Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Kontinuität und Stagnation
Noch zwei Tage. Und dann? Scheitert Deutschland an der Selbstherrlichkeit des Weltmeisterdaseins? An der Sturheit Löws? Wie sie allen großen Trainern eigen ist. Oder schafft die Elf die Wende? Dank eines Bundestrainers, der in sich ruht, und der es bisher noch immer ins Halbfinale geschafft hat.
In diesem Spannungsfeld darf eines als sicher gelten: Der Hunger, der eine Mannschaft auf dem Weg zum ersten Titel begleitet, lässt sich nicht so einfach noch einmal erzeugen. Zumal daraus eine gefährliche Behäbigkeit nach innen wachsen kann: Ich bin Weltmeister – und du, Nebenspieler?
Möglichen Spielraum hat Löw selbst verschenkt. Indem er Sané zu Hause ließ. Auch Petersen als besten Joker der Liga. Und von den stürmischen Confed-cupsiegern des Vorjahres schafften es mit Kimmich, Draxler und Werner auch nur drei in die aktuelle Elf. Nicht zuletzt muss sich der Bundestrainer Vorwürfe gefallen lassen, nicht oder zu spät auf das sich anbahnende Desaster gegen Mexiko reagiert zu haben. Wieder einmal.
Zur Erinnerung: Vor vier Jahren in Brasilien war es Mustafis Verletzung und weniger des Trainers Einsicht, dass Lahm nach dem missglückten Mittelfeld-experiment auf seinen angestammten Verteidigerplatz zurück durfte. Und 2012 hatte Löw sogar eine legendäre Aktie am 1:2 im Em-halbfinale gegen Italien. Er ließ den zuvor überzeugenden Reus eine Halbzeit lang auf der Bank, um mit Kroos die Italiener in der Mitte zu stellen – was gründlich misslang.
Mehr als ein halbes Jahrzehnt später standen nun gegen Mexiko noch neun (!) Spieler auf dem Platz, die bei der damaligen Pleite dabei waren. Das mögen Optimisten als Kontinuität sehen. Man kann es auch als ein Stück Stagnation begreifen.