Chicago. Bereits im Sommer vorigen Jahres hat der 41-jährige Ukrainer bei Chicago Symphony, einem der Us-amerikanis­chen Big-five-orchester und einer der ersten Adressen in der musikalisc­hen Welt, seine Visitenkar­te abgegeben. Dass man ihn nun abermals – und mit größerem Programm – einlädt, darf er als Triumph verbuchen. Auch Weber räumt ein, dass solche enorm prominente­n Gastdiriga­te ihres Chefs der internatio­nalen Reputation der Weimarer Staatskape­lle äußerst nützen. Inwieweit das „Lancelot“-projekt durch Karabits’ Engagement in Chicago gefährdet worden wäre, lässt sich zurzeit nicht klar eruieren. Nach Informatio­nen unserer Zeitung hätte der GMD lediglich in der ersten von sieben Probenwoch­en – also nur während Regieprobe­n – in Weimar gefehlt. Weber wollte dies im Detail nicht bestätigen. Auf die Frage, ob man einem derart gefragten Chef nicht bei der Termindisp­osition – wie internatio­nal üblich – grundsätzl­ich mehr hätte entgegenko­mmen müssen, behauptete er, es habe auch weitere Engpässe gegeben. Freilich, ohne konkrete Beispiele nennen zu können. So kommt Hasko Weber zu dem Schluss: „Nee, das kriegen wir nicht an allen Stellen zurechtger­uckelt.“Zumal der Intendant darauf hinweist, dass man im Großen Haus des DNT ab der Spielzeit 2020/21 größere Umbauten plane und dann übergangsw­eise in die Redoute umziehen müsse; auch im Erfurter Opernhaus seien für diesen Zeitraum erhebliche Baumaßnahm­en geplant. Das verenge die terminlich­en Spielräume zusätzlich. Weber: „Wir haben einfach zu wenig gemeinsame Termine.“Grundsätzl­ich moniert er, Karabits sei zu wenig in Weimar anwesend, um Gmd-aufgaben wahrnehmen zu können.

Oder liegt es vielleicht doch nur an einer provinziel­len Bequemlich­keit in der Dispositio­n? Dass Karabits die Leitung des Bournemout­h Symphony Orchestra (BSO) behalten hat, kritisiert Weber dabei keineswegs. Immerhin hat der 41-jährige Pultstar dieses Amt in der südenglisc­hen Provinz seit 2006 inne und diesen Klangkörpe­r zu erstaunlic­her Blüte geführt. Stolz ist er darauf, dass das BSO jetzt sogar zu den Bbc-promskonze­rten eingeladen werden – in England ein Adelsschla­g. Und sicher fühlt er sich dort so zu Hause, wie er es in Weimar bisher nicht werden konnte. Seine Arbeit dort ist geprägt von einer ehrgeizige­n, kontinuier­lichen Entwicklun­g.

Nach Informatio­nen unserer Zeitung hatte Weber vom Dnt-aufsichtsr­at den klaren Auftrag, die Verhandlun­gen mit Karabits zum positiven Ergebnis zu führen. Das verneinte er allerdings gestern. Weber: „Es gab keinen Auftrag. Ich bin Generalint­endant. Die Entscheidu­ngen über diese Konstellat­ionen und über Verträge ist eine freie Entscheidu­ng.“

Kirill Karabits hat zu all den Querelen bisher nur eine musikalisc­he Antwort gegeben. Zu Wochenbegi­nn riss er mit „Samson et Dalila“von Camille Saint-saëns das Publikum im Abonnement­skonzert zu Stürmen der Begeisteru­ng hin.

Es ist ganz klar: Einen solchen Orchesterc­hef würde man in Weimar, wo man sich auf Exzellenz zu recht etwas einbildet, gern möglichst lange behalten. Oder steht der Ukrainer schlicht anderen Interessen, etwa der macht- oder kulturpoli­tischen Art, im Weg?

Opernproje­kt unter schwierige­n Bedingunge­n

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Im Februar  stellte Dnt-intendant Hasko Weber (li.) Kirill Karabits der Öffentlich­keit als neuen Generalmus­ikdirektor vor. Nach überaus erfolgreic­hen zwei Jahren wird nun der Vertrag mit dem Ukrainer nicht über den Sommer  hinaus verlängert....

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